von Zlatko Percinic
Vierzehn Jahre nach den "Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens" spricht die US-Regierung nach der Unterzeichnung des sogenannten "Abraham-Abkommens" in Washington erneut von einem "neuen Mittleren Osten". Damals freute sich US-Außenministerin Condoleezza Rice über einen endgültigen Sieg Israels über die libanesische Widerstandsorganisation Hisbollah, nachdem Jerusalem den Süden Libanons und Teile Beiruts in Schutt und Asche gebombt hatte. Die Freude erwies sich allerdings als verfrüht, wie es sich herausstellen sollte.
Schon damals stand Saudi-Arabien hinter Israels Bombenkampagne, allerdings unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wie der israelische Fernsehsender Channel 13 unter Berufung auf Regierungsquellen in der vierteiligen Serie "Geheimnisse des Golfs" im vergangenen Jahr berichtete, habe Riad sogar geheime Briefe an den Mossad geschickt und forderte, "mit aller Härte" gegen die Hisbollah vorzugehen. In dieser Serie wurde auch aufgedeckt, dass Bahrain während der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 eine Botschaft an die israelische Delegation übermittelte, worin das kleine Königreich am Persischen Golf sein Interesse bekundete, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren.
Das nun unterzeichnete Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist nach dem berühmten dreifachen Nein der Arabischen Liga im September 1967 ein wichtiger Schritt nach vorne. Nach dem Junikrieg (oder auch als Sechstagekrieg bekannt) und der Eroberung von arabischen Gebieten kam die Liga in Khartum/Sudan zusammen und stimmte am Ende für eine Resolution, mit welcher sich die arabischen Staaten verpflichtet haben, "keinen Frieden mit Israel, keine Anerkennung von Israel, keine Verhandlungen mit ihm" zu führen. Außerdem hielten sie fest, dass sie "auf die Rechte des palästinensischen Volkes in ihrem eigenen Land" bestehen.
Ägypten scherte 1979 als erstes und damals wichtigstes arabisches Land aus dieser verhärteten Front aus und unterzeichnete ein Friedensabkommen mit Israel. Dem war der gemeinsame ägyptisch-syrische Überraschungsangriff im Oktober 1973 vorausgegangen, der als Jom-Kippur-Krieg in die Geschichte eingehen sollte. Präsident Anwar as-Sadat wollte Israel auf diese Weise zurück an den Verhandlungstisch zwingen, um die israelische Besatzung der Sinaihalbinsel zu beenden.
Jordanien folgte dem ägyptischen Beispiel und unterzeichnete 1994 ebenfalls ein Friedensabkommen mit Israel, was zu weiteren Verhandlungen mit den Palästinensern und der Anerkennung Israels durch die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO führte.
Was diese wirklichen Friedensabkommen von dem nun in Washington unterzeichneten "Abraham-Abkommen" unterscheidet, ist, dass diese Länder – beziehungsweise eine zum Teil unter Besatzung lebende Volksgruppe – tatsächlich Kriege gegen Israel führten. Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen nie. Trotzdem wurde die Zeremonie auf dem Südrasen des Weißen Hauses so inszeniert, als ob ein langer und blutiger Konflikt beendet wurde. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu selbst projizierte dieses Bild, als er erklärte:
Diejenigen, die Wunden des Krieges tragen, schätzen die Segnungen des Friedens.
So berechtigt die Freude über dieses Abkommen ist, der einen offenen Austausch zwischen den Vertragsparteien ermöglicht und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben wird, so wenig hat es insbesondere für die Sicherheit der Israelis und Palästinenser beigetragen. Das ist sozusagen die Mutter der modernen ungelösten Konflikte im Nahen Osten, ohne deren Lösung es zu keinem Frieden zwischen den Erben Abrahams kommen kann. Noch im vergangenen Jahr erklärte der saudische Prinz Turki ibn Faisal im vierten Teil der israelischen Produktion "Geheimnisse des Golfs":
Die israelische öffentliche Meinung sollte (von Benjamin Netanjahu) nicht getäuscht werden, dass die palästinensische Sache eine gestorbene Sache ist. Vom israelischen Standpunkt möchte Herr Netanjahu von uns, dass wir eine (diplomatische) Beziehung haben, und dann können wir die palästinensische Sache lösen. Vom saudischen Standpunkt ist es aber genau andersherum.
Als ihn der Journalist Barak Ravid fragt, ob er damit sagen möchte, dass Netanjahu die Israelis hinters Licht führt, indem er behauptet, dass er Beziehungen zur arabischen Welt aufbauen könne, ohne die palästinensische Frage gelöst zu haben, antwortet Prinz Turki: "Absolut." Der Neffe des inzwischen verstorbenen Königs der Al-Saud-Dynastie, Abdullah ibn Abd al-Aziz, war von 1977 bis 2001 ein mächtiger Geheimdienstchef und späterer Botschafter in Großbritannien und den USA.
Das ist die zentrale Frage, die bisher einer Normalisierung im gesamten Mittleren Osten im Wege stand. Selbst durch die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien konnte keine richtige Entspannung in der Region erzielt werden, weil der eigentliche Konflikt nicht gelöst ist. Das hat aber die Herrscher in den VAE, Bahrain und Saudi-Arabien nicht davon abgehalten, geheime Beziehungen mit Israel aufzunehmen, die über den Geheimdienst Mossad geführt wurden, wie der ehemalige Chefberater von Ariel Sharon, Dov Weissglas, erklärte. Der gegenwärtige Mossad-Chef Yossi Cohen zeigte sich optimistisch, dass nun auch Riad den Weg gehen könnte, den Abu Dhabi und Manama eingeschlagen haben.
Ob es dazu kommen wird, nachdem sich Prinz Turki ibn Faisal in aller Öffentlichkeit so exponiert hatte, wird sich zeigen müssen. Diese Frage, wie man mit den Palästinensern und gleichzeitig mit der weiteren arabischen Welt umgehen soll, beschäftigt die zionistische Bewegung schon sehr lange. Gad Frumkin, einer der wenigen jüdischen Juristen, die am Obersten Gerichtshof von Palästina während der britischen Mandatszeit als Richter zugelassen waren, meinte dazu, dass die Zionisten "sich über die Araber von Eretz Israel hinwegsetzen und ihre Anführer auf der Suche nach Lösungen mit Anführern in den Nachbarstaaten übergehen sollen".
Das ist auch der Ansatz, den Israel seit den sogenannten "Friedensverhandlungen" mit den Palästinensern verfolgt, die 1991 in Madrid ihren Anfang nahmen. Das erste Resultat dieser Taktik war der bereits erwähnte Friedensvertrag mit Jordanien drei Jahre später.
So ähnlich sah es auch der ehemalige US-Außenminister und Nationale Sicherheitsberater, Henry Kissinger. Bei einem Treffen mit der "Klutznik-Gruppe" am 15. Juni 1975, einer in den USA einflussreichen Gruppe von jüdischen Eliten, sagte Kissinger, dass man die Palästinenser "isolieren" müsse, um die arabische "Front" zu spalten.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie auch die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, bestätigte.
Die Vereinigten Arabischen Emirate bestanden darauf, dass ihre wichtigste Bedingung bei den Verhandlungen mit Israel es gewesen sei, die Annexion großer Teile des Westjordanlands zu stoppen. Mit der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen könne Abu Dhabi zudem besser auf Jerusalem einwirken, wenn es um die Zweistaatenlösung gehe. VAE-Staatssekretär im Außenministerium, Dr. Anwar bin Mohammed Gargash, bestätigte sogar noch am Tag vor der feierlichen Unterzeichnung in einem Interview mit Barak Ravid, dass in dem Dokument auch auf die Zweistaatenlösung eingegangen werde.
Bei dem Dokument, das Außenminister Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan unterzeichnete, fehlt hingegen jeglicher Bezug zur Zweistaatenlösung. In der Präambel heißt es lediglich, dass man sich "verpflichtet" habe, sich für eine "gerechte, umfassende, realistische und dauerhafte Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt" einsetzen zu wollen. Auch was den vermeintlichen Stopp der Annexion betrifft, verpasste der designierte israelische Botschafter in Washington, Gilad Erdan, einen Dämpfer. Einen Tag nach der Zeremonie auf dem Südrasen des Weißen Hauses äußerte er in einem Interview mit dem israelischen Armeeradio, dass die US-Regierung lediglich den Zeitpunkt dafür verschoben habe. "Man kann es wieder nach den US-Wahlen besprechen", sagte er.
Das alles legt nahe, dass es sich für US-Präsident Donald Trump und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in allererster Linie um innenpolitische Punktgewinne gehandelt hat. Während sich Trump als großer "Dealmaker" kurz vor den Wahlen präsentieren kann, kann der massiv unter Druck stehende Netanjahu ebenfalls "Friedensabkommen" mit arabischen Staaten vorweisen, die bisher keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhielten. Dafür musste er keinerlei strategische Konzessionen eingehen, wie es auch mit Ägypten und Jordanien der Fall war, und es veränderte überhaupt nichts im Konflikt mit den Palästinensern. Netanjahu schloss Frieden mit Freunden, nicht mit seinen Gegnern.
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