Ein hochrangiger Beamter des israelischen Geheimdienstes sagte am Montag, er glaube, dass sich die eskalierende Situation im Westjordanland im kommenden Jahr nur noch verschlimmern werde und dass Israel nicht nur mit einer "Terrorwelle" konfrontiert sei.
Der Brigadegeneral Amit Saar und Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Nachrichtendienstes der israelischen Streitkräfte sagte, die zunehmende Gewalt im Westjordanland werde 2023 neben dem Thema "Iran" die zweitgrößte Herausforderung für Israel darstellen: "Wir sehen, dass die Grundlagen, die es uns bislang ermöglicht haben, den Konflikt zu bewältigen, ins Wanken geraten. Wir sind weit davon entfernt, den Konflikt lösen zu können."
Saar vermutet, die Palästinensische Autonomiebehörde habe ihre Legitimität bei jungen Palästinensern verloren, und warnte, im Westjordanland sei der Zugang zu Schusswaffen leicht, was wiederholte Schießattacken ermögliche. Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben in diesem Jahr mindestens 281 Schießereien und Schießversuche gegen israelische Zivilisten und Soldaten im Westjordanland registriert, im Vergleich zu nur 91 im vorigen Jahr.
Israelische Truppen sind im vergangenen Jahr bei Verhaftungsaktionen im Westjordanland wiederholt unter Beschuss geraten, vor allem in den Städten Nablus und Dschenin, aber auch in anderen Gebieten.
Während der israelischen Operationen wurden nach Angaben der Palästinensischen Autonomiebehörde rund 150 Palästinenser durch israelischen Beschuss getötet. Nach Darstellung der IDF wurden angeblich viele von ihnen – wenn auch nicht alle – bei der Ausübung von Anschlägen oder bei heftigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften während nächtlicher Razzien getötet.
Vor dem Hintergrund der Unruhe in Iran sagte Saar, dass das "iranische Regime" die anhaltenden Proteste im Lande überleben werde. Teheran habe sehr starke Instrumente entwickelt, um mit solchen Protesten umzugehen.
Die Lage im besetzten Westjordanland ist seit Monaten sehr angespannt. Dort erschoss letzte Woche ein israelischer Polizist einen Palästinenser aus nächster Nähe. Der Vorfall hat eine heftige Kontroverse in den sozialen Medien ausgelöst. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa schrieb, der Palästinenser sei von vier Kugeln getroffen worden und israelische Soldaten hätten danach palästinensische Krankenwagen daran gehindert, zum Ort des Geschehens zu gelangen.
In Iran beobachte man die Entwicklungen im israelisch besetzten Gebiete sehr aufmerksam und überlege, wie man davon profitieren könne, kommentierte die israelische Zeitung Jerusalem Post die Situation nach dem jüngsten Anschlag in Jerusalem: "So könnte Iran versuchen, weitere Spannungen zu schüren oder den Islamischen Dschihad zu Anschlägen zu ermutigen", schrieb die Jerusalem Post. In den vergangenen Wochen wurde Iran von einer Terrorserie in mehreren Städten an der Grenze zu Irak und Pakistan heimgesucht. Teheran warf dem Westen und Israel vor, einen Bürgerkrieg in dem Land schüren zu wollen.
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