In der Nacht auf Mittwoch spitzte sich der Konflikt zwischen Israel und Palästina zu. Aus dem Gazastreifen feuerten Palästinenser noch mehr Raketen Richtung Tel Aviv. Bei den bisher schwersten Raketenangriffen auf Israels Küstenmetropole Tel Aviv seit Beginn des Nahostkonflikts sollen mindestens drei Menschen getötet worden sein. In Tel Aviv und in umliegenden Städten heulten die Alarmsirenen, am internationalen Flughafen von Tel Aviv wurde der Flugverkehr vorübergehend eingestellt.
Der Militärflügel der Hamas-Bewegung, die al-Quds-Brigaden, gab bekannt, dass am frühen Mittwoch mindestens 100 Raketen auf die Städte Tel Aviv, Aschkelon, Be'er Scheva und Sderot abgefeuert worden seien, berichtete Press TV.
Die Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden teilten am Mittwoch in einer Erklärung mit, dass "110 Raketen auf die Stadt Tel Aviv und 100 weitere auf die Stadt Be'er Scheva als Vergeltung für die erneuten Luftangriffe gegen zivile Häuser im Gazastreifen abgefeuert wurden".
Israels Luftwaffe reagierte nach eigenen Angaben mit dem umfangreichsten Bombardement des Gazastreifens seit dem Gaza-Krieg von 2014. Palästinensische Quellen sprachen von Dutzenden Toten in dem belagerten Küstengebiet. Ein Sprecher der Hamas-Bewegung teilte mit, alle Polizeigebäude im Gazastreifen seien bei israelischen Luftangriffen zerstört worden. Im Westen von Gaza-Stadt waren Dutzende laute Explosionen zu hören. Gaza steht seit Mittwochabend massiv unter Raketenbeschuss der israelischen Luftwaffe.
Das israelische Militär teilte am Mittwoch mit, zwei hochrangige Hamas-Geheimdienstbeamte bei Luftangriffen in Gaza "neutralisiert" zu haben, da nach eigenen Angaben zwei arabische Israelis, eine Frau und ein Kind durch palästinensisches Raketenfeuer getötet wurden. Press TV berichtete zugleich, dass Israel am Mittwoch die Bombardierung des Gazastreifens fortgesetzt und zwei Hamas-Kommandeure sowie drei Kinder getötet habe.
Die israelische Armee prahlte am frühen Mittwochmorgen in einem Tweet mit den gezielten Angriffen, die sie zusammen mit der Israelischen Sicherheitsagentur (ISA) durchführte. Palästinensische Quellen identifizierten die beiden Kommandeure als Hassan al-Kaogi (Abu Ali) und Wail Issa (Abu Ahmad).
Der Leiter des politischen Büros der palästinensischen Bewegung Hamas warnte Israel am Mittwoch vor eskalierenden Spannungen im belagerten Gazastreifen und erklärte, die "Widerstandsfront" sei für jedes Szenario bereit und bleibe "bei der Bekämpfung von Verbrechen des Besatzungsregimes standhaft".
Als Reaktion auf Zwangsräumungen der Palästinenser in Ostjerusalem kam es Dienstagnacht in der israelischen Stadt Lod bei Tel Aviv, in der Israelis und Palästinenser gemeinsam leben, zu schweren Ausschreitungen. Der Bürgermeister nahm sogar das Wort "Bürgerkrieg" in den Mund. Die Behörden verhängten daraufhin den Ausnahmezustand über die Stadt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe dafür grünes Licht gegeben, gab sein Büro bekannt.
Bei den Ausschreitungen in Lod sollen laut Medienberichten auch Synagogen in Brand gesetzt worden sein. Geschäfte und etliche Fahrzeuge gingen demnach ebenso in Flammen auf. Außerdem soll ein 25-jähriger Araber durch Schüsse tödlich verletzt worden sein. Ein 34-Jähriger wurde daraufhin festgenommen. Es soll sich bei dem Tatverdächtigen um einen jüdischen Einwohner der Stadt handeln.
Bis Montag glaubten israelische Verteidigungsbeamte, die Hamas habe nicht die Absicht, in eine weitere Runde der Kämpfe mit Israel einzutreten, berichtete Haaretz. Hochrangige Verteidigungsbeamte hätten sich mutmaßlich besorgt über die Auswirkungen vom Aufmarsch der Juden am Zugang zur Altstadt von Jerusalem und auf den Tempelberg geäußert. Sie hätten jedoch nicht mit einem groß angelegten Raketenangriff auf Israel durch die Hamas gerechnet.
Ein Ausbruch der Gewalt in Israel und Gaza steuert auf einen "umfassenden Krieg" zu, warnte ein hochrangiger UN-Gesandter. Die Staats- und Regierungschefs auf allen Seiten müssten die Verantwortung für die Deeskalation übernehmen. Die Kosten des Krieges in Gaza seien verheerend und würden von den einfachen Menschen bezahlt.
Die Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf diplomatische Quellen, der UN-Sicherheitsrat werde am Mittwoch zusammenkommen, um den Konflikt zwischen Israel und Palästina zu besprechen. Die USA, ein enger Verbündeter Israels, sollen jedoch mit einer klaren Erklärung gezögert haben, in der sie die Gewalt verurteilten und zur Ruhe in der Region mahnten. Das 15-köpfige Gremium trat am Montag bei einer ersten Sitzung zusammen. Washington lehnte es Berichten zufolge jedoch ab, einen von Norwegen vorgeschlagenen Entwurf einer Erklärung "zu diesem Zeitpunkt" anzunehmen.
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