Von Armin Schmitt
Ein Hubschrauber, der sowohl von der jemenitischen als auch der palästinensischen Flagge geziert wird, setzt ein Kommando an Bord des Autofrachters Galaxy Leader ab. Mit Sturmgewehren laufen vermummte Kämpfer über ein menschenleeres Deck. Im gekaperten Schiff ruft einer von ihnen: "Tod Israel, dir zu Diensten, oh Palästina." Die Ansarullah-Bewegung (Huthi) veröffentlichte ein Video, das die am Wochenende durchgeführte Beschlagnahmung des israelischen Handelsschiffes "Galaxy Leader" im Roten Meer zeigt. Die Huthi nahmen zudem die Besatzung des Schiffes als Geiseln. Bereits eine Woche zuvor hatten die Huthi das Bild eines brennenden Containerschiffes verbreitet und auf Hebräisch, Englisch und Arabisch gedroht: "Wir werden eure Schiffe versenken."
In den vergangenen Wochen schossen die Huthis mehrmals Raketen in Richtung Israel ab, mindestens zweimal trafen sie auch die israelische Hafenstadt Eilat. Die Huthi sehen sich vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges neben der Hisbollah im Libanon und anderen Gruppen im Irak und Syrien als Teil der "Achse des Widerstandes" gegen Israel, die derzeit daran arbeitet, einen Mehrfrontenkrieg gegen Tel Aviv zu eröffnen.
Als erste Reaktion dementierte Israel, dass der von den Huthi gekaperte Autofrachter in irgendeiner Verbindung zu Israel stehe. Öffentlich zugängliche Schiffsdatenbanken zeigen jedoch, dass die "Galaxy Leader" der Gesellschaft Ray Car Carriers gehört, die wiederum von Abraham "Rami" Ungar gegründet wurde, einem der vermögendsten Männer Israels.
Die Huthis kündigten nach der Beschlagnahme des Frachters weitere Aktionen an: "Wenn die internationale Gemeinschaft um Sicherheit und Stabilität in der Region besorgt ist, sollte sie der israelischen Aggression gegen den Gazastreifen ein Ende setzen, anstatt den Konflikt auszuweiten", sagte ein Huthi-Sprecher.
Die schiitische Bewegung, die seit September 2014 die Hauptstadt Sanaa und weitere Gebiete im Jemen kontrolliert, hat sich mit iranischer Unterstützung zu einer militärischen Kraft entwickelt, deren Arm mittlerweile weit über die Grenzen des Jemen hinausreicht. Raketen der Huthis hatten seinerzeit Ziele in Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten getroffen, bevor Iran wieder seine Beziehungen zu Riad normalisierte.
Der Jemen liegt direkt an der Einmündung in das Rote Meer und fungiert damit als Vorposten zum Suezkanal, einer der am stärksten befahrenen Routen der Welt. Solche Angriffe könnten dem Welthandel massiven Schaden zufügen und sind damit ein wirksamer Hebel gegen die westliche Politik in der Region. Der Seeweg durch den Bab al-Mandab verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden. Die meisten Tanker mit Öl oder verflüssigtem Erdgas, die vom Golf kommend den Suezkanal nutzen, müssen die Meerenge zwischen dem afrikanischen Dschibouti und der jemenitischen Küste passieren. Dass ein israelischer Militärsprecher die Huthi-Aktion als "gravierendes Ereignis" bezeichnete, dürfte eher damit zu tun haben, dass solche Angriffe die Lieferketten unterbrechen könnten und die Ölpreise in die Höhe schnellen lassen ‒ wovon wiederum Lieferanten wie Russland und Iran profitieren. Noch sind die Auswirkungen auf die Energiemärkte überschaubar ‒ allerdings nur, solange sich solche Aktionen nicht abermals wiederholen.
Hinzu kommt: Iran könnte zahlreiche Schiffe, die täglich die Straße von Hormus durchqueren, ins Visier nehmen, falls sich der Krieg in Gaza in die Länge zieht. Die Meerenge verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman, der über das Arabische Meer bis zum Indischen Ozean führt, und ist an der schmalsten Stelle weniger als 50 Kilometer breit. Jeden Tag passieren ein Fünftel der weltweiten Ölversorgung und ein Viertel des weltweiten Flüssiggashandels, insbesondere aus Katar, diesen Seeweg. Sollte der Transit unterbrochen werden, und sei es auch nur für ein paar Tage, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die weltweiten Öl- und Gaspreise. Die Huthi-Aktion macht also deutlich, dass Irans Verbündete nicht nur einen Mehrfrontenkrieg gegen Israel starten, sondern auch versuchen, die US-Interessen in der Region in Gefahr zu bringen. Und das zeugt von einer globalen Dimension des Gaza-Krieges.
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