Die meisten der Palästinenser waren offenbar unbewaffnet oder stellten zum Zeitpunkt ihrer Tötung oder Verletzung keine unmittelbare Bedrohung für die israelischen Streitkräfte (IDF) dar. Es seien keine israelischen Opfer gemeldet worden, hieß es in der Stellungnahme des Hohen Kommissars für Menschenrechte, Seid al-Hussein.
Verletzung des Völkerrechts
Der Hohe Kommissar beklagte, dass offenkundig weiterhin tödliche Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten verübt werde, die israelische Armee also die Warnungen der der Vereinten Nationen und anderer scheinbar nicht beachte. Dabei kritisiert er vor allem die außerordentliche Brutalität.
Die schwindelerregende Zahl von Verletzungen durch scharfe Munition bestätigt nur den Eindruck, dass übermäßige Gewalt gegen Demonstranten angewendet wurde - nicht nur einmal, nicht zweimal, sondern wiederholt", sagte Zeid. "Ich bin doppelt besorgt über Berichte über ungewöhnlich schwere Verletzungen durch den Einsatz von scharfer Munition. Außerdem wurde vielen von denen, die eine Behandlung außerhalb des Gazastreifens suchen, die Erlaubnis zum Verlassen des Landes verweigert, was das Leiden noch verschlimmert hat."
Hussein warnte Israel, dessen militärischer Einsatz könnte das Völkerrecht verletzten. Sicherheitskräfte dürften nur im äußersten Notfall tödliche Gewalt anwenden, wenn sie selbst in Lebensgefahr seien oder das Risiko schwerer Verletzungen hoch sei.
Es ist schwer nachzuvollziehen, warum das Verbrennen von Autoreifen oder Steinewerfen oder sogar das Werfen von Molotow-Cocktails aus großer Distanz in Richtung schwer geschützter Sicherheitskräfte an einer Verteidigungslinie eine solche Bedrohung darstellen soll", teilte das Büro mit.
Nach dem Völkerrecht haben die Palästinenser das Recht auf friedliche Versammlung und Meinungsäußerung. Die israelischen Sicherheitskräfte dürfen bei der Überwachung des Gaza-Zauns nur die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen und angemessenen Mittel einsetzen.
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Kinder keine Gefahr für israelische Armee
Übermäßige Gewalt gegen jeden Demonstranten ist verwerflich, aber Kinder stehen unter besonderem Schutz des internationalen Rechts", so Hussein.
Zudem sei nur schwer zu erkennen, wie von Kindern "selbst wenn sie Steine werfen, Verletzungs- oder Lebensgefahr für stark geschütztes Sicherheitspersonal" ausgehen könne.
"Bilder von einem Kind, das vor den israelischen Sicherheitskräften erschossen wird, sind geradezu schockierend", fügte er hinzu und verwies auf den Fall des 15-jährigen Mohammed Ayoub, der am 20. April durch eine Kugel in den Kopf getötet wurde.
Das Vorgehen der IDF stelle in Frage, inwieweit die nirgendwo überprüfbaren Einsatzregeln der israelischen Armee mit dem Völkerrecht vereinbar sei, oder zumindest, inwieweit sich die IDF an ihre eigenen Regeln halte, so Hussein.
Er betonte, dass die Todesfälle und Verletzungen der letzten Wochen in Gaza "die Bedeutung eines starken Systems der Rechenschaftspflicht für alle mutmaßlichen Verbrechen" unterstreiche, wie UNO-Generalsekretär Guterres in seiner Forderung nach einer unabhängigen und transparenten Untersuchung bereits gefordert hat.
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