Christliche Partei "Libanesische Kräfte" soll für Feuergefechte in Beirut verantwortlich sein

Die "Libanesischen Kräfte" unter der Führung von Samir Geagea sollen am Donnerstag die blutige Schießerei in Beirut begonnen haben. Sie hätten Scharfschützen eingesetzt, die von umliegenden Gebäuden im Stadtteil Tayouneh auf die Demonstranten vor dem Justizpalast schossen. Die schiitische Hisbollah hatten zu Protesten aufgerufen, die sich gegen Tarek Bitar richteten. Dieser leitet derzeit die Untersuchungen im Fall der Explosionskatastrophe im Beiruter Hafen.

Bei einem Treffen auf höchster Ebene im libanesischen Innenministerium ist man zu dem Schluss gekommen, dass die rechtsorientierte Partei FL (Forces Libanaises, "Libanesische Kräfte") unter der Führung von Samir Geagea am Donnerstag in Beirut mit der Schießerei begonnen habe. Das berichtete Press TV am Freitag.

Der Streit um die schleppende Aufarbeitung der Explosionskatastrophe im Beiruter Hafen war am 14. Oktober auf tödliche Weise eskaliert. Bei heftigen Feuergefechten während Protesten gegen den Ermittlungsrichter Tarek Bitar wurden mindestens sechs Menschen getötet. Die Gewalt brach den Berichten zufolge aus, als unbekannte Scharfschützen aus einem Gebäude in einem überwiegend von Christen bewohnten Stadtviertel auf die Menge schossen. Vor dem Justizpalast war ein Protest der schiitischen Amal-Bewegung gegen den Ermittlungsrichter Bitar organisiert worden. Nach dem Schusswechsel zwischen den muslimischen Schiiten und den Christen kam die Armee zum Einsatz, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.  

Nach dem Vorfall gab die libanesische Armee eine Erklärung ab, in der es hieß: "Auf die Demonstranten, die in den Stadtteil Adliyeh zogen, wurde im Viertel Tayouneh von den umliegenden Gebäuden aus geschossen." Laut Press TV stellten Beobachter jedoch einige Widersprüche zwischen der ersten Armee-Erklärung und einer späteren zweiten Erklärung fest, die nach einem Treffen mit Victoria Nuland, der Staatssekretärin des US-Außenministeriums, abgegeben wurde. Sie war an diesem Tag in Beirut zu Gast. In der zweiten Erklärung der Armee heißt es, als die Demonstranten zu dem Ort ihres Protestes in den Stadtteil Adliyeh gezogen seien, habe es einen Streit und Feuergefechte gegeben, wobei einige Bürger getötet und andere verletzt wurden. Nuland verkündete auf Twitter, dass die USA der libanesischen Armee zusätzliche Sicherheitshilfen in Höhe von 67 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen wollten.

Al Jazeera zufolge sollen die Anstifter der blutigen Schießerei im Beiruter Stadtteil Tayouneh identifiziert worden sein. Bislang seien mindestens neun Menschen wegen des Vorfalls festgenommen worden – darunter auch ein Syrer. Laut der Plattform The Cradle soll kurz nach der Schießerei eine bewaffnete Zelle der rechten Miliz FL verhaftet worden sein.

Die Hisbollah machte die christlich-maronitische FL bereits für die heftige Schießerei in Beirut verantwortlich. Deren Anführer, Samir Geagea, verurteilte die Zusammenstöße vom Donnerstag, reagierte jedoch nicht auf die Anschuldigungen der Hisbollah. "Der Hauptgrund für diese Vorfälle sind lose und weit verbreitete Waffen, die überall und jederzeit eine Bedrohung für die Bürger darstellen", sagte Geagea in einer Erklärung.

Noch immer liegen die Hintergründe der Explosion im Hafen von Beirut 2020 weitgehend im Dunkeln. Damals waren bis zu 257 Tonnen hochexplosiven Ammoniumnitrats detoniert, die über Jahre ungesichert im Hafen lagerten. Zuletzt hatte FL-Chef Geagea, ein erbitterter Feind der Hisbollah, erklärt, der Widerstand der Schiitenorganisation lasse ihn daran zweifeln, dass sie wirklich nichts mit der Sache zu tun habe. Geagea verlangte, der neue Premier Mikati müsse dem Druck standhalten und die Justiz ihre Arbeit machen lassen.

Anhänger und Vertreter beider Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld an der Explosionskatastrophe. Geageas Anhänger hatten bereits angedeutet, dass sie im Notfall Gewalt anwenden würden. Die christliche Miliz FL mobilisierten am Mittwochabend ihre Anhänger, nachdem Hisbollah und Amal zu Protesten vor dem Justizpalast in einem christlichen Viertel aufgerufen hatten. Der Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte am 11. Oktober gefordert, Bitar durch einen "ehrlichen" Richter zu ersetzen. Die Hisbollah wirft dem derzeitigen Ermittlungsrichter "Parteilichkeit" vor.

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