Der Hauptherausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan im türkischen Präsidentschaftswahlkampf Kemal Kılıçdaroğlu hat am Donnerstag eine neue Strategie für die Stichwahl gewählt, wobei er eine nationalistischere und härtere Haltung vor allem gegen Flüchtlinge eingenommen hat. Er versprach, im Falle seines Wahlsieges Millionen von Flüchtlingen in Syrien zurückzuführen, und lehnte jede Möglichkeit ab, mit militanten Kurden über einen Frieden zu verhandeln.
In seiner Rede in der Parteizentrale der CHP warf Kılıçdaroğlu Amtsinhaber Erdoğan vor, die Grenzen des Landes und damit "unsere Ehre" nicht geschützt zu haben. Sollte Erdoğan an der Macht bleiben, kämen "mehr als zehn Millionen weitere Flüchtlinge in die Türkei", behauptete er. Die Flüchtlinge könnten sich in Verbrecher und Plünderer verwandeln. Ganze Städte würden "unter die Kontrolle von Flüchtlingen und Mafiabanden fallen", und es werde mehr Frauenmorde geben, behauptete der vom Westen hofierte Kandidat Kılıçdaroğlu.
Bei der neuen Wahlstrategie ging es, laut Experten, um die Frage, wie Kılıçdaroğlu jene drei Millionen Wähler auf seine Seite ziehen kann, die im ersten Wahlgang für den rechtsextremen Kandidaten Sinan Oğan gestimmt haben.
Der CHP-Vorsitzende schlug auch gegen Erdoğan zurück, der Kılıçdaroğlu der Zusammenarbeit mit "Terroristen" bezichtigt hatte, nachdem der CHP-Chef die Unterstützung der prokurdischen Partei HDP bei den Wahlen erhalten hatte. "Waren Sie nicht derjenige, der mit terroristischen Organisationen an einem Tisch saß und hinter verschlossenen Türen geheime Abmachungen mit terroristischen Organisationen getroffen hat? Ich erkläre allen meinen Mitbürgern, dass ich mich nie mit terroristischen Organisationen an einen Tisch gesetzt habe und es auch nie tun werde. Punkt", betonte er.
Er bezog sich dabei auf die Friedensbemühungen zwischen Erdoğans Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die 2015 gescheitert waren. Die PKK, die seit 1984 einen Aufstand im Südosten der Türkei führt, wird von der Türkei, den USA und der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft.
In der ersten Runde der türkischen Präsidentschaftswahlen erreichte keiner der Bewerber eine absolute Mehrheit. In zwei Wochen treten Erdoğan und Kılıçdaroğlu erneut gegeneinander an. Der Amtsinhaber erhielt demnach 49,51 Prozent und verfehlte die absolute Mehrheit damit nur knapp. Oppositionsführer Kılıçdaroğlu erhielt der Wahlbehörde zufolge 44,88 Prozent.
Mehr zum Thema - Wahlen in der Türkei: Ein guter Zeitpunkt für den Westen, sich an Erdoğan zu rächen