Beim Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin stand am Mittwoch unter anderem das Thema Naher Osten auf der Tagesordnung. Dabei diskutierten die beiden Staatschefs heikle Themen wie Hilfslieferungen in Syrien und das Atomabkommen mit Iran.
Es bestehe "die dringende Notwendigkeit, die humanitären Korridore in Syrien beizubehalten und wieder zu öffnen", sagte Biden während einer Pressekonferenz in Genf, die auf sein erstes persönliches Treffen mit seinem russischen Amtskollegen seit seinem Amtsantritt folgte.
Am 10. Juli läuft eine Resolution des UN-Sicherheitsrates aus, die "humanitäre Hilfe" von der Türkei in die nordwestsyrische Provinz Idlib über Bab al-Hawa fließen lässt. Bab al-Hawa ist der letzte der ursprünglich vielen Grenzübergänge, über die "Hilfslieferungen" in Gebiete im Norden Syriens gebracht worden sind, die nicht vom syrischen Staat kontrolliert werden. Syrien und Russland wollen sie ersatzlos auslaufen lassen, da sie die Souveränität des syrischen Staates offensichtlich verletzt. Drei andere Grenzübergänge, über die die syrische Regierung ebenfalls keine Kontrolle hatte, wurden bereits geschlossen.
Die USA forderten den Sicherheitsrat, insbesondere Russland, dazu auf, die Genehmigung für den Grenzübergang Bab al-Hawa an der türkischen Grenze zu erneuern und zudem die zwei weiteren Grenzposten im von Rebellen besetzten Nordwesten und von Kurden besetzten Nordosten Syriens wieder zu öffnen.
Moskau argumentiert, dass der grenzüberschreitende Hilfsmechanismus der UNO die Souveränität Syriens verletze, und seine Diplomaten signalisierten bereits, dass sie Russlands Vetorecht nutzen werden, um die Erneuerung der Resolution zu blockieren.
Nach mehr als einem Jahrzehnt des Krieges ist die Provinz Idlib die letzte Hochburg der dschihadistischen Milizen, die großteils von Haiʾat Tahrir asch-Scham, einem radikal-islamistischen Bündnis verschiedener Milizen, kontrolliert wird. Über den Grenzübergang Bab al-Hawa wurden in letzter Zeit mehrfach syrische Ressourcen illegal ins Ausland geschmuggelt.
2014 hatte der UN-Sicherheitsrat beschlossen, vier Grenzposten nach Nordwestsyrien zu öffnen, um die Menschen mit dem Nötigsten versorgen zu können. Russland argumentiert jedoch, dass die Lieferungen nun über die Regierung in Damaskus abgewickelt werden könnten.
Einige Nahost-Experten spekulieren, dass Russland versuchen werde, die grenzüberschreitende Hilfe als ein Mittel für die Erleichterung von Sanktionen gegen Syrien oder die Unterstützung des Wiederaufbaus des Landes zu nutzen, berichtet Al-Monitor. Da Syrien auf der russischen Agenda für den bilateralen Gipfel am Mittwoch einen hohen Stellenwert einnahm, beteiligte sich auch der Syrien-Gesandte des Landes, Alexander Lawrentjew, an den Gesprächen in Genf.
Auch der Atomdeal mit Iran stand bei den bilateralen Gesprächen am Mittwoch auf der Tagesordnung. Die Rückkehr der USA zum Atomabkommen sei im Interesse Russlands, betonte Biden auf der Pressekonferenz in Genf. "Moskau will auf keinen Fall, dass Iran die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe erhält", fügte er hinzu.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump brach mit dem Versprechen der USA, Iran im Gegenzug für die Einhegung des Nuklearprogramms wirtschaftlich wieder an die Welt anzuschließen, und stieg 2018 einseitig aus dem Atomdeal aus. Die US-Regierung will, dass in der neuen Vereinbarung über den Atomdeal mit Iran auch die Raketenfähigkeiten und die regionale Rolle des Landes berücksichtigt werden. Von russischer Seite geht es nur darum, dass beide Seiten – nämlich die USA und Iran – zu ihren Verpflichtungen aus dem Atomdeal zurückkehren.
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