von Seyed Alireza Mousavi
Die Wiener Gespräche zur Wiederbelebung des Atomdeals mit Iran standen bis zur letzten Woche vor dem Durchbruch, nachdem Teheran signalisiert hatte, den letzten Forderungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nachzukommen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte Ende März, die monatelangen Verhandlungen über die Wiedereinsetzung des Atomabkommens mit Iran stünden kurz vor dem Abschluss. Es handle sich um eine "Angelegenheit von Tagen", fügte Borrell seinerzeit hinzu. Der Außenbeauftragte erklärte sogar, dass der Westen "zu 95 Prozent" einverstanden mit den Forderungen Teherans sei.
Der wichtige verbleibende Knackpunkt bei der Erzielung des neuen Atomabkommens war bislang die Forderung Irans, die Iranische Revolutionsgarde (IRGC) von der Terrorliste der US-Regierung zu streichen. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte auch kürzlich, dass die Frage des Umgangs mit der Revolutionsgarde "definitiv" Teil der Verhandlungen sei. "Wir haben mit den US-Amerikanern diesbezüglich Nachrichten ausgetauscht", fügte er hinzu.
Nun kippte diese optimistische Stimmung des Westens auf einmal ins Negative. US-Außenminister Antony Blinken sagte am Mittwoch, er sei nicht "übermäßig optimistisch" in Bezug auf die Aussichten, ein neues Atomabkommen mit Iran zu erzielen. In den Mainstream-Medien häufen sich in den vergangenen Tagen die Kommentare zu den Folgen der möglichen Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran im Zuge des Ukraine-Krieges.
Lobbyisten in Washington legten sich wieder ins Zeug, den möglichen Deal mit Teheran zu torpedieren. Danny Danon, der ehemalige israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, sagte Fox News, die Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran könnte Russland eine Hintertür bieten, um die harte Sanktionen des Westen zu umgehen. "Jeder in den USA sanktioniert Russland, aber auf der anderen Seite arbeiten sie sehr eng mit ihnen am Iran-Deal zusammen", erklärte Danon.
Jonathan Schanzer, der Senior Vice President of Research bei der Foundation for Defense of Democracies, behauptete außerdem kürzlich, dass es sich beim Atomabkommen praktisch um einen von Russland vermittelten Deal handelt. Russland werde nach der Unterzeichnung des neuen Deals erhebliche abgebaute Überbestände angereicherten radioaktiven Materials erhalten und auch Atomanlagen in Iran warten, "wobei es Milliarden von Dollar dafür bekommt, und das zu einem Zeitpunkt, in dem Russland inmitten des Ukraine-Krieges mit seinem nuklearen Säbel rasselt". Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende Februar die sogenannten Abschreckungskräfte des Landes in Alarmbereitschaft versetzt. Diese umfassen auch Atomwaffen.
Angesichts der massiven Sanktionen gegen Russland forderte Moskau bereits "schriftliche Garantien" der USA, dass die Sanktionen gegen Russland nicht die Umsetzung des neuen Atomdeals beeinträchtigen dürfen. Es geht dabei nach der Kremlführung insbesondere um die russischen Rechte auf "uneingeschränkten Handel, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen sowie militärisch-technische Kooperation mit Iran". Russland und Iran arbeiten zugleich gemeinsam daran, ihre Interbanken-Nachrichtensysteme miteinander zu verbinden, um das Finanztransaktionsnetzwerk SWIFT zu umgehen. Beide Länder sind mit harten westlichen Sanktionen konfrontiert, die eine Abwicklung des Zahlungsverkehrs für jeglichen Handel über SWIFT schwierig oder unmöglich machen.
Die US-Regierung macht sich deswegen Sorgen, dass Iran Russland aufgrund seiner Erfahrungen mit der Umgehung harter westlicher Sanktionen beibringt, wie man sich diesen entziehen könnte. Das Wall Street Journal enthüllte auch kürzlich, wie Iran die Sanktionen gegen das Land mit einem geheimen Finanz- und Bankensystem umgangen hatte.
US-Außenminister Blinken fragte inzwischen den israelischen Premierminister Naftali Bennett und andere israelische Beamte nach ihrer Alternative zu einem Atomabkommen mit Iran, das Teherans Urananreicherung begrenzen wird. Bennett soll Blinken gesagt haben, Iran könne davon abgehalten werden, Uran auf das militärische Niveau von 90 Prozent anzureichern, wenn Teheran wisse, dass die USA und die europäischen Länder die Sanktionen auf das Niveau jener gegen Russland erhöhen würde.
Dieses Statement macht deutlich, dass Israel einen möglichen neuen Deal mit Iran abwenden will, obwohl die USA das Abkommen mit Iran unbedingt zur Bewältigung der steigenden Preise brauchen. Die US-Gesellschaft profitierte faktisch vom Atomdeal mit Iran, da die USA damit die angesichts der harten Sanktionen gegen Russland steigenden Ölpreise relativ stabilisieren könnte – indem Iran sein Öl auf den Markt bringt. Aber Lobbyisten und Kriegstreiber im Westen wollen die Verschärfung der Eskalationen um den Ukraine-Krieg sowie die Iran-Frage, wobei das Wohl der eigenen Bevölkerungen sie kaum interessiert.
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