von Seyed Alireza Mousavi
Die Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien haben in letzter Zeit den tiefsten Punkt seit Jahrzehnten erreicht, insbesondere nach der Betitelung Saudi-Arabiens als "Paria-Staat" durch den US-Präsidenten Biden und dessen Ankündigung, das Königreich für Menschenrechtsverletzungen wie etwa die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zur Rechenschaft ziehen zu wollen.
Biden hat seit seinem Amtsantritt auch noch kein einziges Mal offiziell als US-Präsident mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gesprochen, weil er den saudischen De-facto-Herrscher in die grausame Ermordung von Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Jahr 2018 involviert sieht.
Die steigenden Ölpreise und die Furcht vor dadurch verursachten wirtschaftlichen Folgen im Westen haben das Weiße Haus im Zuge des Ukraine-Krieges dazu bewogen, die US-Außenpolitik wieder neu zu bewerten. Die Biden-Regierung hatte allerdings bereits vergeblich versucht, die Saudis davon zu überzeugen, mehr Rohöl zwecks Senkung der weltweiten Ölpreise zu fördern und in den Markt zu pumpen.
Bereits vor der russischen Militäroperation in der Ukraine hatte Biden in einem überraschenden Telefonat mit dem saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz darauf gedrängt, weitere Preissteigerungen am Erdölmarkt zu verhindern.
Saudi-Arabien hatte sich im vergangenen Jahr mit den anderen OPEC-Staaten und weiteren neun Nicht-OPEC-Staaten – darunter auch Russland – auf eine nur allmähliche Steigerung der Ölfördermenge geeinigt.
Nach dem jüngsten EU-Sanktionspaket werden die Öl-Importe der EU aus Russland – unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung für Pipeline-Lieferungen – bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent sinken. Die Ölpreise klettern derweil inzwischen auf den höchsten Stand seit zwei Monaten, und der Westen befindet sich in einem realen Notzustand. Zugleich machen Berichte die Runde, dass Joe Biden erwäge, im Rahmen seiner geplanten Nahost-Reise Ende Juni Saudi-Arabien zu besuchen. Ein Paket von Vereinbarungen zwischen den USA und Saudi-Arabien zur Steigerung der Ölfördermenge zu erzielen, sei entscheidend für diesen möglichen Besuch Bidens. Biden ist nun offenbar bereit, über seinen Schatten zu springen und sich doch mit Mohammed bin Salman zu "arrangieren".
Als der russische Außenminister Sergei Lawrow am Dienstag zu bilateralen Gesprächen in Saudi-Arabien eintraf, behaupteten einige westliche Medien zu wissen, dass einige Mitglieder der OPEC erwägen würden, Russland aus einer Ölfördervereinbarung der erweiterten Öl-Allianz OPEC+ auszuschließen. "Bei einem Ausschluss Russlands könnten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere OPEC-Mitgliedsländer mehr fördern, um die Produktionsziele zu erreichen", hieß es dazu beispielsweise imWall Street Journal.
Saudi-Arabien habe sich bei einem Ausfall der russischen Öl-Produktion bereit erklärt, seine Ölproduktion zu erhöhen. Das Land habe zugesagt, die Förderungsmengen zu steigern, falls es auf dem Ölmarkt wegen der Sanktionen gegen Russland zu einem Versorgungsengpass kommen sollte, berichtete die Financial Times am Mittwoch unter Berufung auf "mit der Angelegenheit vertraute Personen".
Im Gegensatz zu westlichen Medien, die somit versuchten, vermutete Zwietracht innerhalb der OPEC+ in ihrer eigenen Berichterstattung hochzuspielen, lobte der russische Außenminister Lawrow am Dienstag bei seinem Treffen mit dem saudischen Amtskollegen Prinz Faisal bin Farhan Al Saud das Niveau der Zusammenarbeit innerhalb der OPEC+.
Die Allianz mit Russland ist vor allem für die OPEC-Staaten wichtig, um die Hoheit über die Preise zu behalten und stabile Einnahmen zu garantieren. Die Golfstaaten sind im Ukraine-Krieg – trotz vieler Aufrufe aus dem Westen zur Verurteilung Moskaus – bisher neutral geblieben. Omans Außenminister sagte kürzlich, dass die Ukraine-Krise nur eine europäische Lösung erfordere und der Westen die Golfstaaten nicht dazu zwingen dürfe, für eine Seite in dem Konflikt Partei zu ergreifen.
Im Ukraine-Krieg zielen die USA insbesondere darauf ab, Russland zu schwächen, ohne dass ein US-Soldat auf dem Schlachtfeld getötet wird. Sie könnten dann von dem Krieg profitieren, wenn der Preisanstieg für Energieträger eingedämmt würde. Andernfalls wären die Sanktionen des Westens gegen Russland der vielzitierte "Schuss ins eigene Knie". Derzeit hängt offenbar alles davon ab, ob ultrakonservative arabische Staaten wie Saudi-Arabien bereit sind, die eigene Ölförderung entgegen den Verabredungen im Umfeld der OPEC stark zu erhöhen, um die sogenannte "freie Welt" des Westens aus der Krise zu retten.
Mehr zum Thema - Vor dem Treffen der OPEC+ in Wien: Lawrow besucht Golfstaaten