von Seyed Alireza Mousavi
Vor dem Formel-1-Rennen in Dschidda führte die Ansarollah-Bewegung (Huthi) aus dem Jemen am Freitag groß angelegte Raketenangriffe auf zwei Öltanks in der saudi-arabischen Hafenstadt durch. Raketen trafen dabei eine Anlage des Ölkonzerns Aramco nahe der Formel-1-Rennstrecke.
Von der Rennstrecke aus war dichter Rauch während der Huthi-Angriffe am Himmel zu sehen. Weltmeister Max Verstappen hatte beim Training während der Fahrt den Brand gerochen und einen Defekt an seinem Red-Bull-Rennwagen vermutet: "Es riecht verbrannt, ist das mein Auto?", funkte der Red-Bull-Fahrer am Freitag beim ersten Training zum Grand Prix in Saudi-Arabien. Der ins Visier der Huthis geratene saudische Energieriese Aramco ist wichtiger Geldgeber der Formel 1.
Die Ansarollah-Bewegung teilte am Freitag in einer Erklärung mit, sie hätten bei einer Angriffsserie mit Raketen und Drohnen außer der Anlage des saudi-arabischen Ölkonzerns Aramco in Dschidda mehrere weitere Einrichtungen in der Hauptstadt Riad attackiert. Bereits am vergangenen Wochenende hatte sie ein Ölterminal in Dschasan sowie eine Gasanlage und eine Ölraffinerie in der am Roten Meer gelegenen Industriestadt Yanbu mit Raketen und Kampfdrohnen beschossen, während US-Abwehrsysteme nicht in der Lage waren, sie abfangen zu können.
Die Börsen reagierten auf die Berichte über den neuen Huthi-Angriff auf Aramco mit einem Anstieg der Ölpreise. Aramco ist der weltweit größte Ölproduzent. Saudi-Arabien erklärte kürzlich, es werde keine Verantwortung für Engpässe in der globalen Ölversorgung übernehmen, die Folge der Huthi-Angriffe seien. Diese ungewöhnliche Warnung markiert eine Abkehr von den normalerweise vorsichtigen Äußerungen des riesigen Ölproduzenten, da sich die saudischen Offiziellen weiterhin bewusst sind, dass selbst ihre kleinsten Kommentare den Ölpreis in die Höhe treiben und die globalen Märkte erschüttern könnten.
Die Ölpreise schnellten am Wochenende in die Höhe und sprangen wieder über 120 US-Dollar, als Berichte über massive Raketenangriffe der Ansarollah gegen Ölanlagen in Saudi-Arabien die Sorge über Versorgungsengpässe erneut auslösten.
Die Huthi-Angriffe haben den Charakter von Vergeltungsangriffen und sind Reaktionen auf saudische Luftangriffe gegen Infrastrukturen und Zivilisten im bettelarmen Jemen. Die saudisch geführte Kriegskoalition im Jemen begann im März 2015 ihre Militäroperation mit dem grünen Licht vonseiten des Westens und hat bislang eine der schwersten humanitären Katastrophen der Welt laut UN-Berichte herbeigeführt.
Die Huthis haben seit einiger Zeit ihre Vergeltungsangriffe auf Ölfördereinrichtungen in Saudi-Arabien und die VAE intensiviert. Mittlerweile nahm der Jemen-Konflikt im Zuge des Ukraine-Krieges eine globale Dimension an, da der Westen auf eine erhöhte Ölförderung aus den Golfstaaten drängt, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern. Die westlichen Staaten, die ihre Leitungen zu Russland kappen, müssen neue Quellen erschließen, um die rasant steigenden Ölpreise einzudämmen. Saudi-Arabien ist einer der größten Öllieferanten der Welt.
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate fühlen sich von den USA im Stich gelassen, da sie mehr Unterstützung für ihre Interventionen im Jemen-Konflikt vom Westen erwartet hätten. Beide Golfstaaten hatten sich vor Kurzem geweigert, mit US-Präsident Biden zu telefonieren. Der britische Premierminister Boris Johnson reiste deswegen Mitte März in die Golfsaaten, um sie dazu zu bewegen, die Ölförderungen hochzufahren. Er beendete seine Reise nach Riad und Abu Dhabi aber mit leeren Händen. Auch Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, der inmitten des Ukraine-Krieges seine Rolle vom Klima-Aktivisten zum Beschaffer fossiler Energie ausgetauscht hat, kehrte nach seinem Treffen mit Katars Energieminister Saad al-Kaabi in Doha mit leeren Hände nach Deutschland zurück. Die Gas-Abhängigkeit von Russland zu verringern, könne Jahre dauern, denn es brauche Zeit, um Alternativen zu planen, sagte er der FAZ.
Die Huthi-Angriffe sollen in erster Linie dem Eindruck entgegenwirken, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sicher seien. Die Formel 1 wird nach der jüngsten Attacke auf Dschidda nun die grundsätzliche Lage in Saudi-Arabien erneut erörtern. In der Hauptstadt Abu Dhabi hatte bereits die Führung des Landes sehr empfindlich auf den Raketen- und Drohnenangriffe der Huthis reagiert. Ein Huthi-Militärsprecher forderte kürzlich ausländische Unternehmen und Investoren explizit auf, die Emirate zu verlassen. Für die Emirate, die sich als Urlaubs- und Austragungsort für Großveranstaltungen etabliert haben, wäre der Reputationsschaden immens.
Die USA hatten bereits vergeblich von den arabischen OPEC-Ländern gefordert, ihre Produktion angesichts des Ukraine-Krieges zu erhöhen. Bislang sind die Emirate und Saudi-Arabien der Bitte nicht nachgekommen. Die arabischen Staaten am Persischen Golf wollen sich an die Förderquoten der von der OPEC+ gelisteten Ölproduzenten halten. Diesem Kreis gehört auch Russland an. Inmitten des Ukraine-Kriegs erschweren nun indirekt die Huthi-Angriffe auf Aramco die Umsetzung des Ölembargos des Westens gegen Russland. Die Attacken würden den Westen dazu bewegen, mehr Zugeständnisse an Iran zu machen, um durch mögliche Rettung des Atomdeals 2015 mehr Öl zur Senkung der Ölpreise pumpen zu können.
Mehr zum Thema - Saudi-Arabien und Emirate lehnten Gespräche mit Biden über Erhöhung der Ölproduktion ab