Nach tagelanger Gewalt haben sich die Islamisten der Zentralregierung in Damaskus und die religiöse Minderheit der Drusen auf eine Waffenruhe geeinigt. Laut Berichten ziehen sich die Regierungstruppen aus dem mehrheitlich von Drusen bewohnten Suwaida zurück. Sowohl die syrische Regierung als auch Vertreter der Drusen haben inzwischen die Vereinbarung bestätigt. Die Einhaltung der Waffenruhe soll von einem Ausschuss aus Vertretern der Regierung und der Drusen überwacht werden. Ob die neue Vereinbarung allerdings halten wird, ist fraglich.
Vorangegangen waren blutige Gefechte zwischen Angehörigen der religiösen Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen. Die syrische Regierung schickte daraufhin Truppen und andere Sicherheitskräfte in die Region. Die Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldeten mehr als 350 Tote seit dem Ausbruch der Gewalt. In drusischen Kreisen war am Vortag von insgesamt 250 Toten die Rede. Seit Montag hat die Regierung keine neuen Totenzahlen veröffentlicht.
Bereits am Mittwoch hatte Israel in den Konflikt im Nachbarland eingegriffen und die Hauptstadt Damaskus bombardiert – unter anderem das Gelände des Verteidigungsministeriums in der Nähe des Präsidentenpalastes. Israel nutzt seine militärische Überlegenheit und greift unter dem Vorwand, Minderheiten zu schützen, völkerrechtswidrig Regierungseinrichtungen an, seit die Islamisten die Macht in Syrien übernommen haben.
Israel inszeniert sich als Schutzmacht der Drusen und hat mehrfach gedroht, dass es eine Präsenz der syrischen Regierungstruppen in diesem Teil des Landes nicht dulden werde. Letztlich geht es aber um die Expansionspolitik Israels, die sich seit der Ausschaltung der Hisbollah-Führung im raschen Tempo in der Region fortgesetzt hat. Israel will nach eigenen Angaben eine Eskalation an seiner Grenze und auf den von ihm besetzten und annektierten Golanhöhen verhindern. Außerdem sieht Israel in den Drusen potenzielle Verbündete, um die Ansiedlung von Milizen, die von Iran unterstützt werden, an seinen Grenzen abzuwenden.
Israel nutzt die Spaltung der Gesellschaft und das Misstrauen der Minderheiten gegenüber der neuen Regierung in Syrien aus, so wie es die Kolonialmächte in der Vergangenheit getan haben. Damit lenkt Israel auch vom Völkermord in Gaza ab. Israel setzt auch im Nordosten auf die Kurden und versucht, über sie Druck auf Islamisten in Damaskus und die Türkei auszuüben, damit sich keine neue Machtbasis in der Levante gegen Israel etablieren könnte.
Seit dem 7. Oktober befindet sich Israel in ununterbrochenen Militäroperationen. Das Land besetzt Gebiete jenseits seiner Grenzen in Syrien und Libanon und droht Iran mit weiteren Angriffen. Tel Aviv erwägt zudem die vollständige Annexion palästinensischen Landes. Das Ziel scheint die regionale Hegemonie ungeachtet des Völkerrechts zu sein.
Netanjahu brachte am Mittwoch einen aus seiner Sicht triftigen Grund, den Korruptionsprozess gegen ihn erneut zu verzögern: Er könne nicht ins Gefängnis. Seit 2020 steht er wegen Korruption vor Gericht. Der andauernde Kriegszustand hat dazu beigetragen, seine juristische Abrechnung hinauszuzögern. Er argumentierte, er sei mit Staatsangelegenheiten so sehr beschäftigt, dass er nicht viel Zeit im Zeugenstand verbringen könne.
Die Golfstaaten lehnen eine iranische Vorherrschaft zwar ab, aber auch sie wollen keine israelische Hegemonie in der Region. Deshalb würden die Golfstaaten Israels Expansionspolitik in der Region nicht unterstützen, sondern im Gegenteil ihre Beziehungen zu Israels Rivalen, Türkei und Iran, stärken.
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