Angebliche syrische Chemiewaffenfabrik: OPCW und Mitarbeiter widersprechen US-Angaben

Das Pentagon hat nach eigenen Angaben am Wochenende eine Chemiewaffenfabrik in Syrien zerstört. Doch OPCW-Ermittler hatten die Anlage mehrfach inspiziert und konnten keine entsprechenden Hinweise finden. Auch Mitarbeiter widersprechen den US-Angaben.

In der Nacht zu Samstag griffen die USA, Frankreich und Großbritannien mehrere Ziele in Syrien an, darunter auch das Syrische Zentrum für wissenschaftliche Studien und Forschung (SSRC) im Damaszener Stadtteil Barsah.

Das dreistöckige Gebäude wurde nach US-Angaben mit 57 Marschflugkörpern und 19 Luft-Boden-Raketen angegriffen. Die massive Bombardierung hat von der Einrichtung nur noch Trümmer übrig gelassen, die Wände und das Dach sind fast vollständig eingestürzt, Laborausrüstung liegt verstreut herum. Das Zentrum war laut dem Pentagon das Herzstück des syrischen Chemiewaffenprogramms.

Die Kriegskoalition wirft der syrischen Regierung vor, am Samstag vor einer Woche Giftgas gegen die Bewohner von Duma bei Damaskus eingesetzt zu haben. Belege dafür konnte sie jedoch nicht vorlegen. Experten der OPCW wollen die Ortschaft nach Drängen Moskaus auf Spuren eines Chemiewaffeneinsatzes untersuchen.

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Ein langjähriger Mitarbeiter der Forschungseinrichtung bestreitet die Darstellung der USA. In der Einrichtung seien lediglich Medikamente entwickelt und Spielzeuge auf ihre Sicherheit überprüft worden, so Said Said.

Mitarbeiter zu Medien: "Nichts ist passiert"

Am Morgen nach dem Angriff gab der Ingenieur verschiedenen Medien, darunter RT Arabic, AFP und CBS News, eine Führung durch das Trümmerfeld. Allein die Tatsache, dass eine solche Führung möglich sei, beweise, dass dort kein Chemiewaffenprogramm lief, so Said Said.

"Sie können selbst sehen, dass nichts passiert ist. Ich bin seit 5 Uhr morgens hier. Keine Anzeichen von waffenfähigen Chemikalien", sagte er. Der Forscher gab an, er habe jahrzehntelang in der Einrichtung gearbeitet und dort Medizin und Haushaltschemikalien entwickelt.

Gegenüber AFP sagte Said, dass es bei der Arbeit des Zentrums hauptsächlich um die Entwicklung von Mitteln gegen Skorpion- und Schlangengifte sowie um Sicherheitsprüfungen von Lebensmitteln, Medikamenten und Kinderspielzeug gegangen sei.

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) hatte das Gelände mehrmals besucht und keine Spuren verbotener Chemikalien gefunden. Seit dem Beitritt Syriens zur Chemiewaffenkonvention im Rahmen eines von Russland und den USA im Jahr 2013 vermittelten Abkommens hat die OPCW wiederholt bestätigt, dass das Land seinen Verpflichtungen zur Demontage und Beseitigung seiner Chemiewaffenvorräte in vollem Umfang nachkomme. Im Juni 2014 erklärte die OPCW, dass Syrien frei von Chemiewaffen sei.

Said bestätigte, dass die Chemiewaffen-Kontrolleure "die Anlage mehrmals besucht und gründlich inspiziert haben". Er merkte an, dass die OPCW sowie alle Mitglieder des Inspektionsteams während der Kontrollbesuche eine "große Unterstützung" von den Mitarbeitern der Einrichtung erhalten hätten.

Wir haben ihnen sogar einen speziellen Ort zur Verfügung gestellt, an dem sie während der Inspektion entnommene Testproben sammeln und verpacken konnten", sagte Said gegenüber RT.

Nicht mit Angriff gerechnet

Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine zivile Forschungseinrichtung handele, hätten die Mitarbeiter nicht erwartet, ein primäres Ziel bei einem Militärangriff auf Syrien zu sein. "Da wir in der zivilen pharmazeutischen und chemischen Forschung arbeiten, haben wir nicht erwartet, dass wir getroffen werden", so Said zu AFP. Die Behauptungen, das SSRC sei ein integraler Bestandteil des syrischen Chemiewaffenprogramms, seien "völlig falsch", betonte er im Gespräch mit CBS News.

Laut dem Pentagon handelte es sich bei allen drei getroffenen Zielen – neben der Forschungsanlage in Barsah wurden zwei Militärstützpunkte angegriffen – um Säulen des syrischen Chemiewaffenprogramms. Während er den Angriff auf das arabische Land bekannt gab, sagte US-General Kenneth McKenzie, dass das US-Militär "glaubt, dass wir insbesondere durch den Angriff auf Barsah das Herz des syrischen Waffenprogramms getroffen haben".

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OPCW: Keine Hinweise auf Chemiewaffenprogramm

Die OPCW-Berichte, der jüngste wurde gerade erst vor einem Monat herausgegeben, widersprechen jedoch dieser Behauptung. Die erste Inspektion der Einrichtung in Barsah wurde zwischen dem 26. Februar und dem 5. März 2017 durchgeführt. In dem Bericht dazu heißt es, dass "das Inspektionsteam keine Aktivitäten beobachtet hat, die mit den Verpflichtungen aus dem (Chemiewaffen-)Übereinkommen unvereinbar sind". Des Weiteren wird in dem OPCW-Bericht festgestellt, dass Damaskus den Inspektoren "ungehinderten Zugang zu allen ausgewählten Gebieten" gewährt habe.

Auch bei der Nachkontrolle im November desselben Jahres wurden keine Hinweise auf ein Chemiewaffenprogramm entdeckt. Der jüngste Bericht, herausgegeben im März 2018, bekräftigt:

Wie bereits in früheren Berichten erwähnt, wurden alle von der Arabischen Republik Syrien deklarierten Chemikalien, die im Jahr 2014 aus ihrem Hoheitsgebiet entfernt wurden, zerstört.

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Die Logik der Kriege

Mit welch verquerer Logik mittlerweile in der Öffentlichkeit argumentiert wird, um den US-geführten völkerrechtwidrigen Angriff auf Syrien zu rechtfertigen, machte kein Geringerer deutlich als der Leiter der jährlichen Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.

Nachdem der Linke-Politiker Jan van Aken, einst selbst als Inspekteur für die OPCW tätig, in der ARD-Sendung Anne Will darauf hingewiesen hatte, dass die von den USA angegriffene Anlage in Barzeh erst kürzlich von der OPCW untersucht worden sei, entgegnete Ischinger:

Aber dann war es ja doch eine Chemiewaffenanlage. Das ist doch der Beweis. Die würden doch nicht da hinfahren, wenn es nicht eine Chemiewaffenanlage wäre.

"In jede BASF-Anlage in Deutschland kommen immer wieder Chemiewaffeninspekteure", konterte der angesichts dieser Argumentation beinahe fassungslos wirkende van Aken. "Und da würden Sie ja auch nicht sagen, dass ist der Beweis, dass BASF Sarin herstellt", so der Politiker zu Ischinger.

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