Über Jahre versuchten westliche Staaten mitsamt ihrer regionalen Verbündeten, die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad durch die Unterstützung islamistischer Aufständischer zu stürzen. Doch spätestens mit Russlands militärischem Eingreifen haben sich diese Umsturzpläne als kaum noch realistisch erweisen. Die neue Marschrichtung ließe sich daher in etwa so zusammenfassen: Ist Assad der Sieg im Krieg nur noch schwer zu nehmen, so darf er auf keinen Fall den Frieden gewinnen.
Aus diesem Grund hintertreiben die USA und Verbündete wie Deutschland den Wiederaufbau in Syrien, unter anderem - laut Moskau - mit einer geheimen UN-Direktive. Bevor Gelder für diesen Zweck fließen, müsse es erst einen "politischen Übergang" geben, sprich: Assad soll sein Amt aufgeben. Die ökonomische Erpressbarkeit Syriens, insbesondere vor dem Hintergrund eines akuten Fachkräftemangels, der die Frage nach einer Rückkehr von Flüchtlingen für die Wirtschaft des Landes so dringlich macht, ist im Poker um die Nachkriegszukunft des arabischen Landes die große Trumpfkarte in den Händen des Westens.
Am Sonntag brachte der französische Außenminister die strategische Neuausrichtung auf den Punkt, als er gegenüber dem Radiosender France Inter sagte:
Assad hat den Krieg gewonnen. Aber er hat den Frieden nicht gewonnen.
Der französische Spitzendiplomat meinte zudem, dass eine große militärische Operation in der Provinz Idlib – die letzte größere Bastion der Dschihadisten in Syrien – das Ausmaß der vermeintlichen Katastrophe von Aleppo in den Schatten stellen könnte. Die Wirtschaftsmetropole Aleppo, deren Ostteil jahrelang von islamistischen Kämpfern und Terrorgruppen beherrscht wurde, wurde im Dezember 2016 vollständig von der syrischen Armee befreit. Dabei wurden massenhaft Zivilisten – und später nach Verhandlungen auch Dschihadisten – durch humanitäre Korridore evakuiert, die mithilfe Russlands errichtet worden waren. Diese Tatsache wie auch der schnelle Wiederaufbau der Stadt wurde jedoch von den westlichen Medien weitgehend ignoriert.
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Ende August sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow, dass die Verhandlungen in der Provinz Idlib über die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten begonnen hätten. Am Montag stellte Lawrow fest, dass Russland, die Türkei und der Iran versuchten, in Idlib bewaffnete Oppositionelle von Terroristen zu trennen. Die Zahl der Waffenstillstandsverletzungen in der Region bleibt ihm zufolge nach wie vor hoch.
Laut der jüngsten Erklärung des UN-Gesandten für Syrien Staffan de Mistura gebe es eine hohe Konzentration ausländischer Kämpfer in der Region, darunter schätzungsweise 10.000 Terroristen.
Moskau warnt vor inszeniertem Chemiewaffeneinsatz als Kriegsvorwand
Frankreich hat in den letzten Jahren gemeinsam mit seinen westlichen Verbündeten die syrische Regierung unter Präsident Assad wiederholt attackiert – nicht nur mit Worten. Im April führte Paris zusammen mit Washington und London Militärschläge auf syrische Einrichtungen durch. Der Angriff wurde als Vergeltungsmaßnahme für einen angeblichen Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Armee in Duma bei Damaskus gerechtfertigt.
Die Militäroperation begann nur wenige Stunden, bevor ein Team der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Duma eintreffen sollte. Von den islamistischen Aufständischen verbreitete Berichte über einen Chemiewaffeneinsatz wurden von einheimischen Zeugen und prominenten westlichen Journalisten in Frage gestellt.
Ende August drohte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erneut mit Luftangriffen auf das krisengeschüttelte Land, sollte nachgewiesen werden, dass die Assad-Regierung chemische Waffen gegen das syrische Volk einsetzt.
Etwa zur gleichen Zeit warnte das russische Militär, dass Aufständische die Inszenierung eines Chemiewaffenangriffs unter falscher Flagge vorbereiteten, um diesen der syrischen Regierung anzuhängen. Die Aktion diene den USA, Frankreich und Großbritannien als Vorwand für Luftangriffe auf syrische Ziele, so Moskau.
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