Lawrow in Teheran: Russland will Atomabkommen mit Iran retten

In Wien laufen die Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit Iran. Russland zählt zu den Ländern, die den Atomdeal retten wollen. Am Dienstag reiste der russische Außenminister Sergei Lawrow für Gespräche nach Teheran.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow ist am Dienstag in Teheran eingetroffen. Bei Gesprächen mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif und später auch mit Präsident Hassan Rohani geht es unter anderem um die Bemühungen zur Rettung des Wiener Atomabkommens mit Iran. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte der russische Außenminister in einem Interview der Nachrichtenagentur IRNA gesagt, dass Moskau Teheran und Washington dabei helfen wolle, die richtige Lösung für eine Rückkehr zur Einhaltung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA) zu finden.

Dem russischen Chefdiplomaten zufolge lehnen Moskau und Teheran die aktuelle Sanktionspolitik der USA auf Länder ab, die eine unabhängige Außen- und Innenpolitik betreiben. Diese Politik des maximalen Drucks bestehe aus einer Reihe von Instrumenten wie finanziellen Sanktionen und Visabeschränkungen bis hin zu Desinformationskampagnen und direkten gewaltsamen Interventionen. Lawrow wörtlich:

"Wir stehen in der Tat vor dem Rückfall in ein neokoloniales Denken in der Außenpolitik, was unter anderem die Aufteilung der Welt in 'auserwählte' und alle anderen Länder impliziert. Während Erstere a priori für all ihre Aktivitäten einen Freispruch erhalten, wird von den Letzteren erwartet, dass sie den Anweisungen Washingtons folgen."

Dies sei sowohl für Russland als auch für Iran und die meisten Länder der Welt inakzeptabel. Der russische Außenminister plädierte für eine Gestaltung einer gerechteren, demokratischeren und damit multipolaren Weltordnung. Washingtons Politik zur Aufrechterhaltung seiner globalen Dominanz sei absolut kontraproduktiv.

Außerdem trat Lawrow gegen die Einführung neuer EU-Sanktionen gegen Iran wegen angeblicher Verletzungen der Menschenrechte ein:

"Wenn diese Entscheidung absichtlich getroffen wurde, während in Wien die Verhandlungen zur Rettung des JCPOA fortgesetzt werden, ist dies kein Problem, sondern bereits ein Fehler, der, wie Sie wissen, schlimmer als ein Verbrechen ist."

Am 12. April hatte der EU-Rat angekündigt, dass die Sanktionen gegen Iran wegen vermeintlicher Menschenrechtsverletzungen verlängert werden. Außerdem wurden neuen Sanktionen gegen weitere acht Personen und drei iranische Unternehmen im Zusammenhang mit gewaltsamen Auflösungen von Demonstrationen in Iran im Jahr 2019 verhängt.

Der Cyberangriff auf die Atomanlage Natanz in Zentraliran kam während der Gespräche am Dienstag ebenfalls zur Sprache. Teheran sprach von einem Terrorakt, für den es Israel verantwortlich machte. Nach Angaben der Zeitung The Jerusalem Post könnte der israelische Geheimdienst Mossad hinter dem Angriff stehen. Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bedankte sich bei Moskau für die Bereitschaft, den Vorfall in Natanz zu verurteilen. Laut der Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa verdient der Angriff auf die iranische Atomanlage eine starke Verurteilung, falls sich die Informationen über böswillige Handlungen, die den Vorfall verursacht haben, bestätigen.

Lawrow zufolge ist die Entwicklung der Beziehungen mit Iran eine der Prioritäten der russischen Außenpolitik.

"Russland und Iran haben sich verpflichtet, die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit gegenseitig zu respektieren und sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Gegenseite einzumischen."

Der russische Außenminister unterstrich, dass Moskau und Teheran bei der Umsetzung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans zusammenarbeiten. Außerdem wollen sich Russland und Iran im Rahmen des Astana-Formats um die Lösung des Konflikts in Syrien bemühen.

Am 14. Juli 2015 wurde die Wiener Nuklearvereinbarung zwischen Iran, den fünf UN-Vetomächten und Deutschland, das Iran eine friedliche Nutzung der Kernkraft gestattet, die Entwicklung von Atomwaffen aber verwehrt, nach mehreren Verhandlungsjahren unterzeichnet. Als Entgegenkommen sah der sogenannte Atomdeal den Abbau westlicher Wirtschaftssanktionen vor. Im Jahr 2018 stieg der damalige US-Präsident Donald Trump aus dem Abkommen einseitig aus. Als Reaktion auf neue US-Sanktionen begann Iran ein Jahr später, vereinbarte Obergrenzen bei der Anreicherung von Uran zu überschreiten. Teheran hält an der Position fest, dass vor einer Wiederbelebung des Atomabkommens alle seit dem Jahr 2017 verhängten US-Sanktionen aufgehoben werden müssen.

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