Der behördenübergreifende russische Stab zur Koordinierung der Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien hat bei seiner jüngsten Sitzung ein Ende der Sanktionen gegen das arabische Land gefordert. Zudem hat die Einrichtung den aufnehmenden Ländern geraten, das Geld, das derzeit für den Lebensunterhalt syrischer Flüchtlinge ausgegeben wird, sinnvoller in den Wiederaufbau des Landes und so letztlich in deren Rückkehr zu investieren.
Diese Haltung vertraten in der Sitzung Nikolai Burzew, ein Sprecher des russischen Auswärtigen Amtes, und der Leiter des russischen Nationalen Führungszentrums für Verteidigung, Generaloberst Michail Misinzew, der deren Leitung übernommen hatte. Misinzew zitierte in diesem Zusammenhang den syrischen Minister für Nationale Versöhnung, Ali Hejdar: Dessen Behörde habe Tausende von Anschreiben von rückkehrwilligen syrischen Flüchtlingen aus dem Ausland erhalten – denen jedoch die Mittel zur Rückkehr fehlen.
Burzew sprach als ein Beispiel für die aufnehmenden Länder Deutschland an, das dem russischen Auswärtigen Amt gegenüber zumindest Diskussionsbereitschaft hinsichtlich dieses Vorschlags signalisiert habe. Es sei die Rede von 534.000 Flüchtlingen aus Syrien gewesen, die Deutschland aufgenommen habe und deren Lebensunterhalt der deutschen Seite eine "Belastung" für den Haushalt des Landes darstelle. Der russische Repatriierungs-Stab forderte zudem ein Ende der westlichen Sanktionen gegen Syrien, die das Budget des Landes empfindlich verringern und dieses so zusätzlich daran hindern, seine geflüchteten Staatsbürger wieder aufzunehmen.
Syrien ruft seine Kinder zu sich - Russland hilft, sie zu empfangen
Die Hauptthemen der planmäßigen Sitzung des Koordinationsstabs zur Rückkehr von Flüchtlingen in die Syrische Arabische Republik waren indes andere. Die Teilnehmer legten Rechenschaft über den Lauf der Dinge in ihren Ressorts ab – das Protokoll liegt Journalisten vor. Das Ergebnis: Syrien ist bereit für die Rückkehr seiner Bürger, denn der Wiederaufbau ist in vollem Gange und trägt bereits Früchte.
Die Rechenschaftsberichte der jeweiligen Ressorts ergaben ferner ein interessantes Bild bezüglich der Rolle Russlands im laufenden Wiederaufbau: Russland hilft nicht nur selbst bei diesem, sondern versucht auch im Rahmen der UN die Hilfsbemühungen anderer Länder zu koordinieren, damit die Hilfe ihre Empfänger erreicht.
Dabei sind die Ausmaße des Flüchtlingsstromes deutlich geworden, der mittlerweile in umgekehrter Richtung fließt: Seit Beginn des russischen Militäreinsatzes in Syrien im September 2015 kehrten fast 240.000 syrische Flüchtlinge aus dem Ausland in ihre Heimat zurück; allein seit dem 18. Juli dieses Jahres waren es an die 6.000, so Oberst Igor Sergeew, der diensthabende Schichtleiter des Koordinationsstabs.
Damit die Flüchtlinge einen Ort haben, an den sie zurückkehren können, laufen in Syrien auf Hochtouren Arbeiten zur Minen- und Munitionsräumung und zum Wiederaufbau der Infrastruktur, die durch den Krieg stark angeschlagen ist. Dass dabei die Leitung des neu gegründeten Koordinationsstabs zur Rückkehr der Flüchtlinge einem Zivilisten anvertraut wurde – dem syrischen Minister für kommunale Verwaltung und Umwelt, Hussein Machluf – hält Sitzungsvorstand Misinzew für ein Zeichen dafür, dass Syrien bereit ist, seine wiederkehrenden Bürger aufzunehmen. Die Maßstäbe der Arbeiten zum Wiederaufbau des Landes unter Machlufs Koordination sind bei der Sitzung ebenfalls verdeutlicht worden.
Syrien räumt Minen und baut sich selbst wieder auf
Misinzew setzte diesbezüglich bei konkreten Beispielen an: Allein in der vergangenen Woche wurden 123 Wohnhäuser fertiggestellt; eine Schule, zwei Kindergärten und ein Umspannwerk nahmen wieder den Betrieb auf; in insgesamt 59 Ortschaften befinden sich 46 Schulen, 19 Kindertagesstätten, 33 Bäckereien, 28 Wasserwerke, 12 Umspannwerke, 14 Kliniken und 227 Wohnhäuser im Wiederaufbau. In Dimas in der Provinz Damaskus wird ein Wohngebiet für junge Familien mit 16 Wohnhäusern und insgesamt 832 Wohnungen neu gebaut.
Weiter führt der Sprecher des behördenübergreifenden Koordinationsstabs, Ahmed Munir, der zudem Berater des syrischen Ministers für Nationale Versöhnung ist, auch bei der Sicherheit Fortschritte an: Bei der Minenräumung in der Provinz Homs wurden seit der vorhergehenden Sitzung des Koordinationsstabes zwei Hektar an Territorium, fünf Gebäude und Bauwerke und ein Kilometer Straßennetz abgesucht und gesäubert; dabei wurden 40 explosionsgefährliche Gegenstände weggeräumt.
Seit Beginn der Arbeiten sind es in Homs bereits 205,8 Hektar an Fläche, 655 Gebäude und Bauwerke und 38,8 Kilometer Straßennetz, die gesäubert wurden. Dabei fanden und vernichteten die Einsatzteams 6.670 explosionsgefährliche Gegenstände - davon 2.097 selbstgebaute Sprengsätze. Er fasste das Zwischenergebnis der Aufbauarbeiten wie folgt zusammen: Insgesamt wurden in der Syrischen Arabischen Republik 89 medizinische und 217 Bildungseinrichtungen wiederhergestellt, 273 Kilometer Automobilrouten repariert, 202 Kilometer Hochspannungsleitungen verlegt beziehungsweise 86 Umspannkraftwerke, 71 Wasserwerke und zwei Objekte der Treibstoff- und Energieversorgung in Betrieb genommen, so Munir.
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Die Rolle Russlands bei der syrischen Auferstehung
Der Sprecher des russischen Auswärtigen Amtes, Nikolai Burzew, schilderte ausführlich die Rolle Russlands bei der Koordination der Hilfsbemühungen anderer Länder und internationaler Hilfsorganisationen bei humanitären und Aufbauprojekten in Syrien. Russland, so fügte er hinzu, fordere die Weltgemeinschaft auf, parallel zu bestehenden Mechanismen der UN, aber sehr wohl mithilfe von UN-Plattformen auch bilaterale humanitäre Projekte aufzubauen, die schneller auf Probleme des kriegszerrütteten Landes reagieren könnten.
Dabei gehe Russland unter anderem gerade die Minengefahr in Syrien entschlossen an, so Sprecher des russischen Katastrophenschutzes, Alexandr Nogin: Im Auftrag von Präsident Wladimir Putin hätten der russische Katastrophenschutz und das Auswärtige Amt mit der Vorbereitung multilateraler Entwicklungshilfe-Projekte unter Einschluss der einschlägigen internationalen Organisationen begonnen. Dabei sollen der syrische Katastrophenschutz wiederhergestellt und logistische wie praktische Grundlagen zur Ausbildung von dessen Einsatzkräften geschaffen werden. In Syrien sollen ferner Spezialisten für humanitäre Minen- und Kampfmittelräumung nach internationalen Standards ausgebildet werden. Und schließlich will man auch die syrische Bevölkerung des Landes bezüglich der Minengefahr im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau ihres Landes schulen.
Der russische Katastrophenschutz und die Armee leisten in Syrien aber auch direkte humanitäre Hilfe mit Material und Fachkräften: Im Rahmen der letzten humanitären Lieferung sind fast 100 Tonnen Lebensmittel aus den Vorräten des russisch-armenischen humanitären Eingriffszentrums sowie 34 Tonnen Lebensmittel und medizinische Vorräte aus der russischen Staatsreserve nach Syrien gebracht worden, so Nogin weiter. Die nächste Lieferung sei in Vorbereitung.
Der Schichtleiter des Koordinationsstabs, Oberst Sergejew, betonte zudem, dass die gelieferten Güter schnell verteilt werden: Nur innerhalb von 24 Stunden wurden beispielsweise 4,6 Tonnen Lebensmittel bei zwei humanitären Aktionen an bedürftige Syrer verteilt – 650 Lebensmittel-Sätze von insgesamt 2,8 Tonnen in Tell-Dera in der Provinz Hama und 1,8 Tonnen in el-Museirib in der Provinz Dar'aa; im Bezirk Aleppo ließ die Kadyrow-Stiftung eine Tonne Backwaren an die Bevölkerung austeilen. Ferner nahmen seit Beginn des russischen Militäreinsatzes in Syrien 87.491 Landesbewohner medizinische Hilfe von russischen Armeeärzten in Anspruch, schloss Oberst Sergejew.
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