Von Andrew Korybko
Die Türkei und Ägypten haben am vergangenen Dienstag eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der die vollständige Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen angekündigt wurde. Die Beziehungen beider Staaten waren im vergangenen Jahrzehnt größtenteils angespannt, nachdem Ankara vor fast genau zehn Jahren den Militärputsch verurteilt hatte, bei dem der der Muslimbruderschaft nahestehende Präsident, Mohamed Mursi, vom damaligen Armeechef General Abdel al-Fattah as-Sisi abgelöst wurde.
Zu dieser Zeit gründeten die Aversionen der beiden Länder gegeneinander auf einer Mischung aus Ideologie und Politik. Die Unterstützung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die Muslimbruderschaft beruhte nicht nur auf seinen Ansichten über die optimale Art und Weise, wie mehrheitlich muslimische Gesellschaften zu organisieren sind, sondern hätte auch dazu führen können, dass Ankara informell die Führung einer Gruppe gleichgesinnter Staaten übernommen hätte, falls die Muslimbruderschaft in Westasien und Nordafrika an die Macht gekommen wäre. Der von den USA unterstützte "Arabische Frühling" von 2011 war der Auslöser für diese potenziell flächendeckende geopolitische Transformation.
Die Türkei hatte damals wesentlich bessere Beziehungen zu diesem sich nun rapide im Niedergang befindenden unipolaren Hegemon namens USA, was zur Wiedereinführung des amerikanischen Einflusses auf Westasien und Nordafrika hätte führen können. Diese rasanten ideologisch-politischen Entwicklungen hatten direkte Auswirkungen auf die Sicherheit der Golfstaaten, von denen die meisten – genauso wie auch Russland – die Muslimbruderschaft als terroristische Organisation betrachten. Demnach stehen sowohl Russland als auch die Golfstaaten im Verdacht, den Putsch von as-Sisi im Jahr 2013 unterstützt zu haben.
Im Laufe der darauffolgenden zehn Jahre wurde Ägypten praktisch ein inoffizielles Mitglied des Golf-Kooperationsrates (GCC) und ist mittlerweile finanziell und militärisch mit dem saudisch-emiratischen Kern dieser Allianz verbunden. Als leidenschaftlicher Verfechter der historisch säkularen Politik des ägyptischen Staates vernichtete as-Sisi rücksichtslos alle Spuren der Muslimbruderschaft im bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt und verringerte so die unkonventionellen Sicherheitsbedrohungen, die seine Verbündeten und Finanziers am Golf fürchteten.
Der zusätzliche Effekt, den der Erfolg von as-Sisi damit hatte, führte dazu, dass die zuvor erläuterten spekulativen geopolitischen Pläne der Türkei zunichte gemacht wurden, ebenso wie die letztendliche Pattsituation, die den Syrienkrieg charakterisierte, in dem dieses Nachbarland der Türkei eine führende Rolle bei der Orchestrierung und Führung als Stellvertreter spielte. Mit der Zeit wirkten sich die Folgen für die nationale Sicherheit auch auf die Türkei aus, nachdem das daraus resultierende Chaos dem militanten kurdischen Separatismus, der später direkt von den USA unterstützt wurde, neuen Wind verlieh.
Als Präsident Erdoğan seine Regionalpolitik neu ausrichtete, um diesen strategischen Rückschlägen Rechnung zu tragen und die Möglichkeit eines Konflikts mit Russland entweder durch Fehleinschätzungen oder durch amerikanische Manipulation abzuwenden, brachen die türkisch-amerikanischen Beziehungen in sich zusammen und erreichten mit dem gescheiterten Putsch gegen Erdoğan im Sommer 2016 ihren Tiefpunkt. Erdoğan beschuldigte die USA, in den Putsch verstrickt zu sein, da der radikale Geistliche Fethullah Gülen dort unbehelligt im Exil lebt. Dieser wird von Ankara als Anführer eines globalen Terrornetzwerks und als Drahtzieher des Putsches betrachtet.
Von da an und bis zum vergangenen Jahr versuchten die USA die Gülenisten, die militanten kurdischen Separatisten und die Verbindung zwischen Ägypten und dem Golf-Kooperationsrat als Waffe gegen die Türkei einzusetzen, wobei die traditionellen armenischen und griechischen Rivalen der Türkei diese Dynamik auszunutzen und auf den Zug aufzuspringen versuchten, um maximalen Druck auf Ankara auszuüben. In gewisser Weise waren auch die sporadischen Spannungen mit Israel ein Faktor, den die USA ebenfalls als Waffe gegen die Türkei einzusetzen versuchten. Insgesamt stand die Türkei unter großem Druck und sah sich der Gefahr einer regionalen Isolation ausgesetzt.
Die vergangenen 16 Monate seit Beginn der russischen Sonderoperation in der Ukraine lösten weitreichende geostrategische Veränderungen in der gesamten Region von Westasien bis Nordafrika aus. Die Türkei bewies ihre Souveränität, indem sie sich weigerte, die Beziehungen zu Russland abzubrechen, obwohl man bei der UN-Generalversammlung gegen Russland votierte und Drohnen an die Ukraine verkaufte, während die arabische Welt ihre Probleme mit Syrien lösen und China eine iranisch-saudische Annäherung vermitteln konnte.
Darüber hinaus bildete die Lösung der internen Krise innerhalb des Golf-Kooperationsrats rund um Katar Anfang 2021 im Nachhinein die Grundlage für den Verbündeten der Türkei auf der arabischen Halbinsel, die Möglichkeit zu prüfen, eine Annäherung Ankaras an diese Allianz zu erleichtern, was durch das Treffen der Präsidenten Erdoğan und as-Sisi bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar vorangetrieben wurde. All diese Entwicklungen führten zu einer friedlichen Lösung einer der letzten potenziellen Konfliktquellen in dieser Region.
Die Türkei und Ägypten erkannten, dass ihren nationalen Interessen am besten gedient ist, wenn sie sich an diesen regionalen Friedensprozessen beteiligen, anstatt hartnäckige Verweigerer zu bleiben, insbesondere weil der letztere Fall es Drittparteien wie Armenien, Griechenland und den USA leichter machen würde, einen Keil zwischen beide Länder zu treiben. Das heißt nicht, dass eine dieser Drittparteien mit der Absicht aufgetreten wäre, den USA ein Signal zu senden, und es bedeutet auch nicht, dass die Beziehungen Ägyptens zu Armenien und Griechenland darunter automatisch leiden würden, aber es ist dennoch erwähnenswert.
Diese drei Staaten – Armenien, Griechenland und die USA – sollten das souveräne Recht Ägyptens respektieren, seine jahrzehntelang problematischen Beziehungen zur Türkei wiederherzustellen, wenn sie das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt wirklich als gleichberechtigten Partner betrachten. Ebenso sollten diejenigen Anhänger der Türkei in der gesamten Region von Westasien bis Nordafrika, die sich aus ideologischen Gründen gegen Präsident as-Sisi stellen könnten, die entsprechende Entscheidung des türkischen Staatsoberhaupts respektieren, die den Interessen seines Landes dient. Jeder, der sich der türkisch-ägyptischen Annäherung widersetzt, enthüllt seine hinterlistige Absicht.
Der globale systemische Übergang zur Multipolarität, der bereits vor der russischen Sonderoperation in der Ukraine begann, führt zu einer erhöhten Stabilität in Westasien und Nordafrika, trotz gegenteiliger Panikprognosen des Westens. Diese Megaregion ist weit davon entfernt, die regionalen Verwerfungslinien bis hin zu einem offenen Krieg oder zumindest einem noch intensiveren Kalten Krieg zwischen traditionellen Rivalen zu verschärfen. Stattdessen vereint man sich, um einen separaten zivilisatorischen Pol in der entstehenden neuen Weltordnung zu schaffen. Es wird einige Zeit dauern, bis sich das alles vollständig bilden wird, aber der Trend geht dahin, dass sich die internationale muslimische Gemeinschaft – die Ummah – allmählich konsolidiert, da ihre vielen zuvor gespaltenen Mitglieder ihre Differenzen im Streben nach dem größeren Gemeinwohl beilegen.
Da die meisten Staaten in Westasien und Nordafrika auf derselben strategischen Seite stehen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich ihre gemeinsame multipolare Vision auf die Partner der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) in Zentral-Südasien und West-Zentralafrika ausbreitet, ganz zu schweigen von Indonesien.
Solange die OIZ in der Lage ist, die "Teile und herrsche"-Pläne der USA und anderer Nichtmitgliedstaaten schon im Vorfeld zu vereiteln und die Streitigkeiten, die trotz aller oben genannten Bemühungen immer noch zwischen ihnen bestehen, friedlich beizulegen, wird die Ummah unweigerlich zu einer globalen Organisation werden, mit der man rechnen muss. Alle aufrichtigen Befürworter der Multipolarität sollten daher den jüngsten Schritt bei der türkisch-ägyptischen Annäherung wertschätzen, da er die multipolaren Prozesse erheblich beschleunigt.
Aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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