EU-Chefdiplomat Borrell gesteht "moralisches Versagen" der westlichen Diplomatie ein

Josep Borrell, der Chef der EU-Außenpolitik, hat erklärt, das Blutvergießen im Gazastreifen sei auf "unseren mangelnden Willen zurückzuführen, das israelisch-palästinensische Problem zu lösen."

Der Westen trage die Verantwortung für die jüngste Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt. Denn er habe es versäumt, die eigentlichen Ursachen des Problems anzugehen, sagte der Hohe Vertreter der EU für Außenpolitik, Josep Borrell. Er sehe keine Möglichkeit, den jahrzehntelangen Kampf militärisch zu beenden.

Während der EU-Botschafterkonferenz am Montag erklärte Borrell, dass die "sich entfaltende Tragödie im Nahen Osten das Ergebnis eines kollektiven politischen und moralischen Versagens" sei. Dabei machte er deutlich, dass dieses Versagen in "unserem tatsächlichen Mangel an Bereitschaft, das israelisch-palästinensische Problem zu lösen", begründet sei.

In Anbetracht dessen sei der Block "verpflichtet, sich zu engagieren", erklärte der Diplomat. Brüssel konzentriere sich kurzfristig auf die Bereitstellung humanitärer Hilfe für die in Gaza eingeschlossenen Zivilisten und langfristig auf die Suche nach einer "umfassenden und endgültigen Lösung," fügte er hinzu.

Borrell forderte eine "humanitäre Pause, die von einem Zugang des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zu den Geiseln als ersten Schritt zu deren Freilassung begleitet werden soll." Eine Überreaktion der Israelis würde dazu führen, dass sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft verlieren, warnte er. Nach Ansicht des Politikers gebe es für den Konflikt keine militärische Lösung. Selbst wenn es Israel gelingen sollte, die Hamas zu zerstören, würde dies wahrscheinlich keinen Frieden in der Region bringen.

Unterdessen äußerte sich der israelische Premierminister, Benjamin Netanjahu, am Freitag eindeutig zu diesem Thema. Sein Land werde einer humanitären Pause nicht zustimmen und die Bombardierung der palästinensischen Enklave mit "aller Macht" fortsetzen, wenn die israelischen Geiseln nicht freigelassen würden. Netanjahu erklärte dies nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Tel Aviv, bei dem die beiden Politiker über die humanitären Aspekte des Konflikts gesprochen hatten.

Auf einer anschließenden Pressekonferenz forderte Blinken "humanitäre Pausen mit Vereinbarungen vor Ort, die die Sicherheit der Zivilbevölkerung erhöhen und eine wirksamere und nachhaltigere Verteilung der humanitären Hilfe ermöglichen."

Israel wurde von vielen arabischen Staaten für seine groß angelegten Bombardierungen des Gazastreifens kritisiert. Kritik kam auch von der Türkei, Russland und der UNO. Zudem wurde das Vorgehen Israels im Rahmen zahlreicher Prostestaktionen in europäischen Ländern und in den USA verurteilt. Die jüngste Konfliktwelle, die durch den Überraschungsangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst wurde, hat bisher mehr als 1.400 Israelis und fast 10.000 Palästinenser das Leben gekostet und Tausende weitere verletzt.

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