Menschenrechtsgerichtshof: Türkei muss Oppositionspolitiker aus Haft entlassen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat geurteilt, dass die Türkei den inhaftierten Oppositionspolitiker Selahattin Demirtas entlassen muss. Demirtas sitzt seit zwei Jahren in Untersuchungshaft. Eine Anklageschrift wurde bisher noch nicht vorgelegt.

Das Gericht entschied, dass zwar für die Verhaftung ein begründeter Verdacht bestand, der jedoch die Dauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigt. Der ehemalige Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP sieht sich aus politischen Gründen verfolgt und hatte Beschwerde gegen seine Untersuchungshaft eingelegt. Demirtas war im November 2016 unter Terrorvorwürfen verhaftet worden. Der 45-Jährige trat bei den Wahlen im Juni aus dem Gefängnis heraus als Kandidat gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan an. Demirtas errang trotz Inhaftierung mit 8,4 Prozent der Stimmen den dritten Platz.

Die Richter urteilten nun, die Tatsache, dass Demirtas nicht sein Mandat in der Nationalversammlung ausüben konnte, stelle unter anderem einen unrechtmäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar. Die Inhaftierung von Demirtas, insbesondere während der Präsidentschaftswahlen und des umstrittenen Referendums für den Übergang von einem parlamentarischen zu einem Präsidialsystem in der Türkei, habe offenbar das Ziel gehabt, Pluralismus zu ersticken und die Freiheit in der politischen Debatte einzugrenzen, befanden die Richter.

Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Türkei Demirtas so schnell wie möglich aus der Untersuchungshaft - jedenfalls auf Grundlage der aktuell erhobenen Vorwürfe - entlassen muss, es sei denn, die Türkei trage neue Gründe und entsprechende Beweise für die Fortdauer der Inhaftierung vor. Zudem verurteilten die Richter die Türkei zu einer Strafzahlung.

Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Sie forderte eine schnelle Freilassung ihres ehemaligen Vorsitzenden Selahattin Demirtas. Der Beschluss des Gerichts in Straßburg müsse zügig umgesetzt werden, verlangte die Partei am Dienstag auf Twitter.

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(dpa/rt deutsch)