Der arabische Sender Al Jazeera strahlte die Audioaufnahme einer nicht identifizierten Person aus, die vorgab, ein israelischer Soldat zu sein, der von dem militärischen Arm der Hamas, den Kassam-Brigaden, gefangen genommen worden war. In der Tonaufnahme, die am Sonntag auf Al Jazeera Arabic abgespielt wurde, sagte die Person:
"Ich bin ein israelischer Soldat, der in Gefangenschaft der Kassam-Brigaden ist. Ich hoffe, dass der Staat Israel noch existiert. Ich frage mich, ob die Führer des Landes über ihre gefangenen Soldaten nachdenken und sich darum bemühen, sie freizubekommen. Ich sterbe jeden Tag aufs Neue. Ich hoffe, bald im Schoß meiner Familie zu sein."
Es war das erste Mal, dass die Kassam-Brigaden eine solche Aufzeichnung öffentlich gemacht haben. Die Hamas veröffentlichte zugleich Filmmaterial eines israelischen Soldaten namens Gilad Schalit, der 2006 von Hamas-Mitgliedern in Israel entführt und anschließend an einen unbekannten Ort im Gazastreifen gebracht worden war, wo er über fünf Jahre verbracht hatte, bis er am 18. Oktober 2011 im Rahmen eines Gefangenenaustausches freigelassen wurde. Die Videoaufnahmen zeigen den jungen Soldaten Schalit bei täglichen Handlungen, sportlichen Übungen, körperlicher Hygiene sowie beim Essen.
Die Hamas habe "ein Druckmittel", um "einen respektablen Gefangenenaustausch" abzuschließen. Die israelische Gefangenen seien dabei das Wichtigste, "was nun auf dem Tisch liegt", sagte Marwan Issa, der stellvertretende Kommandeur der Kassam-Brigaden, in einem Interview mit Al Jazeera. Durch die Gefangennahme Schalits gelang es der Hamas seinerzeit, mehr als 1.027 palästinensische Gefangene freizubekommen.
Issa sagte Al Jazeera, dass nach der Gefangennahme Schalits eine Reihe von Vermittlern der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und Ägyptens Kontakt mit Hamas-Funktionären aufgenommen hätten, um Schalit freizubekommen. "Wir haben ihn von Ort zu Ort gebracht, um seinen Aufenthaltsort geheim zu halten. Die PA und Ägypten haben versucht, die Affäre friedlich zu lösen", sagte Issa.
Israel habe mehr als einmal versucht, hochrangige Hamas-Persönlichkeiten, darunter Ahmed Dschabari, zu entführen, um Informationen über Schalit zu bekommen. Es habe dabei auch große Geldsummen angeboten, aber alle israelische Versuche seien gescheitert, erklärte Issa.
Die Hamas hat nach eigenen Angaben zwei israelische Soldaten – Hadar Goldin und Oron Schaul – festgehalten, die während des Krieges 2014 gefangen genommen worden waren, und auch zwei ehemalige Soldaten – Hischam al-Sayed und Avera Mengistu –, die Berichten zufolge unter unklaren Bedingungen in den Gazastreifen eingereist waren. Seit ihrer Gefangennahme hat die Hamas das Schicksal der vier Israelis nicht bekannt gegeben, aber Israel behauptet, dass zwei Soldaten während des Krieges getötet worden seien und die Hamas nur zwei Personen gefangen genommen habe.
Nach der Veröffentlichung der Tonaufnahme sagten einige israelische Kommentatoren, der Mann, der in der Aufnahme zu hören war, sei Mengistu, ein israelischer Gefangener äthiopischer Herkunft. Der israelische Nachrichtensender Channel 12 berichtete auch, dass israelische Beamte versuchten herauszufinden, ob es sich tatsächlich um Mengistu handelte. Die Jerusalem Post berichtete zugleich, Mengistus Mutter glaube, dass die Stimme, die in der Audioaufnahme zu hören war, nicht die ihres Sohnes sei.
Tel Aviv hatte im Rahmen des jüngsten elftägigen Kriegs gegen die Hamas im Mai eine mögliche Bodenoffensive in Gaza in Aussicht gestellt. Die Operation kam jedoch nicht zustande, da bei einem möglichen Einmarsch im Gazastreifen die Gefahr bestanden hätte, dass mehrere israelische Soldaten in Gefangenschaft der Hamas geraten.
Das israelische Militär versuchte seit Beginn der jüngsten Eskalation zwischen der Hamas und der israelischen Armee laut Medienberichten mindestens zweimal, den militärischen Befehlshaber der Hamas Mohammed Deif zu töten. Obwohl nicht bekannt ist, wann die Operationen durchgeführt wurden, soll Deif in beiden Fällen in letzter Minute entkommen sein. Im Al-Jazeera-Interview enthüllte Issa, dass Deif bei einem israelischen Angriff verletzt worden sei.
Im August 2014 waren während des letzten Gaza-Kriegs bei einem Luftangriff Israels im Gazastreifen die Frau des Hamas-Befehlshabers Deif sowie zwei seiner Kinder ums Leben gekommen. Die Hamas verkündete direkt anschließend, Deif habe überlebt. Zuletzt war Deif erstmals seit Langem wieder öffentlich aktiv geworden und hatte Israel im Rahmen des Konflikts um die Zwangsräumung von Palästinensern im Ostjerusalem gedroht. Nach israelischen Medienberichten soll Deif bei Angriffen Israels in der Vergangenheit bereits ein Auge, einen Arm und beide Beine verloren haben. Sein Stellvertreter Issa war im Rahmen der letzten Militäroperation "Hüter der Mauern" selbst zum Ziel eines gezielten Luftangriffs der israelischen Armee geworden. Er konnte sich jedoch rechtzeitig aus seinem bombardierten Haus retten.
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