von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit Doktor Kristian Ulrichsen gesprochen. Er ist Associate und Fellow des Baker Institute for Public Policy der Rice University. Ebenso ist er als Golfstaaten-Experte bei der internationalen Denkfabrik Chatham House mit Sitz in London tätig. Ulrichsen ist Autor des Buches: "Die Golfstaaten in der internationalen politischen Ökonomie".
Medien berichten über aggressives Lobbying der Vereinigten Arabischen Emirate im Westen. Welches Ziel verfolgt der Golfstaat mit dieser Strategie?
Die Führung in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), sowohl in Abu Dhabi als auch in Dubai, hat in den letzten zehn Jahren stark in den Aufbau ihrer Soft Power investiert. Das ist Teil einer umfassenden Marketing-Strategie, die darauf abzielt, die VAE als einen fortschrittlichen, toleranten und dynamischen Staat zu projizieren, der nach außen ansprechend wirken soll.
Insbesondere soll Abu Dhabi die politische Entscheidungsfindung Großbritanniens beeinflusst haben. Können Sie genauer erklären, welche Instrumente das Emirat dabei einsetzt?
Einzelpersonen und Einrichtungen in den VAE haben großzügige Finanzmittel an britische Universitäten gespendet, oft für neue Gebäude und Hörsäle, aber auch für einflussreiche Denkfabriken. Man muss dazu sagen, dass es grundsätzlich nichts Ungewöhnliches in diesem Bereich gibt, was die VAE von anderen Staaten unterscheiden würde. Anstatt direkt Einfluss zu kaufen, dienen solche Spenden den Vereinigten Arabischen Emiraten als Marke und erleichtern dem Land in einigen Fällen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern. Es kommt auch vor, dass dem Land ein Platz "am Tisch" bei Konferenzen und Veranstaltungen gewährt wird.
Im Nahen Osten sind die Vereinigten Arabischen Emirate Partner der Saudis in nahezu allen Konflikten. Was verbindet die beiden Golfstaaten?
Die Partnerschaft besteht vor allem zwischen Saudi-Arabien und der Herrschaftsfamilie von Abu Dhabi. Die Kooperation ist durch die enge Beziehung zwischen den beiden Kronprinzen Mohammed bin Salman und Mohammed bin Zayed verbunden. Die beiden Männer haben eine enge Arbeitsbeziehung aufbauen können, die die zentrale politische Achse nicht nur in der Politik am Persischen Golf, sondern auch innerhalb der VAE selbst neu definiert hat. Die Pattsituation in der Katar-Krise führte aber dennoch dazu, dass die Kluft zwischen der Position Saudi-Arabiens und Abu Dhabis sowie den anderen Golfstaaten offenbart wurde.
Denn die Vereinigten Arabischen Emirate setzen sich aus insgesamt sechs kleineren Scheichtümer zusammen und bilden daher keinen homogenen Block. Innerhalb der VAE kommen Fragen über den Grad der Unterstützung für die Hardliner-Position Abu Dhabis in den anderen sechs Emiraten, einschließlich Dubai, auf.
Die Saudis und Emiratis werden im westlichen Mainstream immer wieder als enge Partner des Westens gelobt. Teilen Sie die Ansicht, dass beide Länder Verbündete sind, die zu mehr Stabilität im Nahen Osten beitragen?
Es ist schwer zu erkennen, womit die saudische und emiratische Intervention im Jemen - als ein Beispiel - die Region sicherer gemacht haben soll. Als die militärische Kampagne im März 2015 begann, wurden Fragen hinsichtlich der Zielsetzung gestellt. Es scheint auch gar keinen Plan B zu geben, nachdem klar wurde, dass die Saudi-geführte Allianz die Huthi-Rebellen nicht einfach zur Unterordnung zwingen kann.
Die gleiche Hektik und das offensichtliche Fehlen einer politischen Rückzugsmöglichkeit aus der Konfrontation war ebenso ein Merkmal bei der Blockade von Katar. Aus US-amerikanischer Perspektive war die Krise ein Problem. Sie erschwert die Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit zwischen den USA und den Golfstaaten. Die Krise zerstörte ein bisher solides Netz von US-Partnerschaften in der Region.
Wer spielt die Rolle des Juniorpartners in den Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten?
Die VAE sind auf jeden Fall der Juniorpartner, und zwar aufgrund der Diskrepanz in Größe und Bevölkerung im Vergleich zu Saudi-Arabien. Aber ein Merkmal bei Fragen der Entscheidungsfindung war in den letzten drei Jahren, dass es manchmal so aussah, als ob Mohammed bin Zayed die Politik von Saudi-Arabien in bestimmten Bereichen, wie etwa gegen Katar, vorangetrieben habe. Jetzt, da Mohammed bin Salmans Macht und Autorität in Saudi-Arabien fast unantastbar scheint, zieht er eher die Fäden als Mohammed bin Zayed. Es wird lehrreich sein zu beobachten, wie sich die regionale Dynamik jetzt verändert, da die Rollen umgekehrt vergeben sind.
Katar ist spätestens seit der Krise 2017 zum erklärten Erzfeind von Abu Dhabi und Riad geworden. Beide Staaten erklären dies mit einer angeblichen terroristischen Unterstützung aus Katar. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die anhaltende Konfrontation und wie wirkt sie sich auf den gesamten Nahen Osten aus?
Die Konfrontation dauert an, weil weder die Saudis noch die Emiratis zugeben wollen, dass sie hektisch gehandelt haben. Die Kataris werden nicht den ersten Schritt zur Normalisierung der Beziehungen machen, solange es auch keinen saudischen und emiratischen Wunsch gibt, sich wieder zu engagieren. Die Krise steckt also in einer Warteschleife, bei dem die Kosten dieser fortdauernden Pattsituation noch nicht hoch genug sind, um jemanden an den Verhandlungstisch zu zwingen. Den Saudis und Emiratis fehlt außerdem jede Möglichkeit, das Problem zur Lösung im Sinne eigener Interessen erzwingen, nachdem US-Präsident Trump seine anfängliche Unterstützung für Riad und Abu Dhabi aufgegeben hat. Inzwischen will die US-Regierung lieber die Krise so schnell wie möglich gelöst sehen.
Katar hat beschlossen, seine Militärbasis al-Udaid für die USA auszubauen. Hat Doha mit dieser Initiative erneut die Gunst von Donald Trump gewonnen, der zu Beginn der Katar-Krise auf der Seite von Riad und Abu Dhabi stand?
Katar hat sich von Anfang an eher auf Taten konzentriert, statt auf Worte, wie es die Saudis und Emiratis getan haben. Katar handelt auf eine Weise, die ihre Sicherheits- und Verteidigungs-Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten gestärkt und das politische und wirtschaftliche Engagement der US-Regierung vertieft hat. Das könnte teilweise auch deshalb geschehen sein, um künftige Auswirkungen zu minimieren, falls ein anderer US-Präsident - oder das Weiße Haus auch bald schon - so unerwartet handeln sollte, wie Präsident Trump das zuletzt im Juni 2017 tat.