Wunschdenken eines US-Generals: Russen halten sich an "unsere Protokolle" in Syrien

Der Tod eines US-Soldaten in Syrien durch einen Verkehrsunfall hat eine breite Diskussion über die vermeintlich zunehmenden Zwischenfälle mit russischen Truppen in Syrien ausgelöst. Der stellvertretende Befehlshaber der US-angeführten Koalition spielt nun die Vorkommnisse herunter.

Die Streitkräfte der beiden Atommächte und geopolitischen Rivalen, Russland und USA, kommen sich in Syrien immer wieder in die Quere. Während russische Truppen auf Einladung der syrischen Regierung in dem Land operieren, befinden sich US-Soldaten ohne entsprechende Bewilligung oder UN-Mandat auf syrischem Boden. In den vergangenen Monaten tauchten Videos im Netz auf, die das Aufeinandertreffen der beiden militärischen Akteure dokumentieren. Dabei kam es zu teilweise gefährlichen Manövern, wie jenes Mitte Februar östlich von Qamischli in der al-Hasaka Provinz, als ein US-Armeefahrzeug eine russische Patrouille von der Straße drängte.

Solche Zwischenfälle verliefen bisher aber glücklicherweise glimpflich, sodass es zu keiner ernsthaften Eskalation zwischen den beiden Militärs kam. Als dann vor wenigen Tagen ein weiteres Video auftauchte, dass eine wilde Verfolgungsjagd und anschließende mündliche Auseinandersetzung zwischen einem russischen Offizier und seinem US-Kollegen zeigt, empörte sich der ehemalige Sonderbeauftragte für die US-angeführte Koalition gegen den IS, Brett McGurk, über diese Aufnahme. Über Twitter sagte er:

Trump spielt Golf, während die US-Streitkräfte in Syrien nun täglich mit Russen konfrontiert werden, dank seiner ungestümen Entscheidung, zweidrittel des einst stabilen Bodens Putin und Erdoğan zu überlassen. Herr Präsident: Nehmen Sie den Hörer ab und sagen Sie Putin, er solle aufhören, unsere Truppen zu schikanieren. 

McGurk trat zusammen mit Verteidigungsminister James Mattis aus Protest nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump im Dezember 2018 zurück, US-Truppen aus Syrien abziehen zu wollen. Seitdem kritisiert er Trump, dass er nicht nur die US-Vormachtstellung geschwächt, sondern auch die eigenen Truppen in Gefahr gebracht habe. 

Diesen letzten Vorwurf der "täglichen Konfrontation mit Russen" ließ der stellvertretende Befehlshaber der US-Koalition, Generalmajor Kenneth Ekman, nicht gelten. Bei einer Pressekonferenz in der irakischen Hauptstadt Bagdad am Mittwoch, sagte er:

Und so kommt das, was man als Schikane bezeichnen könnte, was, wie Sie wissen, weniger als absolut professionelles Verhalten zwischen den Russen und den USA ist, nur selten vor. Im Großen und Ganzen stellen wir fest, dass sich die Russen an die Protokolle halten, die wir eingeführt haben. Sie halten sich, wenn Sie so wollen, an die Verkehrsregeln, die auf der taktischen Ebene zwischen unseren Konvois auftreten, und es kommt sehr selten vor, dass ein Missverständnis höhere Emotionen oder eine Art von Schikane zwischen den beiden Streitkräften auslöst.

Ob sich russische Soldaten tatsächlich an taktische Protokolle der US-Streitkräfte halten, darf hingegen bezweifelt werden. Die Russen verfügen selbstverständlich eigene Protokolle, sogenannte "Rules of Engagement" (RoE), die sich aber nicht wesentlich von denen der US-Armee unterscheiden dürften, zumindest was den Straßenverkehr betrifft. Die Aussage von General Ekman ist viel mehr Zeugnis der Eigenwahrnehmung der US-Streitkräfte, dass überall wo sie sind, andere ihren Befehlen folgen. 

Der US-General meinte weiter:

Und deshalb geht es uns nicht um die Anzahl der Zwischenfälle – unsere Truppen werden sich tagein, tagaus auf den Straßen sehen, während sie ihre jeweiligen Ziele verfolgen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass wir die Protokolle gegen Konflikte einhalten und dass wir dafür sorgen, dass keiner dieser Kontakte eskaliert.

Am Dienstag kam es zu einem tödlichen Unfall just in dem Gebiet, wo russische und US-Truppen aufeinandertreffen. Ein 25-jähriger Soldat aus dem US-Bundesstaat Utah kam ums Leben, als sich ein Armeefahrzeug von der Straße abkam und sich überschlug.

Umgehend wurden Spekulationen laut, dass das die Folge eines solchen Aufeinandertreffens zwischen den beiden Streitkräften war. Diese Spekulationen wies General Ekman aber zurück und sagte, dass keine russischen Fahrzeuge oder Soldaten zum Zeitpunkt des Unfalls in der Nähe waren. Allerdings wollte er sich zu den Umständen nicht äußern, wie es dazu kommen konnte, dass sich das elf Tonnen schwere Armeefahrzeug (ein Oshkosh M-ATV) überschlug.

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