Israel und der Libanon stehen kurz davor, ein von den USA vermitteltes Abkommen über die Seegrenzen abzuschließen, das es Israel ermöglichen würde, Gas nach Europa zu exportieren, berichtet das Wall Street Journal (WSJ) am Dienstag.
Nach dem aktuellen Entwurf des Abkommens wird das Karish-Gasfeld komplett Israel zugeschlagen, wobei dem Libanon die Ausbeutung des Kana-Gasfelds zugesichert wird. Das Abkommen, das sich seit einem Jahrzehnt in Ausarbeitung befindet, würde Israel eine schnelle Umsetzung seiner Verpflichtung ermöglichen, Gas an die Europäische Union zu verkaufen, hieß es weiter im WSJ. Im Zuge des Ukraine-Kriegs und der verhängten Sanktionen gegen Moskau suche die EU nach neuen Energiequellen. Das bevorstehende Abkommen stelle einen "diplomatischen Erfolg für Israel" dar, weil es die internationale Anerkennung seiner maritimen Sicherheitsgrenze zum Libanon garantiere und als Abschreckung gegen einen weiteren Krieg zwischen dem Libanon und Israel dienen könne, so israelische Beamte.
Ein Deal zwischen den beiden verfeindeten Staaten, die sich offiziell seit 1948 im Kriegszustand befinden, darf durchaus als Erfolg betrachtet werden. Doch gibt es weiterhin einige Widerstände und Hürden zu überwinden. Insbesondere beinhaltet der Entwurf des neuen Abkommens die Anerkennung der von Israel so genannten "Bojenlinie", die sich von Rosh haNikra an der Grenze zum Libanon fünf Kilometer ins Meer erstreckt.
Die Linie ist diplomatisch sehr umstritten, da Israel sie einseitig als eine Zone festgelegt habe, die für den jüdischen Staat notwendig sei, um "Handlungsfreiheit für seine Sicherheit" zu haben. Das Abkommen mit dem Libanon soll diese Linie im internationalen Recht verankern. Unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsbeamte berichteten libanesische Medien jedoch, dass der Libanon Israels einseitig gesetzte "Bojenlinie" aus dem Jahr 2000 nicht anerkennen werde. "Der Libanon lehnt jede von Israel kontrollierte Sicherheitszone entschieden ab", meldete die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar.
Darüber hinaus lehnt der Libanon Berichten zufolge die Idee einer Unterzeichnungszeremonie zusammen mit israelischen Beamten in der libanesischen Kleinstadt Naqura ab und schlägt stattdessen die Unterzeichnung der Dokumente in separaten Räumlichkeiten vor, da sich beide Staaten faktisch im Kriegszustand befinden.
Der israelische Premierminister Jair Lapid hält den möglichen Deal für einen diplomatischen Sieg und argumentiert, dieses Abkommen verringere die Abhängigkeit des Libanons von Iran. Oppositionsführer Benjamin Netanjahu hingegen kritisierte, dass Lapid alle Forderungen des Libanons erfüllt und damit die "Sicherheit Israels" gefährdet habe. Netanjahu warf vor allem Lapid eine "Kapitulation" vor der Hisbollah vor. Nachdem Israel verkündet hatte, den Anschluss der Bohrinsel über dem Karish-Gasfeld im Mittelmeer an das israelische Pipeline-Netz vorzubereiten, drohte der Hisbollah-Chef, Hassan Nasrallah, mit Krieg.
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