Russland und Indien beabsichtigen, gemeinsam Superjet- und Il-114-Flugzeuge zu produzieren. Der russische Staatskonzern Rostec gab bekannt, erstmals entsprechende Verhandlungen mit Indien aufgenommen zu haben. Und laut Rostec-Chef Sergei Tschemesow beteiligt sich der Konzern zum ersten Mal an Verhandlungen im Bereich der zivilen Luftfahrt.
Zwischen den Parteien getroffene Vereinbarungen wurden bereits schriftlich fixiert. So wurde zwischen dem indischen Flugzeughersteller HAL und der russischen United Aircraft Corporation ein Memorandum über die gemeinsame Produktion dieser Flugzeuge unterzeichnet.
Das Projekt scheint für beide Seiten vorteilhaft zu sein. Warum ist dies für Indien von Interesse? Roman Gussarow, Leiter des Branchenportals Avia.ru, erläutert:
"Genau wie sein Nachbar China, mit dem es in Konkurrenz steht, strebt Indien den Aufbau einer eigenen Hightech-Produktion an. Es gibt bereits gemeinsame Projekte mit Indien im Bereich der Kampfflugzeugproduktion. So werden beispielsweise auf indischem Territorium Su-30-Flugzeuge unter unserer Lizenz hergestellt. Auch im Bereich des Raketenbaus gibt es gemeinsame Projekte. Nun möchte Indien den nächsten Schritt gehen und die zivile Luftfahrtindustrie im eigenen Land entwickeln."
Wladimir Tschernow, Analytiker bei Freedom Finance Global, merkt an:
"HAL und indische Beamte machen keinen Hehl aus ihrem Ziel, nach einer langen Pause wieder Kompetenzen im zivilen Flugzeugbau aufzubauen, und das Joint Venture mit Russland bietet ihnen Zugang zu modernen Konstruktionsschulen, Verbundwerkstofftechnologien, Avionik und Zertifizierungen. Direkte Lieferungen fertiggestellter Maschinen schaffen weder Arbeitsplätze noch Ingenieursschulen innerhalb des Landes, während die lokalisierte Produktion und die Beteiligung indischer Ingenieure an der Adaption und Weiterentwicklung einer solchen Plattform diese Aufgabe lösen. Darüber hinaus entspricht ein solches Joint Venture vollständig der von Modi vertretenen Politik 'Atmanirbhar Bharat', wonach große Beschaffungen für Staatsprojekte nach Möglichkeit über die lokale Produktion erfolgen sollten."
Auch für Russland ist dieses Projekt von großem Interesse. Gussarow sagt dazu:
"Erstens sind wir sehr daran interessiert, die Zusammenarbeit mit Indien auszubauen. Zum anderen wissen wir, dass unsere eigenen Werke für die nächsten zehn Jahre mit Aufträgen ausgelastet sind, da unsere eigene Flugzeugflotte Importsubstituierung braucht. Das bedeutet, dass wir nicht in der Lage wären, diese Flugzeuge zu liefern, wenn Indien sie einfach nur kaufen wollte. Wenn wir jedoch – zusätzlich zu unserer Produktion – mit dem Bau von Flugzeugen in Indien anfangen, können wir die Serienproduktion steigern."
Der Zusammenbau von Flugzeugen aus russischen Komponenten und Aggregaten wird in Indien erfolgen. Gussarow kommentiert:
"Das bedeutet, dass Russland die Produktion von Komponenten, Triebwerken, Avionik und so weiter steigern kann. Wenn die Serienproduktion von Komponenten und Aggregaten skaliert wird, sinken deren Herstellungskosten."
Die Einbeziehung Indiens in den Prozess ermögliche es, die Serienproduktion zu steigern, Investitionen zu teilen und die Produktionskosten für die Sparte der Zivilflugzeuge zu senken, stimmt Tschernow zu.
Er weist darauf hin:
"Zweitens erhält Russland Zugang zu einem großen und wachsenden Markt. Indien gehört hinsichtlich Passagieraufkommen und Wachstumstempo in der Zivilluftfahrt bereits zu den weltweit führenden Ländern. Allein für regionale Düsenflugzeuge schätzen HAL und das indische Ministerium für Zivilluftfahrt den Inlandsbedarf für die nächsten zehn Jahre auf mehr als 200 Flugzeuge dieser Klasse. Hinzu kommen noch Exporte nach Südostasien und Afrika. Für Russland allein ist es schwierig, eine solche Produktpalette zu füllen, aber durch Zusammenarbeit sind die Chancen größer."
Indien wird in der Lage sein, diese Flugzeuge als Co-Produzent in Südasien und befreundeten Ländern Afrikas und Lateinamerikas anzubieten.
Auch aus politischer Sicht sei dieses Projekt von Bedeutung, und zwar für beide Seiten. Für Neu-Delhi sei es ein Zeichen der Unabhängigkeit, denn das Land baue die Zusammenarbeit mit Russland auf, ohne die Beziehungen zu den USA und der EU zu beeinträchtigen. Für Russland sei es ein Beweis dafür, dass es nicht isoliert sei, sondern alternative Partner in einer großen nicht-westlichen Wirtschaft finde, meint Tschernow.
Damit erkennt Indien das hohe technische Niveau Russlands im Bereich des zivilen Flugzeugbaus an. Darüber hinaus wäre eine solche Zusammenarbeit ohne die vollständige Importsubstitution im Flugzeugbau kaum möglich gewesen.
Gussarow erklärt:
"Nun sind wir nicht mehr von Lieferungen bestimmter Komponenten aus Drittländern abhängig. In den vergangenen Jahren gab es Fälle, in denen wir unsere Superjet-Flugzeuge in ein bestimmtes Land verkaufen wollten, jedoch wurde uns dieser Verkauf untersagt. Dabei waren es nicht die Europäer, sondern die US-Amerikaner, die dies verhindert haben, obwohl sie nicht einmal direkte Partner in diesem Projekt waren. Sie argumentierten damit, dass mehr als zehn Prozent ihres Know-hows, also ihres geistigen Eigentums, in den Superjets stecke und sie daher das Recht hätten, zu bestimmen, an wen diese Flugzeuge geliefert werden dürfen und an wen nicht. Eine ähnliche Situation gab es mit dem Flugzeug vom Typ TU-204: Die Triebwerke wurden gemeinsam mit den USA hergestellt. Doch nun können wir solche Projekte ohne Bedenken hinsichtlich Einmischung Dritter umsetzen."
Seiner Schätzung zufolge werden zwei Drittel der Produktionskosten des Flugzeugs – also die Herstellung von Komponenten, Aggregaten und Triebwerken – in Russland anfallen, während der Rest – die Endmontage und möglicherweise die Herstellung einiger Komponenten – in Indien organisiert werden soll.
Gussarow erläutert:
"Wir haben zwar versucht, ähnliche Projekte mit unseren chinesischen Kollegen zu organisieren. Dies war jedoch nicht erfolgreich, da es viele Widersprüche gab und die Interessen auseinandergingen. In diesem Fall sehe ich jedoch keinerlei Hindernisse, da unsere Interessen mit denen Indiens vollkommen übereinstimmen."
"Russland beabsichtigt, auch vom Export zu profitieren. Der Direktverkauf fertiger Luftfahrzeuge bringt nur einmalige Einnahmen. Joint Ventures und Lizenzen hingegen bringen Lizenzgebühren und Tantiemen für jedes indische Flugzeug. Außerdem werden russische Werke mit Lieferungen wichtiger Komponenten, Systeme und Triebwerke ausgelastet und es wird ein gemeinsamer Zugang zu Drittmärkten unter einer russisch-indischen Marke ermöglicht. In finanzieller Hinsicht bringt dies zwar nicht so viel 'schnelles Geld' wie am Anfang, aber potenziell mehr über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren, sollte das Programm erfolgreich sein."
Dabei geht es natürlich nicht um die Weitergabe aller Technologien. Tschernow kommentiert das so:
"Wie die Erfahrung mit Projekten im Rüstungssektor zeigt, ist eine vollständige Übertragung kritischer Technologien nicht vorgesehen: Zunächst erfolgt die Schraubenmontage, dann steigt der Anteil lokaler Komponenten allmählich an, aber die Software, die wichtigsten Baugruppen und die Motoren werden weiterhin vom Entwicklerland hergestellt. Diese Vorgehensweise wurde wiederholt von den für den Verteidigungssektor zuständigen Vizepremieren und dem Industrie- und Handelsministerium bekräftigt. Auch im Bereich der zivilen Luftfahrt wird die Logik kaum anders sein, selbst wenn die Rhetorik milder ausfällt."
Was die Entscheidung betrifft, in Indien gerade zwei Regionalflugzeuge zu bauen – den Superjet und die Tu-114 –, so hat dies durchaus seine Logik.
Tschernow erläutert dies folgendermaßen:
"Die Entscheidung für Superjet und Il-114 passt gut zu Indiens Plänen zur Entwicklung der Regionalfliegerei. Der Superjet in seiner neuen Konfiguration ist ein Düsenflugzeug mit etwa hundert Sitzplätzen und einer Reichweite von rund 3.500 Kilometern. Damit lassen sich Strecken bedienen, auf denen bereits ein gutes Passagieraufkommen besteht, für die jedoch große Airbus- und Boeing-Flugzeuge noch überdimensioniert sind. Die Il-114-300 ist ein Turboprop-Flugzeug mit etwa 60 Passagierplätzen, das auf kurzen und schlecht präparierten Start- und Landebahnen, in heißem Klima und in hoch gelegenen Gebieten eingesetzt werden kann. Dies ist für eine Reihe von Regionen in Indien von großer Bedeutung."
Indien entwickele das sogenannte UDAN-Programm und ein Netz kleiner Flughäfen, fördere Fluggesellschaften, Direktflüge zwischen zweit- und drittgrößten Städten anzubieten, und genau dafür seien mittelgroße Flugzeuge erforderlich, fügt der Experte hinzu.
Die Wahl sei aus zwei Gründen nicht auf das Flugzeug vom Typ MS-21 gefallen. Erstens würde die Produktion eines großen Verkehrsflugzeugs viel mehr Investitionen erfordern. Zweitens sei die MS-21 bereits ein direkter Konkurrent von Boeing und Airbus, sodass die Entscheidung Neu-Delhis, dieses Flugzeug in Indien zu montieren, einen neuen geopolitischen Konflikt mit westlichen Herstellern provozieren würde, folgert Tschernow abschließend.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 6. Dezember 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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