von Seyed Alireza Mousavi
Der Tonfall zwischen Moskau und Tel Aviv hat sich in den vergangenen Tagen im Zuge des Ukraine-Krieges verschärft, nachdem der russische Außenminister Sergei Lawrow vor Nazi-Elementen in der Ukraine gewarnt und dabei einen Vergleich zwischen Wladimir Selenskij und Adolf Hitler gezogen hatte. Zuvor hatte Israel Moskau "Kriegsverbrechen" in der Ukraine vorgeworfen. Ein Video von israelischen Söldnern, die für die Ukraine kämpfen, kursierte kürzlich in den sozialen Medien. Die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, warf Israel anschließend vor, dass israelische Söldner in der Ukraine Schulter an Schulter mit Asow-Truppen gegen Russland kämpfen.
Die Führung in Kiew hat mehrfach in letzter Zeit Parallelen zwischen Palästinensern in besetzten Gebieten und den Russen in der Ukraine gezogen, indem sie die Palästinenser beziehungsweise die Russen automatisch zu einer Metapher des Bösen machte. Selenskij zitierte in einer Rede an ein israelisches Publikum Golda Meir. Der ukrainische Präsident bezog sich dabei auf den Holocaust und nutzte Israels eigene Erfahrungen mit "Bedrohung, Terrorismus und Opferrolle", um von den Zuhörern Solidarität gegen Russland zu fordern. In einem Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz machte der stellvertretende Kommandeur des rechtsextremen Asow-Regiments, Sviatoslav Palamar, Palästinenser als "Terroristen" aus, gegen die die israelischen Sicherheitskräfte vorgingen. "Das Gleiche geschieht hier (Ukraine). Ich denke, das ist auch Terror", fügte er dann anschließend hinzu.
Vor dem Hintergrund der erhöhten Spannungen zwischen Russland und Israel reiste am 4. Mai eine Delegation hochrangiger Hamas-Funktionäre nach Moskau, um sich mit russischen Beamten zu treffen und die Situation in Jerusalem infolge der jüngsten Unruhen auf dem Tempelberg zu erörtern. Israelische Sicherheitskräfte hatten in letzter Zeit mehrfach das Gelände der al-Aqsa-Moschee gestürmt und sich dort Auseinandersetzungen mit Hunderten Palästinensern geliefert. Bereits in einer Erklärung Mitte April beschuldigte das Außenministerium in Moskau Israel, dass das Land versuche, die Situation in der Ukraine auszunutzen, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von dem palästinensisch-israelischen Konflikt abzulenken.
Der stellvertretende Leiter des Politbüros der Hamas im Ausland, Mousa Abu Marzook, sagte nach dem Treffen in Moskau, dass die Weichen für die neue Verschiebung der globalen Ordnung gestellt worden seien. Es bestehe nun die Möglichkeit, den "Status quo" in der globalen Ordnung zum Wohle der "Unterdrückten" in der Welt zu ändern. Er fügte hinzu, dass die Veränderung der Weltordnung die Zukunft Israels beeinflussen würde.
Hamas-Gespräche mit russischen Beamten sollen sich darauf konzentriert haben, die russische Unterstützung für die Palästinenser zu entwickeln, und die Beziehungen zwischen Hamas und Moskau auf ein neues, fortgeschrittenes Niveau zu heben und die israelische Belagerung von Gaza durchzubrechen.
Der politische Führer der palästinensischen Hamas-Bewegung, Yahya Sinwar, kündigte bereits in einer Rede am 30. April an, dass die Durchbrechung der israelischen Gaza-Belagerung über See in nahen Zukunft in Abstimmung mit der "Jerusalem-Achse" eingeleitet werde. Bei dieser Achse handelt sich in erster Linie um Iran und Hisbollah, die wiederum ein Bündnis mit Moskau in mehreren regionalen Fragen in Nahen Osten eingegangen sind, insbesondere im Syrien-Konflikt.
Walid al-Mudallal, Professor für Politikwissenschaft an der Islamischen Universität von Gaza, sagte gegenüber Al-Monitor, Moskau sei sehr daran interessiert, neue Instrumente zu entwickeln, um seine westlichen Rivalen in Bezug auf den Ukraine-Krieg zu beeinflussen. Mudallal erklärte, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich die Beziehungen zwischen Moskau und der Hamas in dem Maße entwickelten, dass der Kreml die Hamas mit Waffen und Geld versorgen würde. Er fügte jedoch hinzu, eine solche Unterstützung könne auf einem indirekten Weg erfolgten, durch Iran und die Hisbollah, die in vielen internationalen Fragen ein Bündnis mit Moskau gegenüber den USA geschmiedet hätten. "Der Gazastreifen ist im Wesentlichen zu einem Freiluftgefängnis geworden, dessen zwei Millionen Menschen seit fast 14 Jahren unter den Bedingungen der von Israel verhängten See-, Luft- und Landblockade überleben müssen", hieß es Mitte April in der Erklärung des russischen Außenministeriums.
Im Nahen Osten verändern sich die Machtverhältnisse. Je länger sich der Krieg in der Ukraine hinzieht, desto schwieriger wird es für die israelische Führung als der engste US-Verbündete im Nahen Osten, eine neutrale Position einzunehmen. Zugleich verhärten sich die Fronten zwischen Palästina und Israel. Die Mehrheit der Palästinenser beklagt sich über die Doppelstandards des Westens gegenüber der Ukraine und Palästina. Die Palästinenser sehen kritisch, dass die USA und die EU so rasch wirtschaftliche, finanzielle und sportbezogene Sanktionen gegen Russland verhängten, während sie die systematische Diskriminierung der Palästinenser durch die israelische Regierung ignorieren.
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