Es wird gerade viel über eine Rückkehr zum Atomabkommen gesprochen und wer den ersten Schritt machen wird, Iran oder die USA. Was denken Sie darüber, was im Moment vor sich geht, und kann Iran direkten Gesprächen mit Washington zustimmen oder wird man über Vermittler verhandeln?
Es ist zu spät, die Frage nach dem ersten Schritt zu stellen, denn Iran hat bereits alle notwendigen Schritte unternommen. Wir sind viele Verpflichtungen eingegangen, haben zugestimmt, unsere atomwissenschaftliche Forschung einzuschränken, damit die andere Seite uns vertrauen und die Sanktionen aufheben kann. Sie haben ihre Verpflichtungen jedoch schon vor langer Zeit gebrochen. Zunächst reagierte Iran auf Anraten befreundeter Länder nicht auf diese Verstöße, dann begannen wir aber Schritt für Schritt, unsere Verpflichtungen zu reduzieren und Signale an die andere Seite zu senden. Wir forderten sie auf, zu ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen zurückzukehren. Leider hat der Austritt der USA aus dem Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan zum Verlust vieler Chancen geführt. Nun muss Washington gemäß parlamentarischem Recht zuerst die Sanktionen aufheben. Erst dann kann es wieder zu einer Partei des Abkommens werden. Und dafür sind keine Verhandlungen nötig, weder direkte noch durch Vermittler.
Irans Oberster Führer Ali Chamenei hat eine Fatwa erlassen, die die Produktion von Atomwaffen verbietet. Kann Iran diese Fatwa verletzen und den Weg zum Bau von Atomwaffen gehen, falls dies nötig ist?
Wir brauchen keine Atomwaffen. Das soll aber nicht heißen, dass wir ein schwacher Staat sind und keine Atomwaffen bauen können. Es geht um die Tatsache, dass Atomwaffen ein unsicheres und unkontrollierbares Energiesystem sind. Und sie sind hochgradig zerstörerisch. Iran kann Forschungsreaktoren wie den Teheran Research Reactor oder ähnliche Reaktoren mit einer Leistung von zehn oder zwanzig Megawatt bauen. Das Gleiche gilt für den Reaktor in Arak. Wir können sichere und handhabbare Reaktoren entwerfen, bauen und betreiben. Es genügt aber, sie der Überwachung und Kontrolle zu entziehen, um sie in einen Ort der Atomwaffenproduktion zu verwandeln. Müssen wir das tun? Sollen wir uns einem Energiesystem zuwenden, das nicht menschengerecht ist?
Schauen wir in die Geschichte. Wer hat in der Vergangenheit zu Massenmord und Zerstörung gegriffen? Es sind genau die Länder, die heute behaupten, dass wir nach Atomwaffen streben, die nicht wollten, dass in Iran die Revolution gewinnt und dass wir uns entfalten. Sie versuchten, die Medien und das Militär gegen uns aufzubringen und zwangen uns dann einen Krieg mit dem Irak auf. Wobei sie damit rechneten, dass zwei benachbarte muslimische Staaten in einem achtjährigen Krieg zerstört werden würden. Wir gewinnen, indem wir uns auf die Stärke unseres Volkes und unserer Ideologie verlassen, und wir haben keinen Bedarf an Atomwaffen. Unser Feind ist heute der zionistische Staat. Wir brauchen jedoch keine Atomwaffen, auch nicht im Falle einer möglichen Konfrontation mit Israel und im Kampf gegen den Zionismus. Dafür brauchen wir keine Atomwaffen, wir brauchen das Gewissen der muslimischen Nation und ihren Glauben an ihre Stärken.
In Iran rücken die Wahlen näher. Glauben Sie, dass es im Interesse des iranischen Volkes ist, die derzeitigen Spannungen mit den USA und dem Westen aufrechtzuerhalten, oder wäre es besser, Kompromisslösungen anzunehmen?
Ich denke, es ist besser, den Weg des Widerstands fortzusetzen. Denn wenn wir auch nur einen Schritt zurückgehen, wird die andere Seite gleich fünf Schritte vorwärts machen. Wir sollten die Produktion von Waren hochfahren und noch mehr Einigkeit in der Führung als bisher sicherstellen. Wir sollten so weit wie möglich autark sein und harmonischere Beziehungen zu befreundeten Ländern aufbauen, insbesondere zu unseren Nachbarländern in der Region, mit denen wir Waren austauschen können. In diesem Fall werden die USA nicht in der Lage sein, einen großen Einfluss auf unser Land auszuüben. Wir haben uns trotz der Sanktionen weiterentwickelt. Wir haben uns entwickelt und sind nicht eingeknickt.
In der Tat war die Situation schwierig, aber diese Schwierigkeiten erwiesen sich zu unserem Vorteil: Die Sanktionen hatten einen positiven Effekt, denn dank ihnen konnten wir die Produktion im Land steigern.
Iran hat Israel beschuldigt, den Atomwissenschaftler Mohsen Fachrisadeh getötet und die Atomanlage Natanz bombardiert zu haben. 2011 gab es einen Anschlag auf Sie, der dem israelischen Mossad angelastet wird. Warum antwortet Iran nicht auf diese Aktionen?
Woher wissen Sie, dass wir nicht geantwortet haben?
Zumindest haben wir in den Medien noch nichts darüber gehört.
Erstens, die Zionisten geben ihre Verfehlungen normalerweise nicht bekannt. Sie kontrollieren die Medien streng und sprechen nicht über die Hiebe, die sie manchmal einstecken müssen. Zweitens haben wir auf ihre Terroranschläge nicht auf symmetrische Weise reagiert. Unsere Antwort lag im wissenschaftlich-technischen Bereich und bestand darin, dass wir etwas für sie völlig Unerwünschtes implementierten. Wir waren in der Lage, die Art von Möglichkeiten zu schaffen, die sie uns die ganze Zeit verwehrt hatten. Nachdem ich das Attentat durch Israel überlebt hatte, vollendete ich das Projekt des Märtyrer-Atomwissenschaftlers Madschid Schahriari, Uran auf 20 Prozent anzureichern. Israel ist mit seinem Spiel gescheitert. Nach dem gescheiterten Attentat leitete ich die iranische Atomenergiebehörde. Die Zionisten haben nicht gedacht, dass unser Land einen solchen Willen zeigen würde. Sie wollten einen Menschen eliminieren, er überlebte jedoch und wurde sogar zum Leiter der Organisation für Atomenergie. Also gab Iran die Führung der Organisation der Person, die Israel töten wollte. Das ist unsere Trumpfkarte! Dies ist unsere angemessene Reaktion! Auf diese Weise hat die Islamische Republik adäquat reagiert. Ich habe wissenschaftliche Forschung betrieben, Israel wollte mich vernichten, und ich wurde Direktor der Organisation für Atomenergie und bewies meine Fähigkeit, sie zu führen. Danach waren wir in der Lage, in kurzer Zeit die Anzahl der Zentrifugen zu erhöhen, den Arak-Reaktor zu verbessern und Brennstoff zu produzieren. All dies geschah auf eine offene und transparente Weise unter der Aufsicht von IAEO-Inspektoren, die alles sahen und ihren Bericht über unsere Arbeit und unsere technischen und administrativen Kapazitäten vorlegten.
Wie beurteilen Sie die Position Russlands zum Atomabkommen?
Russland hat zum Zustandekommen dieses Atomabkommens beigetragen, gleichzeitig aber auch die Beziehungen zu drei europäischen Staaten und den USA aufrechterhalten. Es hat also auf der Grundlage seiner nationalen Interessen gehandelt, und das ist normal. Wir erwarten nicht, dass Russland um der Interessen Irans willen Positionen einnimmt, die gegen seine eigenen Interessen gerichtet sind. Russland wahrt seine Interessen als Großmacht in seinen Beziehungen zu Iran. Diese Beziehungen sind positiv und haben sich im Laufe der Jahre entwickelt. Ich fordere die iranische Führung auf, den Beziehungen mit Moskau mehr Aufmerksamkeit zu schenken als den Beziehungen mit dem Westen.
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