Die Ukraine plane, sich nach Kriegsende in Fragen der nationalen Sicherheit nach Israel und nicht nach der Schweiz zu richten, sagte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij am Dienstag.
Selenskij lehnte das Konzept der Neutralität für die Ukraine ab und erklärte:
"Unser ganzes Volk wird unsere große Armee sein. Wir können nicht von der Schweiz der Zukunft reden."
"Aber wir werden definitiv ein großes Israel mit eigenem Gesicht sein", fügte er hinzu.
"Wir werden uns nicht wundern, dass wir in allen Institutionen, Supermärkten, Kinos Vertreter der Streitkräfte oder der Nationalgarde haben werden, es wird Leute mit Waffen geben. Ich bin sicher, dass unser Sicherheitsthema in den nächsten zehn Jahren die Nummer eins sein wird."
Israelis und Palästinenser haben unterschiedliche Einstellungen zu dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Nach einer neuen Peace Index-Umfrage von Anfang März steht fast die Hälfte der Palästinenser an Russlands Seite, während eine robuste Mehrheit der Israelis Russlands Argumente für die Militäroperation in der Ukraine ablehnt. Die Umfrage, die von Nimrod Rosler und Alon Yakter von der Universität Tel Aviv durchgeführt wurde, fragte, ob Russland berechtigt sei, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen und das russische Volk außerhalb seiner souveränen Grenzen zu schützen.
Die israelische Zeitung Haaretz schreibt mit Hinblick auf diese Umfrage, es wäre "logisch", wenn die Palästinenser, die unter Besatzung leben, sich mit der Ukraine als Opfer identifizieren würden, und nicht mit Russland. Eine neue Umfrage von Khalil Shikaki und Walid Ladadweh vom Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR) zeigt aber deutlich, dass die Mehrheit der Palästinenser sich über die Doppelstandards des Westens gegenüber der Ukraine und Palästina beklagen. Die Palästinenser sehen kritisch, dass die USA und die EU so rasch wirtschaftliche, finanzielle und sportbezogene Sanktionen gegen Russland aufgrund des Einmarsches in der Ukraine verhängten. Israel werde demgegenüber vom Westen anders behandelt, und es würden keine Sanktionen gegen das Land aufgrund seiner Besatzungspolitik verhängt.
Selenskij versuchte in seiner Rede an ein israelisches Publikum bekanntermaßen die Herzen zu berühren: Er zitierte Golda Meir, bezog sich auf den Holocaust und nutzte Israels eigene Erfahrungen mit "Bedrohung, Terrorismus und Opferrolle", um den Zuhörern Solidarität einzuimpfen. Laut Haaretz klagten diese Themen letztendlich, wenn auch implizit, die Palästinenser an, und entfremdeten sie dadurch. Denn mit einer solchen Rede habe Selenskij Israels Narrativ bestärkt.
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