Wegen Urandefizit: USA sichern sich Uranvorkommen in Usbekistan

Analysten zufolge könnte die US-Atomindustrie schon im kommenden Jahrzehnt mit einem spürbaren Urandefizit konfrontiert werden. Daher suchen die USA bereits nach neuen Uranquellen. Unter anderem in Usbekistan, das über enorme Vorkommen verfügt und gegenüber einer Kooperation mit den USA im zivilen Atomsektor nicht abgeneigt ist.

Von Alex Männer

Aktuell erlebt die friedliche Nutzung der Atomenergie einen rasanten Aufschwung, weil immer mehr Länder ihre Energiesicherheit angesichts der weltweiten Konflikte und der damit verbundenen ökonomischen Risiken durch zusätzliche Energiequellen gewährleisten wollen. Die Nutzung der Atomkraft aber hängt langfristig davon ab, dass das für die Kernspaltung verwendete Uran weltweit begrenzt ist und früher oder später erschöpft sein dürfte.

Obwohl das vermutlich erst in 40 bis 60 Jahren der Fall sein wird, ist schon mittelfristig ein spürbares Defizit von Uran im zivilen Atombereich nicht auszuschließen, meinen Experten von der World Nuclear Association (WNA). In ihrem aktuellen Bericht heißt es, dass sowohl die Erschöpfung der weltweiten Uranreserven als auch die steigende Nachfrage nach Uran in den kommenden Jahrzehnten zu einer Krise in der Nuklearindustrie führen könnte. So soll die weltweite Nachfrage nach Uran bis zum Jahr 2030 um ein Drittel auf etwa 86.000 Tonnen und bis 2040 auf etwa 150.000 Tonnen steigen. Zugleich geht man davon aus, dass sich die globale Uranproduktion aufgrund der Erschöpfung von Lagerbeständen zwischen 2030 und 2040 halbieren und das Angebot auf dem Uranmarkt somit schwach bleiben wird – was zu erheblichen Defiziten führen und den Aufschwung in der Kernenergie-Branche gefährden könnte.

Ein anderes Problem, das eine mögliche Verknappung von Uran zusätzlich verschärfen könnte, ist die ungleichmäßige Verteilung der bislang erkundeten Uranreserven. Diese befinden sich mehrheitlich außerhalb der Territorien jener Staaten, die heute zu den größten Erzeugern von Atomenergie zählen. Zum Beispiel verfügen die USA und Frankreich, die jeweils 100 und 65 Gigawatt im Jahr produzieren und damit etwa ein Viertel beziehungsweise sieben Prozent der weltweit erzeugten Kernenergie ausmachen, über keine nennenswerten Uranreserven. China, das 55 Gigawatt erzeugt, kann lediglich auf drei Prozent der Uranvorkommen zurückgreifen.

Dagegen befindet sich in Kasachstan und Usbekistan, wo es bislang nur ein einziges Atomkraftwerk gibt, fast ein Fünftel der weltweiten Uranbestände. Allein Kasachstan verfügt mit etwa 930.000 Tonnen Uran über die zweitgrößten Reserven der Welt – das sind 15 Prozent. In Usbekistan gibt es immerhin 135.000 Tonnen Uran beziehungsweise zwei Prozent der Reserven. Weshalb diese beiden zentralasiatischen Länder für die führenden Atomenergie-Produzenten von größter Bedeutung sind.

Etwa für die USA, die ihre eigenen Bedürfnisse an Uran derzeit nicht mehr ausschließlich durch heimische Produktion decken und daher auf Importe setzen. Die US-Energieinformationsbehörde (EIA) warnt in diesem Zusammenhang laut Medienangaben vor einer Unterversorgung des Marktes mit Uran und prognostiziert für die kommenden zehn Jahre sogar eine Versorgungslücke in der US-Atomindustrie, die sich auf mehr als drei Jahre auswirken könnte. Zudem besteht der Behörde zufolge inzwischen eine zu große Abhängigkeit von Importen, weil nahezu das gesamte Uran, das in den vergangenen Jahren gekauft wurde, aus ausländischen Quellen stammte. Vor allem aus Russland, das nach einer signifikanten Zunahme der Exporte in die USA im vergangenen Jahr zum US-Hauptlieferanten für Uran avancierte.

Dabei sind diese notwendigen Rekordeinfuhren Washington angesichts der aktuellen Weltlage offenkundig ein Dorn im Auge, weshalb die US-Regierung händeringend nach Alternativen sucht. Dafür infrage kommt Usbekistan,das bereits seit Jahren Uran in die USA exportiert und diese Lieferungen in den vergangenen drei Jahren um fast das Zweifache auf einen Anteil von elf Prozent am gesamten US-Import steigern konnte. Die Amerikaner sehen darin Potenzial für eine Ausweitung der Lieferungen und vereinbarten mit Usbekistan in einem Memorandum Ende September eine intensivere Kooperation in wissenschaftlichen, technischen und regulatorischen Bereichen der zivilen Nuklearindustrie.

Usbekistan soll durch diese Kooperation unter anderem den Zugang zu neuesten Technologien und Ausrüstung erhalten, die eigene Energiesicherheit stärken und die Energiebilanz diversifizieren. Zudem soll die Ressourcenbasis erweitert, die Produktionskapazität erhöht und der Bergbausektor im Land modernisiert werden.

Die USA sichern sich im Gegenzug den Zugang zu großen Uranvorkommen sowie milliardenschwere Aufträge für ihre Unternehmen. Diverse US-Firmen haben bereits Verträge zur Förderung von Uran und seltenen Erden sowie zur Ausbildung von Fachkräften abgeschlossen. Darunter das globale Unternehmen Traxys, das sich auf den Handel mit Metallen und Mineralien spezialisiert hat und in Usbekistan unter anderem neue Uranminen erschließen soll.

Zweifelsohne ein hervorragender Deal aus Sicht der USA. Allerdings sollten sich die Amerikaner beeilen, denn das Erschließen neuer Uranvorkommen ist ein komplexer und langer Prozess, der von der Entdeckung des Rohstoffs bis zu seinem Abbau mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen kann. Insofern müssten in den kommenden Jahren weitere Importquellen gefunden werden, um die Stabilität der gesamten US-Atomindustrie im kommenden Jahrzehnt zu gewährleisten.

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