Der ultrarechte Knesset-Abgeordnete Itamar Ben-Gvir von der Partei Otzma Jehudit ("Jüdische Stärke") eröffnete in einem erneuten provokativen Schritt am Sonntag sein provisorisches Büro im umkämpften Stadtteil Scheich Dscharrah. Im letzten Jahr hatte er Spannungen in besetzten Ostjerusalem angeheizt, als er ein Wahlkampfbüro in dieser Stadtteil errichtete. Nach einer Reihe weiterer Eskalationsschritte kam es wenige Tage später zu einem Krieg im Mai 2021 zwischen Israel und der Hamas.
Nach dem jüngsten Schritt verkündete Ben-Gvir: "Wir sind die Hausherren." Man müsse "auf Terror mit Terror antworten". Der ultrarechte Knesset-Abgeordnete eröffnete zum zweiten Mal sein Büro in Scheich Dscharrah, nachdem das Haus einer jüdischen Siedlerfamilie am Freitagabend gebrannt hatte. Es wird spekuliert, dass Brandstiftung durch Palästinenser die Ursache des Feuers sei.
Die Lage in Scheich Dscharrah eskalierte am Sonntag, nachdem sich rechtsradikale israelische Siedler in der Gegend versammelt hatten. Es kam zu Ausschreitungen zwischen ihnen und Palästinensern, unter anderem bewarfen beide Seiten einander mit Steinen. Es gab Berichten zufolge mehrere Verletzte und Sachschäden. Israelische Sicherheitskräfte versuchten nach palästinischen Angaben gestern Abend, in ein palästinisches Haus in Scheich Dscharrah einzudringen. Auf Videos vom Sonntag war auch zu sehen, wie Israelis und Palästinenser vor Ben-Gvirs Büro in Scheich Dscharrah mit Stühlen aufeinander einschlagen.
Die Palästinensische Autonomiebehörde im israelisch besetzten Westjordanland verurteilte die Eröffnung des Büros Ben-Gvirs als "provokanten und eskalierenden Schritt", der nur schwer kontrollierbare Gewalt auszulösen drohe. Das palästinensische Außenministerium in Ramallah erklärte, die internationale Gemeinschaft und der UN-Sicherheitsrate hätten es versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Israel zu zwingen, seine Besatzung Jerusalems einzustellen. Dies ermutige die "Besatzungsmacht", ihr "koloniales Projekt" in der Heiligen Stadt voranzutreiben.
Auch die Hamas schaltete sich in den eskalierenden Konflikt ein und rief alle Palästinenser dazu auf, sich am Kampf im besetzten Westjordanland zu beteiligen. Die Organisation drohte mit Konsequenzen wegen der anhaltenden Angriffe Israels auf Scheich Dscharrah. Der Sprecher der Hamas Mohammad Hamadeh warnte, die Aggressionen der Siedler und Ben-Gvirs seien ein Spiel mit dem Feuer.
Die EU-Vertretung in den Palästinensergebieten erklärte auf Twitter, dass "unverantwortliche Provokationen und andere eskalierende Handlungen in diesem sensiblen Gebiet die Spannungen nur weiter anheizen und gestoppt werden müssen".
Mehr als 200.000 jüdische Siedler leben im besetzten Ostjerusalem in Gemeinschaften, die nach internationalem Recht als illegal gelten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf Israel in ihrem neuen Bericht im Umgang mit den Palästinensern kürzlich das Verbrechen der Apartheid vor. Israel schuf nach Ansicht von Amnesty International ein System der Unterdrückung und Herrschaft über die Palästinenser, das internationalen Definitionen von Apartheid entspricht.
Mehr zum Thema - Lage im Westjordanland droht zu eskalieren: Warum reiste Palästinenserpräsident Abbas nach Tel Aviv?