von Seyed Alireza Mousavi
EU-Chefverhandler Enrique Mora wirbt diese Woche in Teheran für eine Einigung bei den stockenden Atomverhandlungen mit Iran. Vor Moras Reise erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der Besuch sei "die letzte Patrone", um die Sackgasse bei der Erzielung einer Vereinbarung mit Iran zu überwinden.
Mora traf sich am Mittwoch nach Angaben iranischer Medien zunächst mit Irans Vizeaußenminister und Atomchefunterhändler Ali Bagheri. Ziel des Besuchs sei gewesen, die "verbleibenden Lücken" in den Verhandlungen zu schließen, twitterte Mora.
Der wichtigste noch offene Streitpunkt bei der Verhandlung des neuen Atomabkommens ist die Forderung Irans, die Iranische Revolutionsgarde (IRGC) von der "Terrorliste" der US-Regierung zu streichen. Die USA versuchten zuletzt vergeblich, einen Kompromiss zu schließen, indem sie die Revolutionsgarde von der schwarzen Liste entfernten, aber deren Eliteeinheit, die "Quds-Brigaden", nach einer möglichen Wiederbelebung des Atomabkommens weiterhin als "terroristische Organisation" einstufen.
In Bezug auf die Streichung der Revolutionsgarde von der Liste ausländischer Terrororganisationen bekräftigte Mora jedoch kurz vor seinem Treffen in Teheran, US-Beamte hätten deutlich gemacht, dass diese Option vorerst vom Tisch sei. Berichten zufolge reiste Mora nach einem Zwischenstopp in Doha weiter nach Teheran. Parallel dazu erregt ein weiterer Flug aus Doha Aufmerksamkeit.
Der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, traf am Donnerstag in Teheran ein. Dieser Zeitpunkt wirft nun die Frage auf, ob Katar eine Vermittlerrolle zwischen den USA und der Islamischen Republik eingenommen hat.
Es gibt Spekulationen darüber, ob der Emir einige Vereinbarungen vorantreiben könnte, die zur Wiederbelebung des Atomabkommens beitragen könnten. Was Katar dabei in petto hat, ist nicht bekannt, aber es ist sicher, dass Doha ein echtes Interesse daran hat, einen Raum für den Dialog zwischen zwei Rivalen zu schaffen, zu denen es gute Beziehungen unterhält.
Katars Emir besuchte Iran das letzte Mal im Januar 2020, um die Spannungen zwischen Teheran und Washington nach der Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch die USA abzubauen.
Nun stellt man sich zugleich in Iran die Frage, ob das Land überhaupt noch ein solches Atomabkommen benötigt. Westliche Beamte haben weitgehend die Hoffnung verloren, dass das Abkommen wiederbelebt werden kann. Der wichtigste Hebel, den die Großmächte zur Verfügung hätten, um Iran zu einem Kompromiss zu drängen, besteht darin, die Ölexporte des Landes zu drosseln. Teheran ist jedoch nicht mehr motiviert, eine Atom-Vereinbarung mit dem Westen anzustreben, da das Land inmitten des Ukraine-Krieges seine Ölexporte massiv erhöht hat.
Im letzten Jahr schloss China eine 50-jährige strategische Partnerschaft mit Iran ab und importiert seither Energie aus dem Land, ohne sich über Sanktionen Gedanken zu machen. Vor Kurzem berichtete das Wall Street Journal (WSJ), Iran erhöhe seine Ölexporte inmitten der Ukraine-Krise und profitiere gar von einem Anstieg der Ölpreise, da sein Hauptabnehmer China seine Käufe von russischem Öl aufgrund des Krieges mit der Ukraine reduziere. Iran verkaufe nun, laut WSJ, mehr Öl an China, obwohl er höhere Preise verlange als Moskau, nachdem die Ölpreise nach der russischen Operation in der Ukraine angestiegen sind.
Es wird zudem angenommen, dass sich Irans Ausbruchszeit – die Zeit, die ein Staat benötigt, um ausreichend waffenfähiges Uran für den Bau einer einzelnen Atombombe produzieren zu können – dramatisch verkürzt hat, nachdem der ehemalige US-Präsident Trump aus dem Atomdeal ausgestiegen ist. Die Ausbruchsfrist Irans betrage mittlerweile "nur noch ein paar Wochen, oder sogar noch weniger", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, Ende April. Um dem Abkommen neues Leben einzuhauchen, müssen die USA die Sanktionen gegen Teheran aufheben, während Iran im Gegenzug dafür sein Atomprogramm wieder stark einschränkt. Allerdings ließe sich selbst dann die ursprüngliche Ausbruchszeit nicht wiederherstellen. Denn technische Fortschritte, die Iran gemacht hat, lassen sich nicht zurückdrehen.
Durch die Maßnahmen im JCPOA 2015 stieg Irans potenzielle Ausbruchszeit seinerzeit auf zwölf Monate. Nun könnte Iran die neue Realität als einen Hebel nutzen, um die USA dazu bewegen, die Voraussetzungen Teherans zur Wiederbelebung des Atomdeals zu akzeptieren.
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