Südafrika hat beim Internationalen Gerichtshof (IGH) offiziell Klage gegen Israel eingereicht und wirft der Regierung Netanjahu Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor, nachdem seit dem 9. Oktober fast drei Monate lang unerbittliche israelische Bombardements inzwischen mehr als 21.500 Menschen getötet und weitreichende Zerstörungen im Gazastreifen verursacht haben. Die israelische Botschaft in Deutschland wies die in der Klage formulierten Vorwürfe "mit Abscheu" zurück. In einem X-Posting wird dabei der Begriff "Blutverleumdung" genutzt, um Südafrika wiederum zu unterstellen, "mit einer terroristischen Organisation zu kooperieren, die zur Zerstörung des Staates Israel aufruft".
In einem am Freitag an den Gerichtshof im niederländischen Den Haag gerichteten Antrag bezeichnet Südafrika das Vorgehen Israels im Gazastreifen als "Völkermord, der auf die Vernichtung eines wesentlichen Teils der nationalen, rassischen und ethnischen Gruppe der Palästinenser abzielt". Weiter heißt es:
"Die fraglichen Handlungen umfassen die Tötung von Palästinensern im Gazastreifen, die Verursachung schwerer körperlicher und seelischer Schäden und die Auferlegung von Lebensbedingungen, die auf ihre physische Zerstörung abzielen."
Der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), dem wichtigsten Rechtsorgan der Vereinten Nationen, erfolgt wegen vorgeworfener "Verstöße Israels gegen seine Verpflichtungen aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ('Völkermordkonvention') in Bezug auf die Palästinenser an Palästinensern im Gazastreifen". In der Erklärung des südafrikanischen Ministeriums für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit (DIRCO) heißt es zu den Gründen des juristischen Vorgehens:
"Südafrika ist zutiefst besorgt über die Notlage der Zivilisten, die von den gegenwärtigen israelischen Angriffen auf den Gazastreifen betroffen sind, die auf die wahllose Anwendung von Gewalt und die gewaltsame Vertreibung der Bewohner zurückzuführen sind."
Südafrika habe laut der Erklärung in den zurückliegenden Wochen regelmäßig "einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Gesprächen gefordert", um damit "die Gewalt im Zusammenhang mit der anhaltenden kriegerischen Besetzung Palästinas zu beenden". In dem 84-seitigen Schreiben wird auch an die "Äußerungen von Völkermordabsichten gegen das palästinensische Volk durch israelische Staatsbeamte und andere" erinnert (Seite 59).
Die israelische Seite reagierte mit Empörung und einer offensiven Wortwahl in ihren Stellungnahmen. Im Rahmen eines offiziellen X-Postings der "Botschaft des Staates Israel in Berlin" heißt es:
"Israel weist die von Südafrika verbreitete Blutverleumdung und seine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) mit Abscheu zurück. Die Behauptung Südafrikas entbehrt sowohl einer faktischen als auch einer rechtlichen Grundlage und stellt eine verabscheuungswürdige und verächtliche Instrumentalisierung des Gerichtshofs dar. Südafrika kooperiert mit einer terroristischen Organisation, die zur Zerstörung des Staates Israel aufruft."
Die "Blutverleumdung", auch bekannt als "Blutanschuldigung", ist laut einer Definition der Webseite Hannah – Challenging and Debunking Antisemitic Myths ("Hinterfragen und Entlarven antisemitischer Mythen") die Anschuldigung, dass "Juden christliche Kinder (hauptsächlich Jungen) ermordeten, um ihr Blut für religiöse Rituale zu verwenden". Falsche Anschuldigungen "von Ritualmorden", so die weiteren Darlegungen der Webseite, "hatten über die Jahrhunderte hinweg schwerwiegende Folgen für das jüdische Volk in Form von Pogromen, Brandstiftungen und vor allem Morden". Die Begrifflichkeit und Unterstellung wird im aktuellen Falle allein von der israelischen Seite formuliert. Weiter schreibt die Botschaft in ihrem X-Posting:
"Israel hat deutlich gemacht, dass die Bewohner des Gazastreifens nicht der Feind sind, und unternimmt alle Anstrengungen, um den Schaden für die Unbeteiligten zu begrenzen und humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen."
Die Regierung Netanjahu fordert daher den Internationalen Gerichtshof und die internationale Gemeinschaft auf, "die unbegründeten Behauptungen Südafrikas vollständig zurückzuweisen".
Die Einreichung der Klage ist das jüngste Ereignis, das das unerbittliche israelische Vorgehen in Gaza seitens des afrikanischen Landes lautstark kritisiert. Bereits im vergangenen Monat erfolgte aus Protesten gegen das Vorgehen der israelischen Militärs die Abstimmung über die Schließung der israelischen Botschaft in Pretoria und die Aussetzung aller diplomatischen Beziehungen bis zu einem finalen Waffenstillstand. Südafrikanische Politiker hatten zuletzt wiederholt Vergleiche zur früheren Apartheid-Politik in ihrem eigenen Land gezogen.
Der Gerichtshof in Den Haag soll laut seinem Statut kriegerische Konflikte zwischen Staaten unterstützend friedlich beilegen. Gesprochene Urteile gelten in der Regel als bindend, wobei die Richter der UNO über keinerlei Machtmittel verfügen, um beschuldigte Staaten oder Politiker zur Umsetzung zu zwingen. Theoretisch kann als nächster Schritt der UN-Sicherheitsrat dazu aufgerufen werden, in der Sache tätig zu werden.
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