von Ali Özkök
Im Gespräch mit der Zeitung sagte bin Salman, dass die westlichen Verbündeten Saudi-Arabiens das Land aufgefordert hätten, während des Kalten Krieges in Moscheen und Madressen, auf Deutsch „Islamische Schulen“, in Übersee zu investieren, um einen Übergriff der Sowjetunion auf muslimische Länder zu verhindern.
Er fügte hinzu, dass aufeinanderfolgende saudische Regierungen diese Bemühungen aus den Augen verloren hätten, indem sie mit Blick auf den seinerzeit wachsenden sowjetischen Einfluss sagten: "Wir müssen alles zurückbekommen."
RT Deutsch sprach mit Tallha Abdulrazaq, Strategie- und Sicherheitsexperte an der britischen Universität Exeter, der betonte, dass der "Wahhabismus" den geopolitischen Erwägungen seiner Zeit sowohl den Saudis als auch dem Westen willkommen war. Abdulrazaq erklärte:
Trotz seiner oft radikalen Lehren lässt sich der so genannte "Wahhabismus" vor allem als eine politische Ideologie charakterisieren, die eine aktive Beteiligung der Geistlichkeit in der Politik ablehnt. Es ermutigt zu größerer persönlicher Hingabe an Gott und ermutigt die Menschen, sich von politischen Handlungen fernzuhalten. Natürlich ist das Bestreben, sich vor Gott zu bessern, nie zu Ende, also dachte Wahhabi, dass die Bevölkerung für immer politisch träge sein wird. Schließlich wird jede politische Aktivität als "Aufruhr", eine große Sünde im Islam, verurteilt werden.
Aus dieser Perspektive heraus erscheint der Wahhabismus als exzellentes Instrument, um breite Massen in der islamischen Welt zu kontrollieren. Der Sicherheitsexperte Abdulrazaq erläuterte unter Betonung, dass der Wahhabismus nicht deckungsgleich mit dem klasssischen Salafismus sei, gegenüber RT Deutsch weiter:
Die westlichen Mächte sahen natürlich Vorteile in den von Saudi-Arabien exportierten Wahhabismus, einfach, weil sich politisch aktivere Ideologien wie die der Muslimbruderschaft, die an ein Gefühl der größeren islamischen Brüderlichkeit appellierten, aktiv gegen die vom Westen unterstützten Regime wehrten.
Auf Nachfrage, wie weit die Rolle des Westens bei der Stärkung dieser besonders konservativen Weltanschauung reiche, antwortete der britisch-irakische Sicherheitsexperte:
In dieser Hinsicht ist es sehr wahrscheinlich, dass der Wahhabismus trotz seines offensichtlich undemokratischen Charakters vom Westen gefördert wurde. Für die meisten Beobachter sollte es mittlerweile offensichtlich sein, dass der Westen kein Interesse an der Demokratie in der islamischen Welt hat.
Bin Salman sagte auch, dass die Finanzierung jetzt hauptsächlich von saudischen "Stiftungen" und nicht mehr von der Regierung kommt.
Das 75-minütige Interview des Kronprinzen mit der Washington Post fand am 22. März, dem letzten Tag seiner US-Reise, statt. Ein weiteres Diskussionsthema war eine frühere Behauptung der US-Medien, dass bin Salman gesagt habe, dass er den leitenden Berater des Weißen Hauses, Jared Kushner, "in seiner Tasche" habe und damit Einfluss auf das Weiße Haus ausübe.
Bin Salman bestritt Berichte, dass er und Kushner – der auch Donald Trumps Schwiegersohn ist – sich im Oktober in Riad trafen und von Kushner grünes Licht für die massive Niederschlagung der angeblichen Korruption im Land erhielt, die kurz darauf zu zahlreichen Verhaftungen im Königreich führte. Laut bin Salman waren die Verhaftungen eine innenpolitische Angelegenheit und seit Jahren in Arbeit.
Er sagte, es wäre "wirklich verrückt" für ihn, geheime Informationen mit Kushner zu tauschen oder zu versuchen, ihn zu benutzen, um saudische Interessen innerhalb der Trump-Administration zu fördern. Er erklärte, dass ihre Beziehung in einem normalen Regierungskontext stehe, räumte aber ein, dass er und Kushner "als Freunde zusammenarbeiten, also mehr als nur Partner". Er erklärte, dass er auch gute Beziehungen zu Vizepräsident Mike Pence und anderen im Weißen Haus pflege.
Der Kronprinz sprach auch über den Krieg im Jemen, wo die Saudi-geführte Koalition weiterhin Bombenangriffe gegen Houthi-Rebellen startet, um Abdrabbuh Mansur Hadi als Präsidenten wieder einzusetzen. Der Konflikt hat tausenden Zivilisten das Leben gekostet. Viele weitere Jemeniten wurden vertrieben. Der Krieg drängte das Land an den Rand einer Hungersnot. Auch kam es zu einem Cholera-Ausbruch.
Obwohl der Koalition eine große Zahl ziviler Todesfälle und die Missachtung ziviler Leben vorgeworfen wird – ein Vorwurf, den Riad bestreitet, sagte der Kronprinz, sein Land hätte "keine Chance" verpasst, die humanitäre Lage im Land zu verbessern. "Es gibt keine guten und keine schlechten Optionen. Die Optionen sind zwischen schlecht und schlecht", sagte er.
Das Interview mit dem Kronprinzen wurde zunächst nicht dokumentiert. Jedoch stimmte die saudische Botschaft später zu, dass die Washington Post bestimmte Teile des Treffens veröffentlichen dürfe.