Nur drei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in der türkisch/syrischen Grenzregion haben die USA ihre Ölschmuggelkampagne im Nordosten Syriens fortgesetzt. Wie die syrisch-arabische Nachrichtenagentur SANA unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, sollen US-Streitkräfte mindestens 23 mit gestohlenem Öl beladene Tankwagen und Fahrzeuge mit militärischer Ausrüstung aus der Region Dschazīra, der wichtigsten Region Syriens für die Energie- und Getreideproduktion, über den illegalen Grenzübergang Al-Maḩmūdīyah zu ihren Stützpunkten im Irak transportiert haben. Ein weiterer Konvoi, bestehend aus 34 Lastwagen, soll die Grenze über den illegalen al-Walid-Übergang in al-Yarubiya passiert haben.
Das US-Militär hat seine Streitkräfte und Ausrüstung seit Langem im Nordosten Syriens stationiert, wobei das Pentagon behauptet, dass der Einsatz darauf abziele zu verhindern, dass die Ölfelder in der Region in die Hände von IS-Terroristen fallen. Damaskus hingegen betont stets, der Einsatz diene vorrangig dazu, die natürlichen Ressourcen des Landes zu plündern. Demnach stellten die von den USA durchgeführten Aktionen eine staatliche Piraterie dar, die darauf abziele, die syrischen Erdölvorkommen zu stehlen und die Syrer ihrer eigenen Ressourcen zu berauben – und das in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die größtenteils von den Besatzern selbst, den US-Amerikanern, verursacht wurde und wird.
Das sind Darstellungen, die der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Jahr 2019 sogar eingestanden hatte. Bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hatte er damals betont: "Wir behalten Syriens Öl. Wir haben das Öl. Das Öl ist sicher. Wir haben unsere Truppen nur wegen des Öls zurückgelassen." Im selben Jahr stellte die derzeitige Stellvertreterin Dana Stroul für den Mittleren Osten der Stellvertretenden US-Verteidigungsministerin Celeste Wallander, während einer Rede auf einer Veranstaltung des Center for Strategic and International Studies (CSIS) fest, dass "ein Drittel des syrischen Territoriums dem US-Militär und seinem lokalen Partner, den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF), gehört". Gleichzeitig hob sie hervor, dass das von Washington kontrollierte Gebiet das "wirtschaftliche Kraftzentrum Syriens ist, also dort, wo sich die Kohlenwasserstoffe befinden ... sowie das landwirtschaftliche Kraftzentrum".
Laut einer Recherche des Nachrichtenmagazins The Cradle passieren jede Woche Dutzende von Tanklastwagen, die von US-Kampfflugzeugen oder Hubschraubern begleitet werden, illegale Grenzübergänge zwischen Irak und Syrien. Hirten in der Region bestätigen der Publikation demnach, dass das syrische Öl zum US-Standort Al-Harir Air Base nahe Erbil, der Hauptstadt der Region Irakisch-Kurdistan (IKR), transportiert werde, eine Region, die als "Drehscheibe" für westliche und israelische Spionagebehörden bekannt ist.
Auch nach dem Erdbeben am 6. Februar 2023, das mehrere Städte im ganzen Land verwüstet hat, plündern die USA somit weiterhin das Erdöl aus den syrischen Gebieten. Erst im Dezember hatte das syrische Außenministerium erklärt, dass die systematische Plünderung des syrischen Öls, Weizens und anderer nationaler Ressourcen durch die US-Besatzungstruppen und die mit ihnen verbundenen militärischen Gruppen seit Beginn der Syrien-Krise im Jahr 2011 direkte finanzielle Verluste in Höhe von 25,9 Milliarden US-Dollar sowie indirekte Verluste in Höhe von über 86 Milliarden US-Dollar verursacht hätte.
"19,8 Milliarden US-Dollar durch die Plünderung von Öl-, Gas- und Mineralressourcen, 3,3 Milliarden US-Dollar durch Vandalismus und Plünderung von Einrichtungen. 2,9 Milliarden US-Dollar an Schäden an Öl- und Gasanlagen, die durch die Bombardierung dieser Anlagen durch die sogenannte 'internationale Koalition' verursacht wurden", hieß es im Detail in dieser Erklärung. Das Ministerium forderte die Vereinten Nationen im Dezember daher erneut dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, "um die Verletzung des Völkerrechts durch die USA und ihre Verbündeten zu beenden und Entschädigungen für diese Verstöße zu gewährleisten".
Mehrere Länder, darunter Russland und China, hatten das Vorgehen der USA bei der Plünderung der syrischen Ressourcen verurteilt und die USA wiederholt dazu aufgefordert, die fortgesetzte Plünderung der natürlichen Ressourcen des vom Krieg zerrütteten Landes zu beenden. Dennoch ist mit einem schnellen Abzug der US-Truppen aus Syrien vorerst nicht zu rechnen: Der nun fast acht Jahre andauernde US-Einsatz in Syrien zur angeblichen Bekämpfung des Islamischen Staates sei das damit verbundene Risiko immer noch wert, erklärte der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der USA Mark Milley am Samstag nach einem unangekündigten Besuch auf einem US-Stützpunkt im Nordosten des Landes auf Nachfrage eines mitgereisten Reporters.
Der Viersternegeneral war nach Syrien geflogen, um sich vor Ort über die getroffenen Schutzmaßnahmen für die US-Streitkräfte gegen Angriffe, auch durch Drohnen, zu informieren und die US-Bemühungen zur Verhinderung eines erneuten Auftretens der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu bewerten. Der Islamische Staat ist heute zwar nur noch ein Schatten dieser Gruppierung, die in einem 2014 ausgerufenen Kalifat über ein Drittel der Territorien von Syrien und vom Irak herrschte. Dennoch halten die USA weiterhin an ihrem militärischen Einsatz in Syrien fest.
Milley verknüpfte die Mission mit der Sicherung der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer Verbündeten und sagte: "Also, ich denke, dass eine dauerhafte Niederlage von ISIS und die weitere Unterstützung unserer Freunde und Verbündeten in der Region wichtig ist. Ich denke, das sind wichtige Aufgaben, die erledigt werden können." Für die vor Ort stationierten US-Soldaten birgt der US-Einsatz jedoch auch weiterhin Risiken. Erst im vergangenen Monat waren bei einem IS-Angriff vier US-Soldaten verwundet worden. Im Januar wurde eine US-Basis in der syrischen Region at-Tanf von drei Drohnen angegriffen. Nach Angaben des US-Militärs wurden zwei der Drohnen abgeschossen, während die verbleibende Drohne den Stützpunkt traf und zwei Mitglieder der sogenannten Freien Syrischen Armee verletzte.
Der Generalmajor der US Army Matthew McFarlane, der die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien befehligt, bezeichnete die Angriffe als "Ablenkung von unserer Hauptaufgabe". McFarlane verwies auf Fortschritte im Kampf gegen den Islamischen Staat, unter anderem durch die Verringerung der Zahl der Binnenvertriebenen in den Flüchtlingslagern – einem Pool von Menschen, die vom Islamischen Staat rekrutiert werden könnten. Er verwies auch auf die laufenden Operationen gegen die Überreste des Islamischen Staates. "Unsere oberste Priorität ist die dauerhafte Niederlage von ISIS. Und wir machen Fortschritte", sagte er.
Bis heute haben die USA kein Datum als Ziel für den Abzug ihrer rund 900 Soldaten aus Syrien festgelegt. Auf einen möglichen Abzug angesprochen, erläuterte McFarlane lediglich, dass die US-Partner in Syrien derzeit "nachhaltige Kapazitäten und Fähigkeiten entwickeln, um ISIS in Schach zu halten". Das brauche jedoch "Zeit". Die Teilbesetzung unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung zieht sich bereits seit 2014 hin und verletzt seither die Souveränität Syriens. Sie wurde auch nach der weitgehenden Zerschlagung des IS durch russische, syrische und iranische Streitkräfte in anderen Teilen des Landes fortgesetzt. So hat sie auch die von den USA unterstützte Operation zum Regimewechsel überdauert, mit der jedoch der legitime syrische Präsident Baschar al-Assad nicht gestürzt werden konnte.
Insbesondere den US-Republikanern ist der Syrieneinsatz zunehmend ein Dorn im Auge. Erst im vergangenen Monat hatte der Kongressabgeordnete Matthew "Matt" Gaetz von der Republikanischen Partei daher einen Gesetzentwurf zur Beendigung des US-Militäreinsatzes in Syrien eingebracht und argumentiert, der Gesetzgeber habe diese Mission niemals genehmigt. "Die Vereinigten Staaten befinden sich derzeit nicht in einem Krieg mit oder gegen Syrien, warum also führen wir dort gefährliche Militäroperationen durch", fragte er und fügte hinzu, Amerika an die erste Stelle zu setzen bedeute, "die Menschen in unserem Land an die erste Stelle zu setzen – und nicht die Interessen des militärisch-industriellen Komplexes".
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