Saudi-Arabien zeigt Selbstbewusstsein: Neue Führungsrolle im Ordnungsgefüge von Nahost

Die Welt wandelt sich zunehmend in eine multipolare Ordnung, in der sich nicht mehr nach westlichen Regeln und Interessen schalten und walten lässt. Mit einer Einladung an den vom Westen sanktionierten Innenminister Russlands machte Saudi-Arabien deutlich, dass man dort an dem Kurs einer Neujustierung der Balance zwischen West und Ost festhalten will und das Land mehr als nur eine Tankstelle für die ganze Welt ist.

Von Seyed Alireza Mousavi

Kurz nach dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskij empfing Saudi-Arabien auch den Innenminister Russlands, den der Westen wegen des Ukraine-Krieges persönlich sanktioniert hat. Dieser Schritt war im Grunde eine nachträgliche Ohrfeige für Selenskij und ebenso für den US-Präsidenten Joe Biden. Der Besuch des russischen Innenministers Wladimir Kolokolzew in Riad sagt viel über Riads neuen außenpolitischen Kurs aus.

Saudi-Arabien demonstriert damit ein neues Selbstbewusstsein und wie man in Riad die eigenen Interessen des Reiches in den Vordergrund stellt – anstatt die des Westens. Diesen Kurswechsel hatte das Königreich auch auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga bereits nachdrücklich demonstriert: Saudi-Arabien und weitere arabische Staaten hießen nach zwölf Jahren Ausschluss die syrische Regierung erstmals wieder willkommen.

In den letzten Jahren haben sich mehrere arabische Länder auf die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Syrien konzentriert. Vor allem Saudi-Arabien spielte beim Drängen auf eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga eine Schlüsselrolle. Und dies, obwohl die USA ihre enge Verbündeten und internationalen Partner vor einer Normalisierung der Beziehungen zu Syrien gewarnt hatten. 

Selenskijs Empfang bei der Arabischen Liga war eine kluge Ablenkungsstrategie von Mohammed bin Salman. Er wollte davon ablenken, dass der von Russland und Iran gestützte syrische Präsident Baschar al-Assad wieder mit offenen Armen in der arabischen Welt empfangen wird. Bei diesem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Saudi-Arabien als einem engen Verbündeten der USA hielt Assad eine historische Rede, in der er auf die sich der Region bietende Chance hinwies, sich endlich von der westlichen Dominanz zu lösen. 

Saudi-Arabien und Iran normalisierten ihre Beziehungen schon im März überraschend. Diese Annäherung beider Staaten machte unter anderem den Weg frei für die bisher längste Waffenruhe im jahrzehntelangen Bürgerkrieg im Jemen. Saudi-Arabien versöhnte sich auch bereits mit der Türkei. Die ganze Region sortiert sich seit dem Ukraine-Krieg neu – und die Saudis wollen dem Westen zeigen, dass ihr Königreich mehr ist als nur eine Tankstelle für die ganze Welt. Mit der Einladung an den vom Westen sanktionierten Innenminister Russlands machte das Königreich deutlich, dass man an dem Kurs einer Neujustierung der Balance zwischen West und Ost festhalten und das Land eine neue Führungsrolle in der Region übernehmen will.

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