Demonstranten blockierten am fünften Tag der Proteste die Straßen in Beirut und anderen Teilen des Landes, indem sie Autoreifen und Möbelstücke in Brand setzten, als der geschäftsführende Premier Hassan Diab damit drohte, seinen Mandat niederzulegen. Mit diesem Vorhaben wollte Diab politische Funktionäre im Libanon zur Bildung einer neuen Regierung drängen. Das Land ist seit der Explosionskatastrophe im vergangenen Jahr ohne eine funktionierende Regierung.
Die erneuten Proteste am Samstag kamen inmitten des zunehmenden Unmuts über den Zusammenbruch der libanesischen Währung, die am Dienstag auf einen neuen Tiefstand von 10.000 Pfund gegenüber dem Dollar fiel. Das Land macht eine schwere Wirtschaftskrise durch.
Der Kurssturz der Währung führte zu einem starken Preisanstieg sowie zu Verzögerungen beim Eintreffen von Treibstofflieferungen, was längere Stromausfälle im ganzen Land in letzter Zeit auslöste. In einigen Gebieten dauerten die Stromausfälle mehr als zwölf Stunden am Tag.
Das auch als Lira bekannte Libanesische Pfund war im Zuge der starken Inflation nach dem Bürgerkrieg 1997 an den US-Dollar gekoppelt worden. Dieser fixe Wechselkurs liegt eigentlich bei etwa 1.500 Pfund für einen Dollar. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise und der anhaltenden Massenproteste hat die Währung aber seit Oktober immer weiter an Wert verloren.
In der libanesischen Hauptstadt forderte am Samstag eine kleine Gruppe von Demonstranten vor der Zentralbank den Zugang zu ihren Einlagen. Sie ging dann zum Parlamentsgebäude in der Innenstadt von Beirut, um ihre Frustration zum Ausdruck zu bringen. Etwa 50 Demonstranten verbrannten Reifen auf dem Märtyrerplatz. Wie Aljazeera berichtete, rief ein Demonstrant:
"Der Dollar beträgt 10.500 Pfund und jeder hat vier oder fünf Kinder, einschließlich seiner Eltern. Sie (korrupte Politiker) müssen uns ernähren."
Der Ministerpräsident und seine Regierung erklärten kurz nach der Explosion im August 2020 ihren Rücktritt und sind nur noch geschäftsführend im Amt. Dem mit der Regierungsbildung beauftragten Politiker Saad Hariri gelang es wegen interner Machtkämpfe bislang nicht, ein neues Kabinett zu bilden.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Libanon lebt in Armut. Eine Tendenz, die sich seit der Explosion im Hafen von Beirut weiter verstärkt hat. Bei der Explosion kamen mehr als 200 Menschen ums Leben. Die Krise im Libanon hat ebenfalls negative Folgen auf die Währung im benachbarten Syrien.
In einer Fernsehansprache am Samstag drohte Diab, seine geschäftsführenden Pflichten auszusetzen. Er warnte, dass das Land schnell auf Chaos zusteuere, wenn die Politiker ihre Differenzen nicht beiseite legen und eine neue Regierung bilden würden.
Mit der harten Sanktionierung von syrischen Institutionen und Einzelpersonen versuchen unter anderem die USA seit Monaten gezielt, die Zusammenarbeit zwischen Syrien und dessen Verbündeten beim Wiederaufbau des Landes zu verhindern. Das sogenannte "Caesar-Gesetz" betrifft Drittstaaten, die mit Syrien Handel treiben, insbesondere Libanon, und ohnehin unter der Wirtschaftskrise leiden. Seit der Explosion haben einige westliche Länder, darunter Frankreich, faktisch aufgrund ihrer unrealistischen Erwartungen die Bildung eines formellen Kabinetts verhindert, das unter anderem Verhandlungen über eine wirtschaftliche Unterstützung mit dem Internationalen Währungsinstitut aufnehmen wollte.
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