Von Armin Schmitt
Der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete, Mohammad Shtayyeh, reichte am Montag in Ramallah seinen Rücktritt ein. Dies sei auf Wunsch des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas erfolgt, auf den arabische Länder der Region und die USA entsprechend Druck ausgeübt hätten, hieß es zuvor in den Medien unter Berufung auf Regierungsbeamte. Der Rücktritt wird als erster Schritt in einem Reformprozess gesehen, der von den USA als Teil ihrer jüngsten ehrgeizigen Pläne zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gefordert wird. US-Präsident Joe Biden hat sich kürzlich auch mit Blick auf eine baldige Feuerpause zwischen Israel und der Hamas optimistisch gezeigt.
Der Politiker Shtayyeh, der als loyaler Mitarbeiter des seit 2005 regierenden Abbas gilt, wird weiterhin als Chef einer kommissarischen Regierung amtieren. Die Bildung einer neuen Regierung des nationalen Konsenses könne Wochen oder Monate in Anspruch nehmen, heißt es. Während der jüngsten Kabinettssitzung in Ramallah erläuterte Shtayyeh, seine Entscheidung hänge mit dem Gaza-Krieg und der Eskalation der Gewalt im Westjordanland und in Jerusalem zusammen. Er warf Israel zahlreiche Verbrechen vor. Auch gebe es den Versuch, die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zu einer reinen "Sicherheitsverwaltungsbehörde ohne politischen Inhalt" zu machen, sagte Shtayyeh. Die PA verwaltet unter der Führung von Abbas Teile des von Israel besetzten Westjordanlands. Gewichtigste Fraktion in ihr ist die gleichfalls von Abbas geführte Fatah-Bewegung. Die Hamas, die sich derzeit im Krieg gegen Israel befindet, gehört ihr nicht an.
Shtayyes Rücktritt wird jedoch wenig dazu beitragen, die seit langem fehlende Legitimität der Palästinensischen Autonomiebehörde in der eigenen Bevölkerung oder ihre angespannten Beziehungen zu Israel zu rehabilitieren. Beides stellt ein großes Hindernis für die US-Pläne dar, gemäß denen die PA den Gazastreifen nach dem Krieg verwalten soll. Die Hamas erfährt vor allem in der Bevölkerung beträchtlichen Zuspruch, weil viele den von Abbas propagierten Weg des gewaltlosen "Volkswiderstands" als gescheitert betrachten, in Anbetracht von Siedlergewalt und fortschreitendem Siedlungsbau. Abbas hatte in den vergangenen Jahren zudem mehrfach die Wahlen verschoben, da er einen möglichen Wahlsieg der Hamas und ähnlicher Widerstandsgruppierungen abwenden wollte.
Eine erneuerte PA soll den Vorstellungen westlicher und arabischer Länder zufolge die künftige Regierung im Gazastreifen stellen. Israel hat sich aber bislang dagegen ausgesprochen. Netanjahu forderte, dass Israel nach dem Konflikt eine unbefristete Sicherheitskontrolle in dem Gebiet aufrechterhält, wobei palästinensische Beamte für die zivilen Angelegenheiten zuständig sein sollen.
Hinter den Kulissen wird heftig darum gerungen, wie Gaza in der Zukunft regiert werden soll. Eine seit Monaten im Raum stehende Idee ist die einer "Technokratenregierung". Mit anderen Worten: Es handelt sich dabei um ein Marionettenregime, das von Israel und USA gesteuert wird. Die Palästinenser lehnen eine solche begrenzte Rolle ab und streben einen unabhängigen Staat im Westjordanland, in Ostjerusalem und im Gazastreifen an – Gebiete, die Israel im Nahostkrieg 1967 erobert hatte.
Vor allem die Hamas, deren Popularität während dieser und früherer Gewaltrunden stark zugenommen hat, würde bei jeder freien Wahl wahrscheinlich gut abschneiden, kommentierte kürzlich die Agentur AP. Insofern zielen die USA darauf ab, eine willfährige Gruppe in Gaza mit der Unterstützung der PA an die Macht zu bringen. Und sie hoffen bis dahin so weit wie möglich die Strukturen der Hamas zu zerstören.
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