Von Wiktorija Nikiforowa
Irans Islamische Revolutionsgarde – eine Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte – hat in der Nacht auf Dienstag mehrere Angriffe auf die irakische Stadt Erbil unternommen. Im Netz erschienen Aufnahmen zerstörter Gebäude.
Am folgenden Tag meldete die Revolutionsgarde, dass das Ziel der Angriffe die "Stäbe von Terrorgruppierungen und Spionen in Irak" waren. Insbesondere sei der Stab des israelischen Geheimdienstes Mossad zerstört worden.
Bekannterweise hält Teheran die USA für die Hauptterroristen der Gegenwart. Und dabei war Erbil ein offensichtliches Ziel: dort befinden sich ein Generalkonsulat, ein Militärstützpunkt und ein Militärflugplatz der USA.
Washington hat die Angriffe der Revolutionsgarde auf Erbil "entschieden verurteilt". Doch die Frage ist, was die USA Irans Militärmaschine und seinem weitverzweigten Netz von Proxys wirklich entgegensetzen können. Wie soll man gegen sie Krieg führen. Das US-Kontingent im Irak zählt etwa 2.500 Militärs, in Syrien sind einige Hundert stationiert. Ein Tropfen auf dem heißen Stein gegen Hunderttausende verärgerte einheimische Männer, die es gewohnt sind, ihr ganzes Leben lang Krieg zu führen.
Seit Anfang Oktober stehen US-amerikanische Stützpunkte und Militärflugplätze in Irak fast täglich unter Beschuss, Dutzende Militärangehörige wurden dabei verwundet. Auf offizieller Ebene wurde ein Todesfall anerkannt, wobei der Tote kein Berufssoldat gewesen sei. Zerstörungen werden üblicherweise als "unbedeutend" bezeichnet.
Die klassische Guerilla-Taktik von "Mückenstichen" zermürbt den USA die Nerven und lässt ihre Kräfte zersplittern. Am 11. Dezember wurde die US-Botschaft in Bagdad mit einer Rakete angegriffen. An Weihnachten flog ein "Geschenk" in Form von Drohnen auf den Stützpunkt in Erbil. Drei US-Militärangehörige wurden dabei verwundet, einer davon schwer.
Am selben Tag reagierten die USA mit Raketenangriffen gegen die Stellungen von Kataib Hisbollah. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wurden dabei Angehörige dieser irakischen schiitischen Gruppierung getötet.
Iraks Regierung reagierte vorhersehbar empört und verurteilte diese grobe Verletzung der Souveränität ihres Landes. Das offene Geheimnis besteht indessen darin, dass alle Mitglieder dieser "proiranischen Gruppierungen" in Wirklichkeit iranische Militärs, Offiziere und Politiker sind.
Die Angriffe auf US-Militärbasen setzten sich fort. Parallel dazu beschossen die Huthi im Roten Meer US-amerikanische und britische Kampfschiffe. Dies erzeugte eine solche Gefahr, dass am 26. Dezember das US-Kommando zähneknirschend bekannt gab, dass die Flugzeugträger Gerald R. Ford und Dwight D. Eisenhower samt ihren Flugzeuggruppen "alle ihre Aufgaben erfüllten" und nach Hause zurückkehren.
Am 1. Januar, während die ganze Welt nach den Neujahresfeiern zu sich kam, trat Gerald R. Ford, ein Flaggschiff von Spitzentechnologien, tatsächlich die Heimreise an. Der Flugzeugträger zog sich stillschweigend aus dem Mittelmeer zurück. Niemand bemerkte dieses Ereignis, obwohl es natürlich eine vernichtende Niederlage war.
Die USA erreichten kein einziges von den Zielen, die mit solchem Pomp und Prunk angekündigt wurden. Sie ließen Israel im Stich, obwohl sie ihm ihre Unterstützung zusicherten. Das Unternehmen "Prosperity Guardian", in dessen Zuge die Schiffe im Roten Meer vor Huthi-Angriffen geschützt werden sollten, scheiterte ebenfalls.
Raketen- und Bombenangriffe auf Jemen bringen keine Ergebnisse bis auf Zerstörungen und den Tod von Zivilisten. Die Weltgemeinschaft verurteilte diese sinnlose Brutalität. Das Ansehen der USA erreichte einen weiteren Tiefpunkt, während die Huthi ihre Angriffe fortsetzten. In den jüngsten Tagen beschossen sie einen US-Zerstörer und ein US-Frachtschiff und erzielten bei letzterem einen Treffer. Das Kampfschiff wurde von einem Jagdflugzeug geschützt, von dem aus die Rakete abgeschossen wurde. Die Huthi haben indessen nicht vor, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben.
Nennen wir die Dinge beim Namen: die legendäre Gerald R. Ford ist schlicht und ergreifend aus der Region geflohen. Die Risiken für US-Trägergruppen wurden tatsächlich unverhältnismäßig hoch. Sicher gelang es für einige Zeit, die Angriffe der Drohnen und Antischiffsraketen abzuwehren. Doch erstens ist es teuer: Eine Drohne im Wert von etwa 20.000 US-Dollar wird von einer Rakete im Wert von einer bis zwei Millionen abgeschossen.
Zweitens nahm die Wahrscheinlichkeit zu, dass irgendeine verwegene Rakete oder Drohne die Verteidigung der Trägergruppe durchbrechen und der legendären "Wunderwaffe" durchaus realen Schaden zufügen könnte. Die Streitkräfte aller Länder interessieren sich für die Schwachstellen der US-Flugzeugträger. Und da stehen zwei Trägergruppen wie Zielscheiben da, während sich jemenitische Guerillas daran üben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie einen Treffer erzielen würden.
Zurück zu den Angriffen auf die US-Stützpunkte im Irak: sie setzten sich in den ersten Januartagen fort, und am 4. Januar reagierten die wutentbrannten USA in ihrer gewohnten terroristischen Manier. Direkt in Bagdad sprengten sie ein Auto mit dem Kommandeur einer irakischen schiitischen Miliz. Dafür wurden sie offiziell vom Iraks Ministerpräsident zum Verlassen des Landes aufgefordert. Bagdad beschloss, dass für das US-Militär Zeit gekommen ist, seine Sachen zu packen.
Egal, wie oft die USA darauf verweisen, dass ihr Militär "von irakischer Regierung eingeladen" sei, de facto benehmen sie sich wie ein Besatzer und werden vom Volk als solcher wahrgenommen. Das Schicksal ihres Kontingents in Irak ist vorhersehbar: "Koffer, Flugplatz, USA".
Mit einem Rückzug aus Irak würde die Versorgung der US-amerikanischen Proxys in Syrien zusammenbrechen, was dem Präsidenten Baschar al-Assad die Chance geben würde, diesen Teil des Landes wieder unter Kontrolle zu bringen. Damit würde ein weiteres militärisches Langzeitabenteuer der USA ein ruhmloses Ende nehmen.
Alle verstehen, wie gefährlich Washingtons Lage im Nahen Osten ist. Entweder werden die USA von dort zurückgedrängt, oder in eine offene Konfrontation mit dem Iran gezogen, die augenblicklich zu einem Weltkrieg heranwachsen könnte.
Sonderbarerweise blieb die US-Armee zu diesem schwierigen Zeitpunkt praktisch führungslos. Der Oberbefehlshaber Joe Biden verschwand in seiner Residenz in Camp David und erschien wochenlang nicht vor der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister der USA tauchte ganz unter. Fast eine ganze Woche lang wussten weder das Weiße Haus, noch der Kongress, oder die einfachen US-Bürger, wo Lloyd Austin geblieben ist.
Später wurde vieles klar: am 22. Dezember überstand der Pentagonchef eine Operation wegen Prostatakrebs. Zum Neuen Jahr wurde er aus dem Krankenhaus entlassen, doch schon am 1. Januar wieder hospitalisiert, und zwar direkt in die Reanimationsabteilung, wo er lange Zeit bewusstlos blieb. Theoretisch sollten seine Aufgaben, darunter auch die Kontrolle über den Nuklearknopf, von seiner Stellvertreterin Kathleen Hicks übernommen werden. Doch sie erholte sich zum Neujahr in Puerto Rico und wollte ihren Urlaub nicht unterbrechen. Und so leitete sie das Pentagon direkt von einem Strand aus. Gegenwärtig soll Austin aus dem Krankenhaus entlassen worden sein. Nach Angaben des Pentagons arbeitet er von zu Hause aus.
Amerikanische Experten spekulieren gerne darüber, wie viele militärische Konflikte Washington auf einmal austragen kann und wie es mit ihnen umgehen wird. Der Jahresbeginn gibt eine Antwort auf all diese Fragen.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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