Von Maria Müller
Das Trinkwasser in Palästina gehört schon seit vielen Jahren zu den schlechtesten der Welt. Das trockene Klima sorgte schon immer für Wassermangel in dieser Region. Das Süßwasser des Gazastreifens wird zu 30 Prozent von Israel geliefert, das jedoch auch die Elektrizität und den Treibstoff für den Betrieb aller Wasserwerke des Landstreifens in der Hand hat. Israel setzte bislang die Kontrolle der Wasserversorgung der palästinensischen Bevölkerung als ein Mittel ein, mit dem Leben und Gesundheit von rund 5,3 Millionen Menschen systematisch reduziert werden sollen.
Nach einem aktuellen Bericht der Welternährungsorganisation (FAO) umfasste die Wasserversorgung Palästinas im März 2024 nur sieben Prozent des Niveaus vor Ausbruch der Feindseligkeiten. Über ein Viertel der Süßwasserbrunnen sind zerstört. Drei von vier Personen trinken verseuchtes Wasser. 69 Prozent des Grundwassersystems von Gaza ist kontaminiert, und die israelische Blockade von technischen Geräten und Baumaterialien verhindert den Bau von neuen Entsalzungsanlagen.
Der Wassermangel führt zu katastrophalen humanitären Zuständen
Seit Ausbruch des Krieges wurden im Gazastreifen Brunnen und Wasserwerke samt Leitungen direkt bombardiert, um die Menschen zu vertreiben. Bereits Mitte Oktober 2023 hatte die israelische Luftwaffe sechs Brunnen, drei Wasserpumpstationen und eine Entsalzungsanlage für 1,1 Millionen Menschen zerstört, seitdem ist die Wasserversorgung Palästinas ein permanentes Angriffsziel. Solche Angriffe gab es übrigens auch schon in den Jahren davor.
Bekanntlich stellte Israel sofort nach dem Angriff von Hamas sämtliche Strom- und Wasserleitungen ab. Auch der Kraftstoff für den Betrieb der Wasserwerke in Gaza wurde fast vollständig gekürzt. Zahlreiche palästinensische Orte haben seitdem kein Wasser mehr. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte schon zu diesem Zeitpunkt, dass durch die Stromabschaltungen Brunnen, Entsalzungs- und Kläranlagen sowie sanitäre Einrichtungen nicht mehr arbeiten können.
Gazas strukturelle Abhängigkeit von Israel
Nach dem Urteil mehrerer UNO-Organisationen führt die strukturelle Abhängigkeit des Gazastreifens von Israel dazu, dass jede Blockade der Versorgungskanäle ein willentlich oder zumindest wissentlich in Kauf genommenes Aushungern oder gezielt herbeigeführtes Verdursten bedeutet.
Pedro Arrojo Agudo, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, schrieb bereits am 17. November auf X:
#Gaza: Der Tod von Zivilisten durch Verdursten und wasserbedingte Krankheiten ist oft weniger sichtbar und leiser als der durch Bomben verursachte Tod, ist aber genauso tödlich oder sogar tödlicher. Ich fordere #Israel auf, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sauberes Wasser und Treibstoff in den Gazastreifen zu lassen.
Die Forderung ist heute noch dringlicher, die tödlichen Maßnahmen wurden inzwischen noch weit übertroffen.
Die Washington Post informierte damals darüber, dass
"52.000 schwangere Frauen und über 30.000 Babys unter sechs Monaten gezwungen waren, eine potenziell tödliche Mischung aus Wasser zu trinken, das mit Abwässern und Salz aus dem Meer verunreinigt war."
Wasser als Kriegsbeute – Wasser als Waffe
Israel deckt seinen Wasserbedarf zum größten Teil aus Quellen in den besetzten Palästinenser-Gebieten. Nach dem Sechstagekrieg wurden die palästinensischen Wasservorkommen zu israelischem Staatseigentum deklariert und der Militärkommandantur unterstellt. Im Jahr 1982 übernahm die israelische Firma Mekorot die Verwaltung. Sie versorgt Israel bis heute mit 80 Prozent seines Trinkwassers. Gleichzeitig wurden zahlreiche palästinensische Brunnen enteignet oder zerstört. Dazu kommt der sinkende Grundwasserspiegel, der eine Renovierung der Anlagen erforderlich macht, um in tieferen Schichten wieder Wasser zu erreichen. Allerdings verweigerte Israel immer wieder die entsprechenden Baugenehmigungen. Israel behielt stets die Kontrolle über den Wasserverbrauch und die Wasserplanung in den palästinensischen Gebieten.
Die Wassermenge zum Überleben
Laut UNICEF braucht ein Mensch zum Überleben circa drei Liter Wasser am Tag, doch internationale Mindeststandards empfehlen 15 Liter. Denn sauberes Wasser ist auch zum Kochen nötig. Doch in der Flüchtlingszone im Süden Gazas steht nur ein Liter pro Kopf zur Verfügung. Die Wasserversorgung im Rafah-Regierungsbezirk an der Grenze zu Ägypten ist quasi zusammengebrochen, und auch die hygienische Situation ist fatal.
Die UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell erklärte:
"Der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser ist eine Frage von Leben und Tod, und Kinder in Gaza haben kaum einen Tropfen zu trinken. Kinder und ihre Familien müssen Wasser aus unsicheren Quellen verwenden, das stark versalzen oder verschmutzt ist. Ohne sauberes Wasser werden noch viel mehr Kinder an Mangel und Krankheiten sterben."
Für Kinder sind die Auswirkungen besonders dramatisch, da sie auch anfälliger für Dehydrierung, Durchfall, Krankheiten und Unterernährung sind, die allesamt eine Gefahr für ihr Überleben darstellen können. Angesichts des Mangels an sauberem Wasser sind die Befürchtungen in Bezug auf Cholera und chronischen Durchfall besonders groß, die durch verseuchtes Wasser übertragen werden.
Laut UNICEF habe man seit Ausbruch des Konflikts das 20-fache an Durchfallerkrankungen bei Kindern unter 5 Jahren registriert, genauso wie einen Anstieg der Fälle von Krätze, Läusen, Windpocken und Hautausschlägen, sowie 160.000 Fälle von akuten Atemwegsinfektionen.
Kaum sanitäre Einrichtungen
In Notunterkünften warten lange Schlangen von Frauen und Kinder darauf, die durchschnittlich eine Toilette pro 700 Menschen zu benutzen. Duschen sind noch seltener verfügbar, wodurch Hygienemöglichkeiten nahezu nicht vorhanden sind, was vor allem Frauen und Mädchen betrifft. Im gesamten Gazastreifen ist eine Dusche für durchschnittlich 4.500 Menschen vorhanden.
Die Abwässer fließen durch die Straßen und verseuchen die Flüchtlingszelte, in denen Hunderttausende von Menschen im südlichen und zentralen Gazastreifen leben. Dies führt zu einer weiteren Zunahme von Krankheiten. Gesundheitsexperten warnen davor, dass eine halbe Million Menschen innerhalb eines Jahres an Krankheiten sterben könnten.
Seit Beginn der Krise hat UNICEF mit Partnern über 189.000 Menschen mit Hygieneartikeln und mehr als 400.000 Menschen mit Hygiene- und Sanitärdiensten im südlichen Gazastreifen erreicht. Während der humanitären Pause konnte UNICEF trotz äußerst erschwerter Zugangsbedingungen auch den nördlichen Gazastreifen erreichen und 260.000 Liter Wasser und 10.000 Hygienekits verteilen.
Luftangriffe auf Palästinas Wasserversorgung auch in früheren Jahren
Am Mittwoch, dem 8. August 2018, um 22 Uhr, bombardierten israelische Kampfflugzeuge den Sanitärbereich der Gemeinde Al-Mughraqa, mit vier Einrichtungen, darunter ein Reservoir mit einer Kapazität von 250 Kubikmetern Wasser. Der Angriff führte zur vollständigen Zerstörung des Gemeindegebäudes, in dem die Sanitär- und Abwasserdienste betrieben wurden, sowie zur Zerstörung des Stausees und seiner Leitungen, des Brunnens, der Wasserleitungen und lebenswichtiger Geräte wie Messgeräte, Filter und Pumpen. Der Angriff zerstörte außerdem einen 110-KVA-Stromgenerator, einen 2.800-Liter-Dieselbehälter, eine Dieselpumpe sowie drei Fahrzeuge der Gemeinde und deren Ersatzteile. Einige Häuser in der Nähe wurden teilweise beschädigt.
Mehr zum Thema - UNO wirft Israel Behinderung bei Befragung von Hamas-Opfern vor