Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich den Zorn der ultraorthodoxen Bevölkerung auf sich gezogen, als er einen Lockdown für die 40 Risikogebiete verkündete. Man einigte sich auf einen leichten Lockdown – Schulen sollten geschlossen und eine Ausgangssperre eingehalten werden. Die Polizei aber behinderte den nächtlichen Verkehr mit ihren Barrikaden kaum, einige Schulen blieben dennoch geöffnet. Jetzt stiegen die Zahlen der testpositiven Bevölkerung erneut.
In den letzten Tagen wurden 16 Prozent der ultraorthodoxen Bevölkerung Israels positiv auf das Coronavirus getestet, in der arabischstämmigen Bevölkerung sind es elf Prozent, innerhalb der restlichen Bevölkerung sechs Prozent. In den 40 Risikogebieten wohnen hauptsächlich Araber, ein geringer Teil sind ultraorthodoxe Juden. Es wird von einer zweiten Welle gesprochen und dem Risiko, dass die wenigen Plätze auf den Intensivstationen schnell überfüllt sein könnten. Das betrifft besonders den Norden des Landes, wo viele Araber leben. Die Mehrheit der Testpositiven jedoch sind junge Menschen, nur zwölf Prozent gehören der älteren Risikogruppe an.
Das israelische Kabinett hat dennoch einem weiteren landesweiten Lockdown zugestimmt, der mit dem Abend des jüdischen Neujahrsfests Rosch ha-Schana (am 18. September) beginnen und einen Monat währen soll. Noch muss die Regierung dem zustimmen. Dies würde bedeuten, dass Schulen ab der vierten Klasse, Restaurants und Einkaufszentren geschlossen bleiben. Den Plänen entgegen steht jedoch ein wichtiger Auslandstermin Netanjahus. Am 15. September soll er einen Vertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten in Washington unterzeichnen. Ein Lockdown, beginnend in der Zeit seiner Dienstreise, würde sich negativ auf seine Popularität auswirken.
Der Likud-Energieminister Yuval Steinitz:
Es ist eine einfache Rechnung. Wir haben 3.000 Menschen, die täglich mit dem Coronavirus diagnostiziert werden. Das sind eine Millionen Patienten pro Jahr, mit mindestens vier Millionen Menschen in Isolation und etwa 10.000 Todesfällen, die darauf zurückzuführen sind, dass das Behandlungsniveau zurückgegangen ist, weil das System überfordert ist.
Daher gibt es keine Alternative zu einer vollständigen Abriegelung, zusammen mit sofortigen, drastischen Maßnahmen, die die einzige Möglichkeit sind, den Infektionsgrad ernsthaft zu senken. Auch ohne die neuen Einschränkungen läuft der Schulunterricht in Israel nicht seinen normalen Gang. Im Land wächst der Widerstand gegen den Umgang mit dem Virus. Die Kinder gehen nicht die volle Zeit in die Schule, es gibt bestimmte Lerntage, Abstandsregeln und Maskenpflicht. Israelische Ärzte und Wissenschaftler unterzeichneten einen offenen Brief an die Regierung gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
Der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums, Professor Yoram Lass, kritisiert diese Praktik. Eine Grippe sei für Kinder weitaus gefährlicher. In den israelischen Krankenhäusern gäbe es keine Kinder, die aufgrund einer schweren Infektion mit dem Coronavirus behandelt werden müssten.