Ausweitung der Überwachung im Westjordanland: Israelische Soldaten nutzen App zur Gesichtserkennung

Israelische Soldaten machen im Westjordanland Fotos von Anwohnern, um diese in eine Gesichtserkennungssoftware einzuspeisen und Verdächtige zu identifizieren. Zwischen den Soldaten entstand ein regelrechter Wettbewerb. Die Betroffenen fühlen sich rund um die Uhr verfolgt.

Zum Schutz der israelischen Bevölkerung vor Terrorangriffen bedient sich der israelische Staat der Hightech-Überwachung. Ein Recht auf Privatsphäre haben die Überwachungsziele nicht. Besonders in der Stadt Hebron im Westjordanland bedient man sich der technischen Möglichkeiten.

Am Montag veröffentlichte die Washington Post hierzu einen investigativen Bericht. Rund zwei Jahre lang hätten israelische Soldaten, heißt es darin, Smartphone-Technologie zur Gesichtserkennung im Westjordanland genutzt. Die dabei eingesetzte App ist unter dem Namen "Blue Wolf" bekannt. Ein ehemaliger israelischer Soldat sagte der Post, es handele sich im Jargon der Armee um das geheime "Facebook der Palästinenser".

Die Fotos werden dabei mit einer Datenbank anderer Fotos abgeglichen. Die App informiert den Soldaten dann, ob aufgrund früherer Informationen ein Verdacht gegen die Person besteht und sie festgenommen werden sollte. Zwischen den Soldaten sei ein regelrechter Wettbewerb entstanden, wer mehr Bilder von Palästinensern aufnimmt. Selbst Kinder und alte Menschen wurden abfotografiert.

Der Bericht enthielt auch einen Hinweis auf eine Reihe von Überwachungskameras, die an Kontrollpunkten in Hebron installiert sind. Ein Soldat gab an, dass auch Palästinenser in ihren Häusern überwacht würden. Hierbei kommt die App White Wolf zum Einsatz. Damit werden palästinensische Bürger überprüft, bevor sie in die Siedlungsgebiete zum Arbeiten dürfen.

An Kontrollpunkten sind zudem Kameras installiert, um die Gesichter zu scannen, noch bevor die Personen ihre Ausweise vorzeigen können. Palästinensische Bewohner fühlen sich unter ständiger Beobachtung. Ein Anwohner erklärte der Zeitung, seine Kinder spielten wegen der Kameras nicht mehr auf der Straße, und Verwandte und Freunde kämen ungern zu Besuch. Als seine Tochter einen Löffel aus dem Fenster fallen ließ, seien kurz darauf wie aus dem Nichts Soldaten aufgetaucht und behaupteten, jemand werfe mit Steinen.

Der Fall um sechs Aktivisten, denen Terrorismus vorgeworfen wird, wirft ein weiteres Licht auf die Überwachungsmöglichkeiten. Die Mobiltelefone sechs palästinensischer Menschenrechtsaktivisten, denen vorgeworfen wird, Teil terroristischer Gruppen zu sein, wurden jüngst durch "Pegasus" gehackt, eine NSO-Spionagesoftware. UN-Menschenrechtsexperten sprechen von einem "Frontalangriff" auf palästinensische Menschenrechtsbemühungen.

Die Biden-Regierung reagierte und setzte NSO auf die schwarze Liste. Damit soll der israelischen Firma der Erwerb von US-Technologie erschwert werden. Das Unternehmen selbst verwies darauf, dass es seine Dienste lizenziere. Wer die Kunden sind, darüber könne sie keine Auskünfte geben.

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