Nach dem Deal ist vor dem Deal – Israelische Annexion ist nicht vom Tisch

Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde von Abu Dhabi damit begründet, dass sie damit die Annexion von palästinensischen Gebieten verhindern wollten. Wie sich jetzt aber herausstellte, handelte es sich dabei um eine reine PR-Aktion.

Seit Monaten liefen die Vorbereitungen der israelischen Regierung für eine Annexion großer Gebiete des Westjordanlandes. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versprach während seines Wahlkampfes, diesen Schritt auch tatsächlich durchzuführen und sich nicht von internationaler Kritik abbringen zu lassen. Sogar ein Termin stand schon fest. Am 1. Juli hätten die Träume der rechten Siedlerbewegung endlich in Erfüllung gehen sollen, die ihre Zeit nach jahrzehntelangem Warten endlich gekommen sahen. 

Zwei Monate sind seitdem vergangen, ohne dass es zu einer Annexion gekommen ist. Stattdessen haben Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ein Normalisierungsabkommen unterzeichnet, das den Weg für die Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern freimachte. Die Palästinenser warfen ihren arabischen Vettern Verrat vor, was diese strikt von sich wiesen. Man habe diesem Schritt nur zugestimmt, um die Palästinenser doch vor einer Annexion zu bewahren, lautete die Antwort aus dem Herrscherpalast in Abu Dhabi. 

Um diesen Punkt zu untermauern, erließen nach dem erstmaligen Flug einer israelischen Passagiermaschine der Fluglinie El Al von Tel Aviv nach Abu Dhabi die Vertreter der USA, Israels und der VAE eine gemeinsame Erklärung. Demnach habe das Abkommen zum "Stopp" der Annexion geführt, hieß es in der arabischen Fassung. In der englischen Version hingegen ist die Rede von "Aussetzung" der Annexion, wie PLO-Generalsekretär Saeb Erakat feststellte.

Dschamal al-Muscharak, Chef der Abteilung für regionale Kooperation im VAE-Außenministerium, meinte auf Nachfrage von Reportern in Abu Dhabi, dass das lediglich eine Frage der Übersetzung sei. Doch auf weitere Nachfrage wiederholte er die offizielle Erklärung, dass eine Bedingung für die Normalisierung der Beziehungen es gewesen sei, die "Annexion anzuhalten". Mehr wollte er dazu nicht sagen.

Wurde nun die Annexion nur "angehalten" und "ausgesetzt", oder wurde sie aber vollständig "gestoppt", wie es in der arabischen Fassung der gemeinsamen Erklärung hieß, die insbesondere für die kritische Maße der arabischen Bevölkerungen in anderen Ländern galt? 

PLO-Exekutivmitglied Hanan Aschrawi sieht eine Absicht dahinter. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte sie:

Die arabische Übersetzung ist ein Weg, um die arabische öffentliche Meinung irrezuführen, in dem sie (die VAE) behaupten, die Annexion gestoppt zu haben, während sie sie tatsächlich nur ausgesetzt haben.

Dass die Palästinenser mit ihren Befürchtungen Recht behalten sollten, zeigte sich schließlich am Mittwoch. Eine Sprecherin des israelischen Außenministeriums erklärte, dass es der Aussage von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom 13. August nichts hinzuzufügen gäbe, wonach "Israel die Anwendung der Souveränität ... ausgesetzt" habe. Auch der US-Botschafter in Israel, David Friedman, bestätigte diese Wortwahl:

Das Wort Aussetzung wurde mit Vorsicht von allen Seiten ausgewählt. 'Aussetzen' bedeutet per Definition, schaut selbst nach, einen vorübergehenden Stopp. Es ist jetzt vom Tisch, aber es ist nicht für immer vom Tisch.

Auch Jared Kushner, der an Bord der ersten El-Al-Maschine nach Abu Dhabi war, benutzte das Wort "Aussetzen". Der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump und Mitgestalter des "Friedensplans" der US-Regierung stellte dann in einem Interview mit der emiratischen Nachrichtenagentur WAM klar, dass die Annexion tatsächlich lediglich für den Moment ausgesetzt wurde. 

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