Von Anastasija Kulikowa
Donald Trump beabsichtigt, die US-Truppen vom syrischen Staatsgebiet abzuziehen. Nach Ansicht des Republikaners sollte sich Washington nicht in die Angelegenheiten der arabischen Republik einmischen. "Es ist ihr Chaos. Sie haben dort genug Probleme", fügte der US-Präsident hinzu. Zuvor hatte der israelische Fernsehsender Kan darauf hingewiesen, dass das Weiße Haus Tel Aviv angeblich im Voraus über die entsprechenden Pläne informiert habe.
Es ist erwähnenswert, dass die syrischen Kurden, mit denen die Vereinigten Staaten seit vielen Jahren gemeinsam gegen den IS kämpfen, nicht bezüglich der Änderung der US-Politik im Nahen Osten gewarnt wurden. Dies berichtete Ilham Ahmed, die Leiterin der Abteilung für Außenbeziehungen der Autonomen Verwaltung von Nordostsyrien, gegenüber der Zeitung Iswestija.
"Wir haben keine neuen Abkommen mit den Vereinigten Staaten, wir haben keine neuen Pläne von ihnen erhalten, wir arbeiten mit der US-Regierung an den bestehenden Abkommen", sagte sie. In der Zwischenzeit könnte der Abzug der US-Truppen aus der Republik das Machtgleichgewicht in der Region erheblich verändern.
Bereits 2019 hatte die Trump-Regierung beschlossen, die Zahl des Kontingents in Syrien zu reduzieren, erinnert The Guardian. Das Vorgehen Washingtons ermöglichte der Türkei die Durchführung der Operation "Quelle des Friedens", die sich gegen kurdische bewaffnete Formationen richtete.
In Fachkreisen wird darauf hingewiesen, dass Trumps Initiative das Gesicht des Nahen Ostens auch dieses Mal deutlich verändern könnte. Es wird betont, dass der Abzug der US-Truppen aus der Republik zu einem "Zuckerbrot" für Recep Tayyip Erdoğan werden könnte, mit dessen Hilfe die neue US-Regierung hofft, sich auf eine Änderung der Spielregeln in der Region zu einigen.
"Bereits während seiner ersten Amtszeit als Präsident versuchte Trump, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Damals wurde diese Entscheidung von Mitgliedern des US-Kongresses abgelehnt. Am Ende musste er seine Position anpassen: Die Angelegenheit beschränkte sich auf eine Reduzierung des Kontingents und eine Verlegung der Truppen in den Osten der arabischen Republik", erinnert sich der Militärexperte Juri Ljamin.
"Jetzt greift Trump das Thema erneut auf. Und dieses Mal sprechen viele Faktoren für die Idee des Republikaners. Erstens ist die Hauptaufgabe der USA in Syrien de facto gelöst – die Regierung von Baschar al-Assad wurde gestürzt. Außerdem ist der Einfluss Teherans auf Damaskus auf ein Minimum reduziert worden", so der Analyst.
Zweitens sind die US-amerikanischen Truppen im Nahen Osten heute extrem verwundbar: Die US-Stützpunkte werden regelmäßig beschossen. "Der Abzug des Kontingents wird die militärisch-strategische Position der Vereinigten Staaten in der Region teilweise verbessern", glaubt Ljamin. Gleichzeitig würden die Kurden die "Opfer" sein, wenn die Entscheidung des Chefs des Weißen Hauses umgesetzt würde.
"Vor diesem Hintergrund werden die Vertreter dieser Volksgruppe vor der Frage stehen, ob sie überleben können, denn der Rückzug Washingtons wird Ankara freie Hand lassen. Die Kurden könnten versuchen, neue Verbündete zu finden, möglicherweise in der Person Israels oder Irans", betont der Experte und prognostiziert "eine ernsthafte Neuverteilung des Einflusses im Nahen Osten".
Ljamin schließt nicht aus, dass der Abzug der US-Truppen aus Syrien ein Verhandlungspunkt zwischen Trump und Erdoğan sein könnte. "Die US-Präsenz in Syrien ist für die Türkei ein störender Faktor. Vielleicht ist die Initiative des Weißen Hauses ein Hinweis für Ankara, dass die bestehenden Vereinbarungen überdacht werden müssen", spekuliert der Analyst.
"Für den türkischen Staatschef ist der Abzug des US-Militärs aus der arabischen Republik ein lang gehegter Traum. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der US-Präsident dem ohne Gegenleistung zustimmt. Vielmehr wird Trump Erdoğan um eine Gegenleistung bitten, und die Parteien könnten sich durchaus einigen", so Ljamin weiter.
Allerdings ist der Militärexperte nicht bereit, den Zeitpunkt eines möglichen Abzugs der US-Truppen aus Syrien vorherzusagen. Er erklärt, dass es in Washington viele Gegner einer solchen Entscheidung gebe. "Es ist gut möglich, dass Trump erneut auf Widerstand stößt und gezwungen sein wird, nur einen Teilabzug des Kontingents anzukündigen", merkt Ljamin an.
Diesmal wird der Republikaner jedoch härter durchgreifen, um seine Pläne zu verwirklichen, meint der Amerikanist Malek Dudakow. "Er beginnt seine Präsidentschaft mit Umstrukturierungen im Pentagon. Schon bald werden Schlüsselpositionen im militärischen Bereich mit Trump-treuen Leuten besetzt sein", so der Experte.
"Nach Ansicht des neuen Chefs des Weißen Hauses ist die US-Präsenz in Syrien nicht sehr sinnvoll. Das Kontingent hier ist relativ klein, seine Auswirkungen auf das Leben im Land sind kaum spürbar. Unterdessen denkt Trump bereits über die Durchführung einer groß angelegten Sonderoperation an den südlichen Grenzen der Vereinigten Staaten zur Bekämpfung der Kartelle nach", erinnert Dudakow.
"Jetzt muss Washington die Soldaten wieder auf US-amerikanischen Boden bringen. Die in Europa und im Nahen Osten stationierten Einheiten werden von der Reduzierung betroffen sein. Vor diesem Hintergrund wird der Einfluss des Weißen Hauses auf die Lage in diesen Regionen weiter schrittweise abnehmen", sagt der Experte.
"Länder wie die Türkei, Katar oder Israel werden sich jedoch freier fühlen. Sie werden endlich in der Lage sein, lang gehegte politische Pläne zu verwirklichen, die den Interessen der USA zuwiderliefen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Vereinigten Staaten ihren Einfluss auf den Nahen Osten vollständig aufgeben werden. Sie werden die Region weiterhin durch Sanktionen oder Waffenlieferungen beeinflussen", glaubt Dudakow.
Trumps Außenpolitik werde sich auf die Türkei konzentrieren, schätzt Simon Tsipis, ein israelischer Experte für internationale Beziehungen und nationale Sicherheit. "Der Republikaner hat begonnen, Erdoğan zu 'schikanieren', und der mögliche Truppenabzug aus Syrien soll ein 'Zuckerbrot' sein, auf das eine 'Peitsche' folgen kann", so der Analyst.
"Die Anwesenheit des US-Kontingents in der Republik war jedoch nicht nur eine Garantie für die Kurden, sondern auch für Israel. Trumps Initiative könnte die Position Tel Avivs im Nahen Osten schwächen. Allerdings könnte der jüdische Staat in der Folge einen Freibrief für sein Handeln in Palästina erhalten", meint Dudakow.
Seiner Ansicht nach könnte das Weiße Haus dem israelischen Militär erlauben, einen Teil des Libanon zu annektieren oder die Operation im Gazastreifen mit US-amerikanischer Unterstützung wiederaufzunehmen. Nach Einschätzung des politischen Analysten könnte der Abzug der US-Truppen aus Syrien innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen.
Dies hänge jedoch von der Lage in der arabischen Republik ab, gibt Tsipis zu bedenken. "Wenn der Bürgerkrieg in dem Land weitergeht, wo ethnische Säuberungen gegen Alawiten und Sunniten im Gange sind, wenn die Spannungen anhalten, wird sich der Rückzug der USA verzögern. Aber wenn Trump seine Pläne verwirklicht, könnte im Nahen Osten ein Vakuum entstehen, das die Türkei zu füllen versuchen dürfte", so der Experte abschließend.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 2. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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