von Ali Özkök
Die Huthi-Miliz und ihre Verbündeten halten seit Jahren den Hafen am Roten Meer, der für die Nahrungsmittelversorgung einer Nation am Rande der Hungersnot nach Jahren des Krieges entscheidend ist. Sollten die Huthis nicht kampflos abziehen, könnte die Schlacht um Hodeida zum bisher größten urbanen Kampf zwischen Pro-Saudi-Truppen und der Schiiten-Miliz ausarten, die als pro-iranisch gilt. Die Folgen für Zivilisten in der Stadt, die rund 600.000 Einwohner zählt, könnten für die kriegsgeschüttelte Bevölkerung verheerend sein.
Am frühen Mittwochmorgen setzten die Koalitionstruppen Konvois von gepanzerten Fahrzeugen in Richtung Hodeida in Bewegung. In den sozialen Medien wurden vereinzelt Videos veröffentlicht, wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Hunderte von Kämpfern südlich der Hafenstadt zusammenziehen.
Andere Videos zeigen, wie Anti-Huthi-Truppen, begleitet von Sperrfeuer, den Süden von Hodeida zu stürmen begannen.
Fall von Hodeida könnte Anfang vom Ende des Huthi-Aufstandes bedeuten
Saudische Fernsehsender berichteten von Koalitionsluftangriffen und einem Beschuss durch Marineschiffe. Zum ersten Mal im Jemen-Konflikt versucht die Saudi-Allianz eine so gut verteidigte Großstadt zu erobern. Sollte die Stadt fallen, stellt die Saudi-geführte Koalition die Huthis in der Hauptstadt Sanaa vor ein Versorgungsproblem. Auf dem Landweg blockiert, ist Hodeida das einzig verbliebene logistische Versorgungszentrum der schiitischen Kämpfer. Auf diese Weise will Riad die Huthis an den Verhandlungstisch zwingen.
Saudis und Emiratis unterstützen jemenitische Streitkräfte, die sich mehrheitlich aus Separatisten des Süd-Jemens und einem Bataillon unter der Führung eines Neffen des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh zusammensetzen. Die Einheiten kämpfen an der Seite von emiratischen und sudanesischen Truppen. In den sozialen Medien tauchten erste Bilder auf, die beweisen sollen, dass emiratische Truppen mit französischen AMX-56 Leclerc-Panzern und südafrikanischen G6 Rhino-Haubitzen in Hodeida präsent sind.
Die jemenitische Exilregierung "hat alle friedlichen und politischen Mittel ausgeschöpft, um die Huthi-Miliz aus dem Hafen von Hodeida zu entfernen", heißt es in einer Erklärung. "Die Befreiung des Hafens von Hodeida ist ein Meilenstein in unserem Kampf um die Wiedererlangung des Jemen von den Milizen." Der von den Huthis betriebene Satelliten-Nachrichtensender Al Masirah bestätigte die Offensive und behauptete, dass die Rebellen ein saudisches Koalitionsschiff in der Nähe von Hodeida mit zwei Raketen getroffen hätten.
Das anvisierte Schiff transportierte Truppen, die für eine Landung an der Küste von Hodeida vorbereitet waren", hieß es vonseiten des Kanals.
Emirati wollen Kontrolle über Hodeida zur Ausweitung ihres Monopols über die Handelswege
Die Befreiung des Hafens ist der Beginn des Sturzes der Huthi-Miliz. Sie wird die Seefahrt in der Bab-al-Mandab-Straße sichern und die Hände des Iran abschneiden, der den Jemen lange in Waffen ertränkt hat", behauptet ihrerseits die von Riad unterstützte Exilregierung in einer Erklärung der staatlichen jemenitischen Medien.
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben bereits signalisiert, dass sie den Betrieb des Hafens von Hodeida übernehmen wollen. Reem al-Hashimy, der Staatsminister der VAE für internationale Zusammenarbeit, verteidigte das Ansinnen damit, dass die Koalition, sobald sie den Huthis den Hafen abgenommen hätte, leichter den Waffenfluss aus dem Iran kontrollieren und unterbinden könnte. Gleichzeitig wäre es möglich, den Waren- und Hilfsgüterfluss in die besonders stark in Mitleidenschaft gezogenen Gebiete des Jemen zu verbessern.
Die Huthis dementieren, dass sie vom Iran unterstützt werden. Sie betonen stattdessen, dass ihre Revolte darauf abziele, den Jemen vor "Eindringlingen" wie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu verteidigen.
Auch der kanadische Professor aus Ottawa und ehemalige verteidigungspolitische Analyst Thomas Juneau hinterfragte auf dem Micro-Bloggingdienst Twitter die Argumentationskette der Anti-Huthi-Kräfte, wonach der Hodeida-Umschlaghafen für iranische Waffenlieferungen an die Huthis genutzt werde. Er argumentiert, dass der Hafen seit drei Jahren blockiert wird und für die Abwicklung militärischer Logistik kaum nutzbar ist. Auch spiele der Kampf gegen die Huthis in Realität eine sekundäre Rolle. Das eigentliche Ziel der Vereinigten Arabischen Emirate sei die Ausweitung der Kontrolle über strategisch wichtige Häfen in der Region, dafür würden lokale Milizen aufgebaut.
Ins gleiche Horn stößt der Journalist des Nachrichtenportals Fort Russ News und Analyst am Zentrum für Synkretistische Studien, Paul Antonopoulos.
"Saudi-Arabien ist es nicht gelungen, seine ehrgeizigen Machtprojektionen gegen Syrien, den Libanon und Katar durchzusetzen und aus diesem Grund weigert es sich, den Jemen zu befrieden. Riad möchte einen weiteren Misserfolg vermeiden", äußerte Antonopoulos und fügte hinzu:
Zeitgleich befassen sich die Emirate in erster Linie mit der Monopolisierung von Schifffahrtswegen. Dies ist ein Rezept für erhebliche Spannungen und Gewalt, die in Hodeida überkochen wird.
Der US-amerikanische Nahost-Sicherheitsanalyst Nicholas A. Heras, der für das Washingtoner Zentrum für Neue Amerikanische Sicherheit arbeitet, kommentierte auf Anfrage von RT Deutsch die strategischen Erwägungen der Emirate:
Es ist kein Geheimnis, dass die Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen und der weiteren Region des Roten Meeres Schach spielen. Die Emirati sind ein maritimes Volk, und sie wissen, wie wichtig es ist, die Häfen zu kontrollieren, um die Macht und den Einfluss der VAE im gesamten Nahen Osten zu fördern.
Dabei fällt insbesondere auf das emiratische Unternehmen DP World ein bedeutsames Augenmerk. Dieses ist einer der weltweit größten Hafenbetreiber und unterhält in verschiedenen Ländern zusammen 78 Terminals. Etwa 80 Prozent des Geschäfts liegen im Bereich Containerhäfen. Haupteigentümer der sowohl an der Börse in Dubai als auch an der London Stock Exchange (LSE) notierten Gesellschaft ist Dubai World, die staatliche Investmentgruppe der Vereinigten Arabischen Emirate. In diesem Zusammenhang scheinen die Emirati den Jemen-Konflikt zu nutzen, um ihre eigene geopolitische Position in der weiteren Region auszubauen. Heras fügte hinzu:
Jemens Häfen sind besonders wertvoll, weil sie an einer der wichtigsten Seeschifffahrtsrouten der Welt liegen und den Welthandel stark beeinflussen. Aus der Sicht dieser Strategie gibt es im Jemen keinen größeren Preis als Hodeida. Nicht einmal Aden, das bereits unter der Kontrolle der Emirate steht, ist so wichtig. Die Einnahme des Hafens von Hodeida würde bedeuten, dass die Emirati ein Kronjuwel in ihrer regionalen Strategie gewonnen haben.
Jemenitische Beamte erklärten gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP, dass ungefähr 2.000 Soldaten von einer emiratischen Marinebasis über Saudi-Arabien und das Rote Meer nach Eritrea auf dem ostafrikanischen Festland verlegt wurden, um die Offensive gegen Hodeida im weiteren Verlauf vom Westen her zu unterstützen.
USA unterstützen saudischen und emiratischen Feldzug
Die pro-saudischen und pro-emiratischen Kämpfer rückten in den vergangenen Wochen gefährlich nah auf die Stadt Hodeida vor. Der Hafen liegt etwa 150 Kilometer südwestlich von Sanaa. Diese Stadt war im September 2014 von den Huthis eingenommen worden. Im März 2015 reagierte Saudi-Arabien mit einer Luft- und Bodenoffensive gegen die pro-iranischen Rebellen. Die Golfmonarchie hat selbst eine große schiitische Minderheit und trägt zahlreiche Stellvertreterkonflikte mit dem Iran aus. Riad und sein Top-Verbündeter, die Vereinigten Arabischen Emirate, koordinieren ihre Intervention auch mit den USA.
Der US-amerikanische Verteidigungsminister Jim Mattis bestätigte am Montag, dass die USA die von Saudi-Arabien geführte Koalition weiterhin unterstützen.
Wir liefern jede mögliche Information oder alles, was wir geben können, um Feuerbereiche zu zeigen, in denen es Zivilisten gibt, in denen es Moscheen, Krankenhäuser gibt, also solche Sachen, und die Luftbetankung", sagte Mattis.
Eine jemenitischer Experte sagte RT Deutsch, dass die USA im Jemenkonflikt noch viel weiter gehen. Washington teile mit der Saudi-Koalition alle relevanten Geheimdienstinformationen, die im Kampf gegen die Huthis helfen könnten. Gemeinsam mit Australien setzt die US-Marine die See-Blockade des Jemen durch.
Paul Antonopoulos hält die humanitären Beteuerungen der USA für eine Verschleierungstaktik. Zu RT Deutsch sagte er:
Das ist die übliche Rhetorik, die von Washington ausgegeben wird, dass sie und ihre Verbündeten die Zivilinfrastruktur schützen. Wir müssen uns nur das nahe gelegene Syrien und den Irak ansehen, um zu sehen, wie weit die von den USA geführte Koalition gegangen ist, um Mossul im Irak zu befreien und Rakka in Syrien vom IS zu erobern. Es ist gut dokumentiert, dass die von den USA geführte Koalition wahllose Luftangriffe gegen ISIS durchgeführt hat.
Laut Antonopoulos unterstützen die USA die Angriffe der Arabischen Koalition auch mit entscheidenden Aufklärungsdaten.
Vor dem Krieg kamen über 70 Prozent der jemenitischen Nahrungsmittel- und Treibstoffimporte über Hodeida ins Land, was über 40 Prozent der Zolleinnahmen des Landes ausmachte. Der Hafen ist nach wie vor entscheidend für ankommende Hilfslieferungen, Nahrung und Medizin für eine Nation, die durch den Konflikt und eine von Saudi-Arabien geführte Blockade an den Rand der Hungersnot gedrängt wird. 2015 zerstörte die saudische Luftwaffe die Verladekräne des Hafens von Hodeida. Die Vereinten Nationen entsandten im Januar mobile Kräne, um bei der Verladung der Frachtgüter zu helfen.
UN befürchten bis zu 250.000 mögliche Opfer einer Offensive auf Hodeida
"Hodeida ist die einzige Lebensader des Jemen, die nicht von Saudi-Arabien oder VAE besetzt ist, und da sich das Land bereits inmitten einer bedeutenden humanitären Katastrophe befindet, wird jede Zerstörung der zivilen Infrastruktur in dieser Stadt die Krise nur noch verschärfen. Deshalb sollten die USA die bevorstehenden Eid-Feiern eher als eine Option nutzen, um Frieden im Jemen zu finden, nicht um die Gewalt zu erhöhen", forderte Paul Antonopoulos. Die UNO sagt, dass etwa 600.000 Menschen in und um Hodeida leben. Die Vereinten Nationen warnen:
Bis zu 250.000 Menschen können bei dem Angriff alles verlieren – sogar ihr Leben.
Rund 8,4 Millionen Menschen müssen im Jemen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation hungern. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hatte gesagt, dass sich der UNO-Gesandte Martin Griffiths in "intensiven Verhandlungen" befinde, um eine militärische Konfrontation zu vermeiden. Die jüngste Ernennung Griffiths' zum Gesandten und dessen Drängen auf neue Verhandlungen könnten allerdings Gegenteiliges bewirkt haben. Die Saudis scheinen versucht zu sein, mit der Einnahme von Hodeida ihre Position vor möglichen Friedensgesprächen mit den Huthis stärken zu wollen.
Das Internationale Komitee des Roten Kreuz (IKRK) der Vereinten Nationen hat am Mittwoch alle Seiten des Krieges im Jemen aufgefordert, die Zivilbevölkerung zu schützen.
Nach dem humanitären Völkerrecht müssen die Konfliktparteien alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen und sicherzustellen, dass sie Zugang zu Hilfslieferungen haben, die sie zum Überleben brauchen", erklärte Lise Grande, die humanitäre Koordinatorin der Vereinten Nationen für den Jemen, gegenüber Reuters per E-Mail.
Die Sprecherin des IKRK, Marie-Claire Feghali, sagte in Genf, dass der Angriff "eine bereits katastrophale humanitäre Situation im Jemen verschlimmern könnte", vor allem dort, wo Wasser- und Stromnetze für das Überleben der Zivilbevölkerung lebenswichtig sind.
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.