Während der ineffektive Umgang der libanesischen Regierung mit der Corona-Pandemie zur Wiederaufnahme der Proteste auf den Straßen im Land geführt hat, hat die kürzlich in Deutschland als Terrororganisation eingestufte Hisbollah im krisengebeutelten Libanon beträchtliche finanzielle und andere Mittel für die Bekämpfung von COVID-19 mobilisiert. Damit soll in dem Land mit einer defizitären staatlichen Gesundheitsinfrastruktur unter anderem der Bau von Behelfskrankenhäusern und Testzentren ermöglicht werden.
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Außerdem hat die Hisbollah bereits am 25. März angekündigt, dass sie rund 20.000 Ärzte und medizinisches Personal für die Durchführung von Tests, Krankenfahrten zu sowie Arbeit in Kliniken bereitstellen wird.
Nach einem pandemiebedingten Abebben der im Oktober begonnenen Proteste hatte der schlechte Umgang der libanesischen Regierung mit der COVID-19-Krise im Frühjahr erneute Straßenproteste in Beirut und Tripoli ausgelöst, an denen sich unter anderem unter- und gar unbezahltes medizinisches Personal beteiligte.
Auch wegen der rapiden Abwertung der Landeswährung hatten Ende März wieder Menschen im Libanon protestiert. Als Antwort auf die Proteste setzte die libanesische Armee unter anderem Tränengas, Gummigeschosse und auch Scharfschützenfeuer ein. Am 28. April starb der 26-jährige Demonstrant Fawaz Fouad al-Samman an den Folgen von Schusswunden.
In der südlichen Hafenstadt Sidon wurden mehrere Demonstranten vom Geheimdienst der Armee festgenommen und sollen, auch laut medizinischen Berichten, teilweise mit Stöcken und Stromschlägen malträtiert worden sein, wie Al Jazeera berichtet.
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Nachdem Berlin bisher zwischen dem zivilen und dem militärischen Arm der Hisbollah unterschieden hatte, verkündete Innenminister Seehofer (CSU) Ende April, dass auch der politische Flügel, der im Libanon als Partei fungiert, als illegale Terrorzelle eingestuft und aus Deutschland verbannt werden solle. Der libanesische Außenminister Nassif Hitti bekräftigte daraufhin, dass "die Hisbollah eine politische Hauptkomponente im Libanon ist, die einen großen Teil des Volkes und einen Teil des Parlaments repräsentiert".
Die Entscheidung für ein Betätigungsverbot hat sich angebahnt, nachdem der berüchtigte US-Botschafter Richard Grenell im vergangenen Jahr von einer "künstlichen Unterscheidung" sprach und behauptete, dass "die Hisbollah keine solche Unterscheidung" mache. Auch der israelische Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, warb eindringlich dafür, die gesamte schiitische Hisbollah in Deutschland und der ganzen Europäischen Union als Terrororganisation einzustufen.
Bereits Anfang Juni 2019 stellte die AfD einen Verbotsantrag, der abgelehnt wurde. Im Dezember wurde ein entsprechender Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP beschlossen. Die EU unterscheidet weiterhin zwischen dem militärischen und dem politischen Flügel der Hisbollah, den sie nicht als terroristisch einstuft. Großbritannien änderte seine Gesetzgebung im Februar letzten Jahres, bevor es die EU verließ, und deklarierte die Hisbollah in ihrer Gesamtheit als terroristisch, wie es unter anderem auch die Niederlande, die USA und Kanada taten.
Um die lähmenden Finanzprobleme zu stemmen, hat die Regierung in Beirut Ende April angekündigt, dass sie die Pläne zur Beantragung von zehn Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorantreiben sowie elf Milliarden Dollar an Darlehen und Zuschüssen freisetzen werde, die die internationale Gemeinschaft dem Libanon bereits 2018 zugesagt hatte. Mit den Geldern geht auch der Einfluss ausländischer Stimmen einher, die sich auch auf die Möglichkeiten der Hisbollah im Libanon auswirken können.
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