Von Karin Kneissl
Seit bald drei Jahren wurde auf eine Versöhnung zwischen den beiden Regionalmächten am Persischen Golf hingearbeitet. Der Oman vermittelte ebenso wie es im Irak im Vorjahr zu wichtigen Gesprächen kam. Das Finale ermöglichte nun China. In Peking wurde auf einem trilateralen Gipfel die gemeinsame Erklärung unterzeichnet, der zufolge binnen 60 Tagen Riad und Teheran wieder ihre jeweiligen Botschaften eröffnen werden.
Diese waren infolge wachsender Spannungen zwischen den beiden Rivalen und ihren vielen Stellvertreterkriegen, die sich vom Irak über die Levante bis in den Jemen ziehen, versperrt worden. In den letzten vier Jahrzehnten eskalierte es immer wieder, die islamische Revolution im schiitischen Iran trieb ab 1979 das sunnitische Saudi-Arabien in eine enge US-Allianz.
Die lange Liste des Misstrauens
Der Stamm der Saud hatte nach der Vertreibung der Haschemiten die Rolle der Scherifen, also der Wächter der Heiligen Stätten von Mekka und Medina, in den 1930er Jahren übernommen. Im November 1979, also dem Revolutionsjahr, stürmten iranische Attentäter die Moschee von Mekka, es kam zu einem Massaker. Die saudischen Sicherheitskräfte konnten nur dank ausländischer Spezialeinheiten die Kontrolle über die Anlage wiedergewinnen.
Diese Episode sitzt den Saudis ebenso in den Knochen, wie die Iraner nicht vergessen haben, dass Riad im Verbund mit vielen sunnitischen Staaten und auch indirekt mit Israel alles daran setzte, dass das Nuklearabkommen mit Iran scheiterte und Iran weiterhin sanktioniert wurde. Das Misstrauen sitzt tief und wird nicht per Handschlag wegdekretiert werden. Aber die Saudis sind ihrerseits kriegsmüde und wissen nicht, wie sie aus dem selbstverschuldeten Desaster im Jemen herauskommen können.
Kronprinz Mohammed bin Salman hatte im Jahre 2015 diesen grauenhaften Krieg und das Hungerelend vom Zaun gebrochen. Die iranische Beteiligung an diesem Krieg begann erst nach den saudischen Provokationen. Die Sanktionen brachen nicht das wirtschaftliche Rückgrat Irans, der immer mehr auf industrielle und wissenschaftliche Autonomie setzte. Und auch die Katar-Krise war ein Stellvertreterkonflikt.
Als dieser endlich im Januar 2020 diplomatisch gelöst wurde, begann die Eiszeit zwischen dem Iran und Saudi-Arabien allmählich zu enden. Seither engagierte sich vor allem der Oman mit seinem exzellenten diplomatischen Korps für eine diskrete Vermittlung. Es folgten zwar immer wieder Rückschläge, doch ich war von Anbeginn zuversichtlich, dass angesichts wachsender Konvergenzen die Annäherung nach all den Jahren des Hasses und wechselseitiger systematischer Diffamierung in einer Aussöhnung münden könnte.
Die Rolle Chinas
Als der chinesische Staatspräsident Xi Jinping vor einigen Monaten nach seiner Wiederwahl seinen ersten Auslandsbesuch im Königreich Saudi-Arabien absolvierte, wurde er mit allen Ehren empfangen, bilaterale Verträge – unter anderem zum Erdölhandel, teils auf Yuan-Basis – wurden abgeschlossen. Doch Iran war "not amused" angesichts so mancher Ankündigung, sodass die chinesische Diplomatie ausrücken musste und die strategische Partnerschaft mit Iran wieder in Erinnerung rief. Das Foto vom 10. März 2023 mit den drei Staatenvertretern wird im Rückspiegel der Geschichte vielleicht als Symbolbild für den Übergang in eine multipolare Weltordnung eingehen.
Denn China hat mit einer Diplomatie der Inklusion zweifellos dauerhaft die USA aus dieser rohstoffreichen Weltregion ausgebootet. Die USA hatten sich freilich bereits vor Jahrzehnten verabschiedet, denn im Zuge des Irak-Debakels und der Energie-Autonome dank der nordamerikanischen Fracking-Industrie wurde der Persische Golf für Washington uninteressant. Für Peking wiederum geht es um Handel und Prosperität, die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und landwirtschaftlichen Flächen.
China hat daher ein solides Interesse an der Befriedung dieses Teils von Asien, der in der UNO-Terminologie korrekterweise als Westasien bezeichnet wird. Als jemand, der nunmehr wieder in der arabischen Welt lebt und die vielen Krisen des Libanons miterlebt hat, war ich stets zuversichtlich, dass es in dem kleinen multikonfessionellen Land nicht zu neuen Auseinandersetzungen kommen wird zwischen der Hisbollah, die von Teheran mitbestimmt wird, und jenen Gruppen, die sich an den arabischen Golfstaaten ausrichten.
Die nunmehr proklamierte Aussöhnung wird auch die Kriege auf anderen Schlachtfeldern entschärfen, allen voran den völlig vergessenen Krieg im Jemen.
Der Dollar wird dem Yuan weichen
Ein weiterer wichtiger Aspekt des chinesischen Erfolgs ist ein währungspolitischer. Denn sowohl mit dem Iran als auch mit Saudi-Arabien handelt Peking bereits teilweise in Yuan, und nicht in US-Dollar.
Rund 42 Prozent des Welthandels erfolgt in US-Dollar, um die 33 Prozent in Euro. Der chinesische Yuan bestimmt knapp drei Prozent des Marktes. Und dennoch verschieben sich allmählich die Parameter, denn auch die großen Erdölproduzenten am Persischen Golf, die seit Jahrzehnten allesamt enge Verbündete der USA sind, können sich etwas mehr Diversifizierung vorstellen. Als ich im Jahr 2005 für mein Buch "Der Energiepoker" recherchierte, war die Position unter den OPEC-Gesprächspartner einhellig: Der US-Dollar bleibt, unser Erdöl wird nicht anders abgerechnet. Dies hatte auch mit den hohen Auslandsinvestitionen der diversen Staatsfonds in US-Dollar-Anlagen zu tun. Zwischenzeitlich entstand das Format OPEC+, dem Russland angehört.
China ist in den 17 Jahren bis heute zum wichtigsten Erdölimporteur aufgestiegen. Zur Erinnerung: Bis etwa 1994 konnte die Volksrepublik ihre nationale Nachfrage mit eigener Ölproduktion decken. Der wichtigste Lieferant für China ist das wahabitische Königreich Saudi-Arabien, eine Theokratie. Erst 1992 nahm das kommunistische China diplomatische Beziehungen zu Saudi-Arabien auf. Das Handelsvolumen und die Besuchsdiplomatie nahmen in der Folge an Umfang und Wert zu.
Da ist also eine innerasiatische Zusammenarbeit im Gange, die im starken Kontrast zu all dem "decoupling", also dem von Washington propagierten Abwenden von China steht. Mit einem Thema werden sich die chinesischen Investoren und Offiziellen in ihrer wachsenden Präsenz in der Region aber befassen müssen: mit der Religion. Für eine areligiöse Gesellschaft wie die chinesische sind die Omnipräsenz des Religiösen und die theokratischen Institutionen nur schwer nachvollziehbar. Mit dem ehemaligen Außenminister Wang Yi unterhielt ich mich unter anderem darüber im April 2018, als ich Peking besuchte.
Die chinesische Diplomatie hat ein Meisterstück vollbracht, das unmittelbar nach Bekanntwerden bereits für kindische Kritik aus den USA sorgte. Respekt ist allen zu zollen, die darin involviert sind. Es bedarf stets einer inneren Größe, um über Schatten zu springen.
Abschließend sei der interessante Zufall anzumerken, dass vielleicht an diesem 10. März auch die nächste große Serie an Bankenkrisen in den USA begann. China hat seit 2008 seine US-Staatsanleihen massiv reduziert. Die USA werden eines Tages wieder auf die Erdölreserven dieser Region zurückkommen müssen, wenn das letzte Schieferöl- und Schiefergas-Feld erschöpft sein sollte. Die US-Konsumenten könnten dann diesen Rohstoff in Yuan bezahlen, wofür sie zuerst Kredite aufnehmen müssten. Ich darf mit einem meiner Lieblingswortspiele enden: Orientierung kommt von Orient.
Mehr zum Thema - Informationskrieg: Warum US-Medien einen Angriff Irans auf Saudi-Arabien herbeifantasieren