Felicitas Rabe im Interview mit Ofer Golany
Der Musiker und Friedensaktivist Ofer Golany wurde als Sohn jüdischer Einwanderer in Israel geboren. Die Familienangehörigen seiner polnischen Mutter wurden fast alle während des Holocausts ermordet. Beide Eltern waren überzeugte Zionisten. Golany studierte Musiktherapie, arbeitete aber sein Leben lang fast ausschließlich als Musiker. 1996, nach der Geburt seines Sohnes, begann seine friedenspolitische Arbeit. Er verweigerte den Kriegsdienst und engagierte sich in der israelischen Organisation Yesh Gvul gegen die israelische Besetzung des Libanons.
Von 2003 bis 2012 trat er im Trio "Musicians for Peace" gemeinsam mit arabischen Christen aus Nazareth mit Friedensliedern auf, wie zu Beispiel dem Song "Lord make me an Instrument of your peace". Die Band erhielt Auftrittsangebote hauptsächlich aus Europa und nur wenige aus Israel. Im Interview berichtete Ofer Golany über seine politische Motivation und seine Sicht auf die israelische Gesellschaft. Der 64-jährige Friedensaktivist spricht auch über die Haltung der russisch-israelischen Community zum Krieg in der Ukraine und in welchen Fragen die Menschen in Israel gespalten sind.
Gleich zu Beginn des Gesprächs beantwortete der Musiker die Frage, was ihn motiviere, regelmäßig zu Musikauftritten nach Deutschland zu kommen. Nach seiner Wahrnehmung trage jeder Deutsche einen Juden auf der Schulter, der ihm unaufhörlich einflüstere "schuldig, schuldig, schuldig". Gleichzeitig trage jeder Israeli einen Deutschen in der Tasche, der ihm immer sage "bleib ängstlich, bleib ängstlich, bleib ängstlich".
Er wolle als Künstler zur Heilung zwischen Deutschen und Israelis beitragen. Damit habe er bei seinem musikalischen Engagement in der arabisch-christlich-jüdischen Musikgruppe "Musicians for Peace" und ihren Auftritten in Deutschland begonnen. Auf der Tour lernte er österreichische und deutsche Musiker kennen, deren Eltern Nazis waren. In ihrem Wunsch nach Wiedergutmachung spielten diese jüdische Musik. Golany weiter:
"Den Deutschen muss gesagt werden, dass man als Freunde die israelische Regierung kritisieren darf."
Die Haltung der russischstämmigen Israelis zum Ukraine-Krieg
Um die Diskussion über den Krieg in der Ukraine in der israelischen Gesellschaft ging es bei der nächsten Frage. 20 Prozent der israelischen Bevölkerung stammten aus Russland, erklärte der Friedensaktivist. Insgesamt würden sich in Israel viele Menschen zu dem Konflikt positionieren. Schließlich habe das Land auch viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Diesbezüglich habe es beim israelischen Außenministerium eine große Diskussion über deren Aufenthaltsrechte gegeben. Ukrainer mit jüdischem Glauben seien bevorzugt worden.
Außerdem kämen aufgrund des Krieges auch Flüchtlinge aus Russland nach Israel, darunter Kriegsdienstverweigerer aus der russischen Armee. Trotz des hohen Anteils russischstämmiger Mitbürger würde die Mehrheit der Israelis sich im Krieg auf die Seite der Ukraine stellen.
"Sie sympathisieren mit Selenskij – sie sagen, er ist einer von uns",
erläuterte der Friedensaktivist die Haltung der Menschen in Israel.
Im Gegensatz zum israelischen Staat organisierten private israelische Initiativen viele Projekte, um ukrainische Flüchtlinge auch innerhalb der Ukraine zu unterstützen. Die Bürger seines Landes fühlten sich betroffen, wenn Putin ukrainische Politiker oder Militärs als Nazis bezeichnet. Das sei für sie schlimmer als die Tatsache, dass Politiker und Militärs in der Ukraine Nazi-Symbole tragen. Sie wollten auch nicht mehr daran erinnert werden, dass die Ukraine im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaboriert hat.
Die Haltung der israelischen Regierung zum Krieg in der Ukraine
Allerdings müsse man auch wissen, dass die israelische Regierung einen anderen Kurs verfolge als die israelische Gesellschaft, machte Golany als Nächstes deutlich. Aufgrund vieler Wirtschaftsverträge zwischen Israel und Russland sei die israelische Regierung in Bezug auf die militärische Unterstützung der Ukraine vorsichtig. Dabei gehe es der Regierung auch darum, dass Russland ihr bei ihren Militäroperationen in Syrien freie Hand lasse.
Seitens der Bevölkerung habe es wiederum nur pro-ukrainische Demonstrationen in Israel gegeben. Die Menschen betrachteten Russland als den Aggressor und würden von den Medien in ihrer Meinung bestärkt. Zudem gebe es selbst bei russischstämmigen Israelis kein Bewusstsein über die Unterdrückung der russischen Kultur in der Ukraine. Diese würden in Israel ihre russischen Traditionen und Gebräuche sehr intensiv pflegen. Und der Gebrauch der russischen Sprache sei in Israel sehr präsent. Selbst Telefonservice-Ansagen gebe es mittlerweile automatisch auch auf Russisch.
Die russischstämmigen Israelis erinnerten sich jedoch sehr wohl noch an die Unterdrückung der jüdischen Kultur in der Sowjetunion. Golanys Bruder sei mit einer Einwanderin aus Donezk verheiratet gewesen. Sie habe ihm über die Lage der Juden in der Sowjetunion berichtet. Insofern sei die Mehrheit der russischstämmigen Mitbürger einfach nur froh und dankbar, dass Israel sie als Bürger aufgenommen habe.
Die geplante Rechtsreform spaltet die israelische Gesellschaft
Die größte Spaltung in der israelischen Gesellschaft betreffe die Frage der geplanten Rechtsreform, bei der das höchste israelische Gericht an Macht verlöre. Golany erklärte, weshalb dadurch die Gesellschaft insgesamt undemokratischer würde. An den Demonstrationen gegen die Rechtsreform beteiligten sich in Israel Hunderttausende Menschen.
Aufgrund dieses Konflikts hätten die religiösen und die rechtsnationalistischen Parteien in Israel viel an Macht und Einfluss gewonnen. Sie würden aktuell die Regierung zusammenhalten. Bei der Verabschiedung des letzten Staatshaushaltes sei deshalb auch viel Geld in deren Interesse umgeschichtet worden – auf Kosten von Bildung, Gesundheit und Sozialem.
Nach mehreren Konzerten in Nordrhein-Westfalen, zuletzt auf dem Edelweißpiratenfestival in Köln, flog der Musiker am Dienstag wieder zurück nach Jerusalem. Am 15. Juni trat er als Teil des Duos "Ofer & Alexander" in Köln auf. Hier ein Ausschnitt aus dem Song "Information":
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