von Dr. Kamran Gasanow
Seit der russische Präsident Wladimir Putin den Sieg über den IS erklärt und einen vorzeitigen Abzug des Militärs aus Syrien angekündigt hat, sind die Angriffe auf Russlands militärischen Verbündeten Baschar al-Assad und manchmal sogar auf die russischen Soldaten häufiger geworden. Die Attacke auf die russische Luftwaffenbasis Hmeimim und auf die Su-25 in Idlib, die jüngsten US-Bombardements gegen die Syrisch-Arabische Armee (SAA) in Deir ez-Zor, Luftangriffe Israels gegen "iranische Kontrollsysteme" und die syrische Luftabwehr - das sind alles Glieder einer Kette. Es geht um eine Kampagne, es der SAA unmöglich zu machen, den Erfolg in Idlib auszubauen. Es ist bemerkenswert, dass Assad trotz des "Rückzugs" Russlands keinen Gang zurückgeschaltet hat, sondern auf dem Vormarsch gegen die Gegner einer Unteilbarkeit der syrischen Staatlichkeit ist.
Am 7. Februar fand einer der massivsten Angriffe des Pentagon gegen die SAA statt. Die Luftwaffe der US-amerikanisch geführten Koalition soll bis zu 100 regierungstreue syrische Militärs und pro-iranische Gruppen in der Region Khasham getötet haben. Das Argument der Amerikaner ist, dass sie auf "Akte der Aggression" seitens der syrischen Truppen reagierten. Das offizielle Damaskus behauptet, dass das Ziel seines Angriffs IS-Anhänger waren, die sich hinter den Koalitionskräften verstecken.
Haben die USA tatsächlich Russland über den Angriff informiert?
Dieser Vorfall kann auf drei Ebenen betrachtet werden. Erstens die Tatsache, dass die Amerikaner nicht zögern und ohne Scheu Assad-Kräfte bombardieren, spricht von dem Selbstvertrauen des Pentagons und, gelinde gesagt, zeigt Respektlosigkeit gegenüber Russland. Pentagon-Sprecher Dana White sagte fast spöttisch, dass das russische Militär vor dem Schlag in Deir-ez-Zor gewarnt worden sei. Stellt es sich heraus, dass Russland absichtlich eine Aggression gegen seinen Verbündeten zulässt? Einfach gesagt, das Ganze wegspült? Nein. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums erfuhr das Kommando in Hmeimim darüber erst, nachdem die Koalition den Angriff ausgeführt hatte. Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Mit den Angriffen auf syrische Militärs und der Behauptung, angeblich Moskau in Kenntnis gesetzt zu haben, stiftet Washington Unfrieden zwischen Moskau und Damaskus. Auf Nachfrage des Nachrichtenportals Al-Monitor sagte der US-Verteidigungsminister Jim Mattis:
Sie können nicht Russland darum bitten, den Konflikt mit denjenigen zu lösen, die es nicht kontrolliert."
Auf der anderen Seite: Auch wenn in Deir ez-Zor die russische Seite überrumpelt wurde, riskiert Moskau, künftig in einer aussichtslosen Situation gegenüber den Vereinigten Staaten und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zu sein, wenn man eine Reaktion auf Provokationen von Donald Trump und dessen Team weiter offenlässt. Den Präzedenzfall mit der Bombardierung der Basis Schayrat hatte dieser bereits im April letzten Jahres gelegt. Militärexperte Mikhail Alexandrow vom Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) sagt zu Recht, dass, wenn die USA einseitig Bereiche der Deeskalation verletzen, Russland Maßnahmen einleiten und Vergeltungsluftangriffe führen soll. Je unentschiedener die russische Führung wirkt, umso mehr würde sie die "arroganten Aktionen" der Amerikaner provozieren. Andererseits kann man auf diese Weise den Punkt erreichen, von dem an das Pentagon in Zukunft das russische Militär bombardieren wird.
Zweitens: Neben dem Mythos von der "Selbstverteidigung" gibt es auch ein anderes Argument. In einer Erklärung sagte der US Central Command (CENTCOM), dass sich die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und Koalitionstruppen acht Kilometer östlich von der "Dekonfliktionszone" am Euphrat befunden hätten, als sie "angegriffen" worden seien. Die von den Amerikanern einseitig erklärte Demarkationslinie ist de facto die Legalisierung der Teilung Syriens. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat kürzlich die Syrienpolitik der Vereinigten Staaten als den tatsächlichen Versuch einer Spaltung des Landes bezeichnet. Für CENTCOM ist es egal, ob Damaskus gegen den IS oder seine Verbündeten aus den SDF kämpft. Assad-Truppen dürfen nicht frei durch das Land marschieren und den Euphrat überqueren, um die syrisch-irakische Grenze vom IS zu befreien.
Aufstieg des IS lag nicht an frühzeitigem US-Abzug
Drittens: Indem sie offen auf Assad hinweisen und Russland übergehen, bereiten die USA den Boden für die Legalisierung ihres Nachkriegsaufenthalts in Syrien vor. Die Jerusalem Post weist darauf hin, dass die USA, die zum ersten Mal gegen die Regierungstruppen des Landes kämpfen, sich ihren Teil Ostsyriens erhalten wollen. Die Vorgehensweise ist die gleiche wie im Irak und im Afghanistan, wo man nach der Niederlage Saddam Husseins bzw. der Taliban präsent geblieben ist. Der Unterschied ist, dass Washington diesmal nicht explizit von einem Regime-Change spricht.
Die Amerikaner sagten, sie wollten die Fehler aus dem Irak nicht wiederholen, wo angeblich wegen eines verfrühten teilweisen Rückzugs der US-Streitkräfte der IS in weiten Teilen des Landes an die Macht kam. In Syrien wollen sie nun lange bleiben. Tatsächlich kam ISIS jedoch nicht wegen des US-Rückzugs an die Macht, sondern wegen des Auftretens der USA im Irak und der diskriminierenden Politik der neuen Marionettenregierung gegen die Sunniten.
Welche Motive die Amerikaner anführen, das ist ein separates Thema. Neben militärischen und politischen Zielen wie der Kontrolle des Euphrat oder der syrisch-irakischen Grenze, von wo aus Terroristen in die von Assad kontrollierten Gebiete einreisen dürfen, spielt auch Energie eine Rolle. Die Kämpfe zwischen der SAA und US-Verbündeten spielen sich in den Gebieten von Bukara, Jadid Akidat und dem Ölfeld Conoco ab. Letzteres ist nach dem Ölkonzern Continental Oil and Transportation Company benannt, der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts im Bundesstaat Utah gegründet wurde. Unter Hinweis darauf, dass Conoco 1968 Gasspeicher entdeckt und dort eine petrochemische Anlage errichtet hatte, weisen US-Experten darauf hin, dass die USA heute nach Deir ez-Zor zurückkehren, wo einst Anlagen von den syrischen Behörden verstaatlicht wurden. Nach den Kämpfen mit dem IS im September 2017 überquerten die SDF, in denen die Kurden das Rückgrat bilden, die Conoco-Gasfelder.
Das russische Verteidigungsministerium scheint sich über die versteckten Ziele des Pentagons im Klaren zu sein:
[Der Beschuss der syrischen Milizen] hat erneut unter Beweis gestellt, dass der wahre Zweck der Fortsetzung des illegalen Aufenthalts der US-Truppen in Syrien nicht der Kampf gegen die internationale Terrorgruppe IS ist, sondern die Erlangung und Bewahrung ihrer Kontrolle von Wirtschaftsgut, das ausschließlich der Arabischen Republik Syrien gehört", betont das russische Ministerium in einer Erklärung.
Amerikaner könnten sich in Manbidsch verkalkuliert haben
Um über den Ölreichtum Syrien die Kontrolle bewahren zu können, sind die USA auch zu Absprachen mit jenen bereit, die gestern noch zu den "Bösewichten der Welt" gerechnet wurden. Ende November gab es Leaks darüber, dass die pro-amerikanischen kurdischen Milizen auf einen Waffenstillstand mit dem IS in Al-Hasaka eingegangen wären. Die Agentur Firat FM veröffentlichte Bilder, auf denen man die kurdischen Truppen vor dem Hintergrund des in der Schlacht gegen den IS befreiten und unbeschädigten Conoco-Werks sieht. Das ließ Argwohn aufkommen, da Terroristen bislang eher dazu neigten, als letzten Strohhalm alle Infrastrukturobjekte zerstören. Das analytische Zentrum Warfare Worldwide verbreitete das Video mit einem IS-Gefangenen, dem befohlen wurde, die Kurden auf die Ölfelder durchzulassen. Als Gegenleistung versprachen die Kurden, in diesem Bereich den IS nicht anzugreifen.
Als Fazit kann man sagen, dass die USA mit ihren Operationen versuchen, Zwietracht zwischen Russland und Assad stiften, ihre militärische Autorität zu untergraben, den Vormarsch der SAA an den Euphrat und anschließend an die Grenze zum Irak zu stoppen. Vor allem geht es ihnen darum, die US-amerikanische militärische Präsenz in Syrien als Mittel zur Schwächung des Landes und der Aneignung dessen Ölreichtums zu erhalten.
Doch die Physik sagt, dass der Stärke des Handelns die Kraft des Widerstandes gleich ist. Nachdem die USA und ihre Verbündeten Assad in Deir ez-Zor angegriffen haben, könnten sie bald selbst mit türkischen Luftangriffen in Nordsyrien konfrontiert sein. Ankara bestätigte, dass es die Operation "Olivenzweig" nicht mit Afrin beenden, sondern in Manbidsch und anderen von den kurdischen Milizen kontrollierten Territorien weiterführen wird.