Schon seit Wochen und Monaten herrscht eine beunruhigende Lage zwischen Israel und dem Gazastreifen. Immer wieder kommt es zu gelegentlichen Luftangriffen der israelischen Luftwaffe; Militante und gewöhnliche Demonstranten schicken Drachen mit Molotowcocktails über den Zaun, der sie im größten Ghetto der Welt eingepfercht hält. Der Druck auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vonseiten der rechtsgesinnten Medien und insbesondere aus seinem rechten Kabinett wächst, endlich gegen die Kinder und Jugendlichen loszuschlagen, die diese Drachen über den Zaun steuerten und teilweise für erhebliche Schäden auf landwirtschaftlichen Feldern sorgten.
Die Lage war so angespannt, dass beide Parteien, Israel und die in Gaza durch Wahlen an die Macht gekommene Hamas, einer Mediation durch Ägypten zustimmten. Die Gespräche liefen erfolgsversprechend, beide Seiten zeigten sich bereit, eine Deeskalation herbeizuführen. Doch am Dienstagmorgen beendete ein israelischer Panzer sämtliche Bemühungen mit einem einzigen Schuss. Die Granate tötete zwei Mitglieder der Al-Qassam-Brigade, dem militärischen Flügel der Hamas. Die israelische Armee (IDF) behauptete zuerst, sie habe aufgrund eines Beschusses der eigenen Soldaten gehandelt und deshalb den Panzer in Stellung gebracht und abgefeuert.
Erst am Donnerstag ruderte die IDF zurück und gab bekannt, dass sich es sich wohl um ein "Missverständnis" gehandelt habe. Die israelischen Soldaten hätten "fälschlicherweise gedacht", unter Feuer geraten zu sein. Was sie als Angriff gegen sie gewertet haben, war eine zwei Kilometer entfernte Übung der Al-Qassam-Brigade.
Doch der Schaden war da schon angerichtet. Aus Wut über den Bruch der Waffenstillstandsgespräche durch Israel und aus Rache an der Tötung ihrer Mitglieder feuerten verschiedene militante palästinensische Organisationen am Mittwoch Raketen auf Israel ab. Eine davon war laut israelischer Darstellung die "Langstreckenrakete" des Typs Grad, die in der Nähe der knapp 50 Kilometer entfernten Stadt Beerscheba einschlug und glücklicherweise keine weiteren Schäden verursachte.
Israel reagierte daraufhin mit massiven Luftschlägen auf den Gazastreifen, was nur zu weiteren Raketenangriffen aus dem Gazastreifen führte. Im Zuge dieser israelischen Luftangriffe wurde eine im neunten Monat schwangere Frau und deren 18 Monate alte Tochter getötet. Und darüber berichtete auch der britische Sender BBC. Über Twitter meldete die BBC: "Israelischer Luftschlag tötet Frau und Baby."
Daraufhin meldete sich Emmanuel Nahshon, Sprecher des israelischen Außenministeriums, ebenfalls über Twitter mit einer "formellen Beanstandung des israelischen Außenministeriums."
Er schrieb:
Das ist eine absichtlich falsche Darstellung der Realität (das ist das politische Äquivalent von "das ist eine LÜGE", falls ihr es nicht versteht). Israelis wurden von der Hamas angegriffen und (die) IDF handelt, um sie zu beschützen. Ändert es SOFORT!!!"
Und tatsächlich. Diese über Twitter ausgesprochene Anordnung von Nahshon reichte aus, dass BBC klein beigab und den Beitrag abänderte.
Nach der üblichen Verurteilung und einseitiger Schuldzuweisungen aus Washington und Brüssel veröffentlichte die israelische Tageszeitung Haaretz am Freitag folgende "Einschätzung" von nicht näher genannten israelischen Quellen:
Gemäß israelischer Einschätzung möchte die Hamas die gegenwärtige Runde der Gewalt nach dem Schaden und der Opfer durch die israelischen Militärangriffe auf den Gazastreifen beenden. Ein israelischer Beamter sagte gegenüber Haaretz, dass die Hamas seit Donnerstagmorgen versucht hatte, einen Waffenstillstand über Vermittler zu erreichen, Israel (aber) weiterhin prominente Ziele angriff."
Dieser Vorfall zeigt, über welchen Einfluss Israel in der britischen Presse und Politik verfügt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Skandal im vergangenen Jahr, als der israelische Botschaftsmitarbeiter Shai Masot in London in einem Restaurant großspurig ausplauderte, wie britische Parlamentsabgeordnete "entfernt" werden könnten, die sich kritisch gegenüber Israel äußerten, und dabei auch den damals amtierenden britischen Außenminister Boris Johnson als "Idiot" beleidigte. Ganz ähnlich äußerte sich erst kürzlich der ehemalige Sprecher von Campaign Against Antisemitism (CAA), der in einem Interview mit Sky News meinte, dass man Antisemitismus "als Waffe" einsetzen müsste, um Oppositionsführer Jeremy Corbyn "aus dem öffentlichen Leben" zu verbannen.
Drei führende jüdische Zeitungen in Großbritannien haben sich in ihrer Hetze gegen Jeremy Corbyn zusammengetan, weil sie eine von ihm geführte Regierung als eine "existenzielle Bedrohung für jüdisches Leben in diesem Land" betrachten. Dieser Vorgehensweise widersetzte sich nun ein Redakteur einer der drei Zeitungen, Stephen Oryszczuk, und meinte:
Ich glaube nicht, dass er ein Antisemit ist, noch (glauben) das die meisten vernünftigen Menschen. Er ist anti-Israel und das ist nicht dasselbe."
Dass der Antisemitismus bereits schon längst als "Waffe" benutzt wird, um jegliche Kritik an Israel zum Schweigen zu bringen, bestätigte auch Shulamit Aloni, eine ehemalige israelische Bildungsministerin in einem Interview im Jahr 2002:
Nun, es ist ein Trick, den wir immer anwenden. Wenn jemand aus Europa Israel kritisiert, dann bringen wir den Holocaust hoch. Wenn Leute in diesem Land (USA) Israel kritisieren, dann sind sie antisemitisch."