Während Saudi-Arabien am vergangenen Wochenende die wichtigsten Regierungschefs zum virtuellen G20-Gipfel nach Riad einlud, um damit die Gelegenheit zu nutzen, der Welt ein "weltoffenes" Königreich zu präsentieren, ging am 24. November der Mordprozess zum Fall Jamal Khashoggi in der Türkei weiter. Zuvor starteten Menschenrechtsgruppen eine Kampagne gegen Saudi-Arabien als Gastgeber des G20-Gipfels. Aktivisten sprachen dem künftigen Monarchen Mohammed bin Salman aufgrund seiner mutmaßlichen Verwicklung in den Fall Khashoggi die Legitimität der Gastgeberschaft für den Gipfel ab.
Bei der Anhörung am Dienstag in Istanbul handelte es sich um die zweite Sitzung des Mordprozesses zum Fall Khashoggi, der vor vier Monaten eröffnet wurde. Das Gericht nahm eine zweite Anklage an und setzte sechs Angeklagte auf die Liste von 20 saudischen Beamten, die bereits in Abwesenheit vor Gericht gestellt wurden.
Im Prozess um den vor zwei Jahren ermordeten saudi-arabischen Journalisten Khashoggi berichtete ein Zeuge von Bedrohungen durch den früheren saudi-arabischen Geheimdienstchef Saud al-Kahtani. Das Istanbuler Gericht vernahm am Dienstag einen engen Freund Khashoggis. Bei dem Zeugen soll es sich um den ägyptischen Oppositionellen Ayman Nour gehandelt haben. "Jamal erzählte mir, dass er Drohungen von al-Kahtani und dessen Umfeld erhalten habe", sagte Nour. Al-Kahtani soll Khashoggi der Aussage zufolge auch mitgeteilt haben, dass er seine Kinder kenne und wisse, wo sie lebten. Von Drohungen hatte Khashoggi selbst bereits berichtet.
Die CIA und einige westliche Länder glauben, dass bin Salman die Tötung angeordnet habe, was saudische Beamte jedoch weiterhin bestreiten. Trump rühmte sich seinerzeit damit, dem Kronprinzen nach dem Mord an Khashoggi "den Arsch gerettet zu haben".
Die Verlobte Khashoggis, Hatice Cengiz, hatte in den USA bereits eine neue Klage gegen bin Salman erhoben. Auf Twitter berichtete sie kürzlich über die neue Prozessrunde in Istanbul zum Fall Khashoggi.
Yasin Aktay, Sprecher der Regierungspartei AKP und ein Bekannter von Khashoggi, sagte kürzlich, ein gerechtes Urteil sei von einem saudischen Gericht nicht zu erwarten: "Wenn wir uns Sorgen um die Gerechtigkeit machen, gibt es keinen anderen Weg, als den Mordfall in einem türkischen Gericht zu untersuchen." Das Verfahren in der Türkei hat allerdings eine starke politische Bedeutung, da die Türkei und Saudi-Arabien Rivalen sind und in der Region um Einfluss ringen.
Khashoggi, der 59-jährige Kolumnist der Washington Post, wurde kurz nach dem Betreten des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul im Oktober 2018 von einem Spezialkommando getötet und zerstückelt, als er Papiere für seine geplante Hochzeit abholen wollte. Die saudische Regierung hatte den Mord unter internationalem Druck eingeräumt. Das Land behauptet jedoch, dieser sei ohne die Zustimmung von bin Salman durchgeführt worden. Kritiker zweifeln allerdings an, dass die Tötung ohne das direkte Wissen und das Einverständnis von bin Salman umgesetzt wurde.
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