Begleitet von Hunderten von Demonstranten, die vor dem Gerichtsgebäude lautstark gegen ihn protestierten, ist am Montag in Jerusalem der Prozess gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu fortgesetzt worden. In dem Verfahren geht es um eine Anklage aus dem Jahr 2019, in der Netanjahu vorgeworfen wird, Geschenke von Freunden angenommen zu haben. Zudem soll die Regierung Medienmogulen im Gegenzug für eine wohlmeinende Berichterstattung regulatorische Gefallen zugesichert haben.
Der 71-Jährige erklärte sich für unschuldig. Er bestätigte vor dem Bezirksgericht am Montag eine zuvor von ihm abgegebene schriftliche Erklärung. Darin hatte er seine Unschuld beteuert. Bereits in der Vergangenheit hatte er die Vorwürfe gegen sich zurückgewiesen und das Verfahren als "Hexenjagd" bezeichnet. Der Polizei und der Staatsanwaltschaft hatte er vorgeworfen, die Anklage gegen ihn "fabriziert" zu haben.
Seit zwei Jahren hangelt sich Israel von einer Parlamentswahl zur anderen. Für 23. März ist bereits die vierte angesetzt. Ende Dezember 2020 war die Zusammenarbeit zwischen Netanjahus Likud-Partei und dem Bündnis Blau-Weiß von Benny Gantz zerbrochen. Der 71-Jährige strebt eine weitere Amtszeit an.
Netanjahu ist der erste amtierende israelische Ministerpräsident, der sich vor Gericht verantworten muss. Wie bereits mehrere israelische Medien berichtet hatten, soll seine Verteidigung auf eine Verschiebung des Prozesses um mindestens drei Monate gedrängt haben. Sein Parteifreund und Parlamentspräsident Yariv Levin soll die Anhörung am Tag zuvor als "eklatante Wahleinmischung" bezeichnet und laut Medienberichten eine Verschiebung der Beweisaufnahme bis nach dem Urnengang am 23. März gefordert haben.
In der israelischen Gratis-Tageszeitung Israel HaYom soll er demnach geschrieben haben, dass sich die Richter im Falle, dass der Prozess nicht verschoben wird, der "groben Einmischung in die Wahlen" schuldig machen und "ein Standgericht" gegen den Premierminister abhalten würden. Rund 45 Tage vor der Wahl ist es laut Levin nicht zulässig, eine Situation zuzulassen, in der nur die Zeugenaussagen der Anklage gehört würden.
Kritiker des Premiers hatten ihm in der Vergangenheit jedoch mehrmals vorgeworfen, durch endlose Anträge auf Aufschub durch seine Anwälte den Prozess in die Länge zu ziehen. Zudem sei das Land seit fast zwei Jahren ununterbrochen in einem Wahlkampf.
Der Gerichtstermin hätte eigentlich bereits im Januar stattfinden sollen, wurde jedoch wegen eines Corona-Lockdowns verschoben. Vorwürfe wurden laut, dass er auch die Corona-Krise zur Ablenkung vom Prozess gegen ihn sowie zur Selbstinszenierung zu missbrauchen versuche.
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